Andonis Fostieris: Sehnsucht nach Gegenwart

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Andonis Fostieris: Sehnsucht nach Gegenwart

Fostieris-Sehnsucht nach Gegenwart

VORSICHT FARBEN

Der Himmel hat die Sonne gesaugt, aufgesaugt
Und wurde zu grünem Sumpf.
Die rote Blume welche verschreckte Insekten
Zu ihrem vergeblichen Tod begleitete
Trägt nun ein lila Gedenken
Und von der Tribüne der Luft aus empfiehlt sie
Verzücktes Schweigen.

Wann wird endlich der Weingeist der unstofflichen Farbnuancen
Aufhören die Zutaten anzufeuchten
Wann wird der Geist ausgeruht in seinem Schwarz
Von der Tiefe beginnen zu träumen
Ohne die Abgründe der Herzlichkeit
Ohne die billigen schillernden Intrigen?

 

 

 

Andonis Fostieris und seine Poetik

– Versuch einer Annäherung. –

Auf die Frage eines Journalisten an Andonis Fostieris, wer heutzutage seine Helden seien, antwortete er: All jene Menschen, die unter der Oberfläche des Alltags die Poesie jeden Augenblicks erkennen können. Welche die Poesie lesen im offenen Buch der Welt. Ohne überhaupt sein Alphabet zu kennen. So einer ist er, und noch dazu: er kennt eben sehr gut das Alphabet der Poesie der Welt, und er kann das vermitteln.
Andonis Fostieris ist ein poeta doctus, aber seine Bildung ist so fundiert, dass er sich nicht damit zu brüsten braucht. Sein Wissen ist perfekt transferiert ins poetische Wort, so dass sich alles organisch, einfach, konsequent und schön zusammenfügt. Die Weisheit ist zwar belegt, aber man braucht nicht nach den Quellen zu suchen oder sich darauf zu besinnen, weil sie harmonisch zu dem Inhalt fließt, ein Teil der Wahrheit seiner Aussage ausmacht; sie lastet nicht schwer auf dem Leser, sondern sie erfrischt ihn, versöhnt ihn mit der Vergangenheit und eröffnet Wege der Zukunft, weil sie auf dieser Vergangenheit fußt, ohne sie auf romantische oder ideologische Weise zu verherrlichen. Er ist kein Philologe, auch kein Philosoph, sondern ein Meister des Denkens, der mit seinen Umkehrungen vieles in Frage stellt, auch für sich, aber auch für den Rezipienten seiner Dichtung, den er zum Mitstreiter und Mitspieler macht beim Frage- und Antwortspiel, das er aufs Tapet bringt. Und du musst miträtseln, es ist eine Art Falle, wenn du dich auf seine Einladung einlässt, aus der du dich nicht so schnell zurückziehen möchtest:

Heute Nacht regnet es all meine Ängste,
Dir wend’ ich mich, Dichtkunst, zu
Ich baue ein Gedicht mit Klauen und Zähnen
Außer Atem geh’ ich rein mich zu schützen
Und schließe hinter mir zu den letzten Vers.
(aus: „Dichtung in der Dichtung, 15“)

Der größte Reiz seiner Dichtung aber ist und bleibt die treffsichere Schreibweise, die auf einer immer wiederkehrenden Eingebung basiert – man merkt sofort, dass das Gesagte den Dichter selbst in eine starke Stimmung versetzt und gleichzeitig aufs Herz und auf den Verstand des Lesers zielt. Man kann weinen und lachen in einem und demselben Gedicht, sich erinnern und tief nachdenken, manche Verse nageln sich fest im Kopf, andere wiederum stimmen leichtherzig, ja fast heiter, manche verletzen regelrecht mit ihrem Weltschmerz. Jedenfalls wird man sie nicht so leicht los, auch wenn man sich mit anderen Dingen zu beschäftigen trachtet, um sie abzuschütteln.
Beharrlich, echt, eine süße Abhängigkeit verursachend.

Eine Nacht steigt von deinem Haar herunter
– Oder ist es die Nacht die schüttelt ihr Haar
Von dem glitzernden Spiegel ihrer Leere
Der verstaubten Scheibenfront ihres Dunkels?

(aus: „Wer kommt“)

Nehmen wir das wichtigste und innigste der Gefühle, die Liebe. Ihr widmet sich Fostieris mit knappen Gedichten im Stakkato, sie sind, könnte man meinen, die Quintessenz seiner Poesie: Innerhalb der Einheit „Dunkle Liebe“ dreimal Gedichte mit der Überschrift O Erotas. O Erotas. O Erotas. Die Liebe. Die Liebe. Die Liebe. Aber auch wenn die Überschrift es nicht verrät:

DU

Wenn ich dich Gespielin nenne vernichte ich dich
Wenn ich dich meine Liebe nenn werd’ ich vernichtet
Elektrischer Vogel am Rande des Abgrunds
Ein dichter Wald den ich pfeifend durchschreite.

Wie kann dieser in die Sprache Verliebte Angst vor den Wörtern haben? Aber die Wörter haben Substanz, wenn sie echt, nicht dahergeredet sind.

Der Körper verlässt eilends die fremden Körper
Kehrt blind zurück in ein Nest aus warmem Dunkel
Dort wird er wiederkäuen das Gras der Liebe
Umwickelt in trunkenen Blättern die Küsse
(…)

Der Körper löscht den Durst mit Tränen
(aus: „Der Körper“)

Innerhalb vieler Gedichte behält die Liebe einen exponierten Platz:

(…)
So wie die Liebe:
Wie du erwärmst, so vernichtest du.

Doch wie viel Können ist nötig im Grunde
Damit die Vernichtung gelingt,
(aus: „Mit Leidenschaft vergleichbar“)

Doch wenn man eine durchgehende Linie in all seinem Schaffen suchen möchte, wäre das eine hauchdünne Ironie, die natürlich auch die Selbstironie nicht ausschließt; im Gegenteil. Er stellt sich dadurch ständig in Frage, uneitel, als sei das die Hauptaufgabe des Dichters. Die unendlichen Fragezeichen, selten gesetzt, meistens geahnt, übertragen dem Leser eine Unsicherheit, die man so nötig hat in unserer von „ausdrücklichen Diktaten“ bestimmten Welt. Man bleibt ungerüstet und deswegen auf der Lauer. Dabei spart er nicht an Kritik an den realen Zuständen, zu denen er uns sehr gekonnt, auf den ersten Blick unbemerkt, in Beziehung bringt. Er setzt uns ins Verhältnis zur Welt. Der Konsum, die Fülle an äußeren Kenntnissen, die zu nichts Substantiellem führen, die Erziehung, die von einer solchen Art Bildung geschieht, die angeblich modern und aufklärerisch ist, doch bar jeder Schönheit und des Feingefühls (Kindergarten „Die Natur“). Und davon kommt man nie mehr im Leben los (Nicht zum Verlernen geeignet). Aber dabei wird er nie didaktisch. Dagegen kennt er die beste Waffe: die Ironie eben und auch die Umkehrung des Besagten. Doch seine Sprache ist gleichzeitig voller Zärtlichkeit, wie wenn er das jungendliche Bild seines Vaters betrachtet und sich demnächst an seiner Stelle ahnt.
Trotz alledem: Sein Augenmerk bleibt der Dichtung verpflichtet, der Dichtung an sich, sogar der Dichtung in der Dichtung. Ja er bleibt darin gern verhaftet. Eine ganze Sammlung aus 16 Kleinstgedichten, ins Äußerste verdichtet. Seinem Wunsch folgend bekommen sie auch in dieser Anthologie einen besonderen Platz: ein schmales Heftchen, kleiner als das Buch, als würde es einen einladen: nimm ’s mit in die Jackentasche, das hilft in schwierigen oder langweiligen Minuten! Und sie sind nicht schreiend, nicht arrogant, ein Hauch optimistisch, denn die Dichtung bietet Zuflucht. Das Gedicht ist ein Fluss, sein Leben.

DAS GEDICHT EIN FLUSS

Ich fiel in eine Grube mit Weiß und verbrannte,

Doch das Gedicht ist ein Fluss
Und eine wundersame Feuchte
Mildert befreiend, so glaube ich, die Stille von ihrem Zorn
Wenn ich sie verraten habe. Nicht meine Schuld, das schwöre ich.
Auf dem Regal wurde ein Gefäß mit Vokalen vergessen
Das hätte ich erreichen können. Dann lernte ich mit Silbenborke
Schiffe zu kalfatern. Klein, wie der Finger eines Kinds
Und ich warf sie ins Wässerchen das wegfloss –
Darauf verstand ich: Nur die Trennung
Verbindet die Menschen. Den Rest
Kennt ihr durch andere Erzählungen. Dass „es nicht zurückfließt“
Dass „man nicht zweimal in denselben Fluss steigen kann“ und so weiter.
Man hat’s uns erzählt und wieder erzählt, als ob das Selbstverständliche
Der Interpretation bedürfe. Doch das Gedicht
Ist ein Fluss aus fremden Tränen. Ein Kind das zum Mann wurde
Ich sehe es oft zu seiner kleinen Quelle zurückflüchten.
Und wenn es anschwillt
Durch zu viel Liebe,

aaaaaaaaErtränkt es.

Niki Eideneier, Nachwort

 

Fakten und Vermutungen zum Autor
shi 詩 yan 言 kou 口

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