Anton Bruhin, Bodo Hell, Michel Mettler & Peter Weber: Singende Eisen, Spangen und Gleise (CD)

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Anton Bruhin, Bodo Hell, Michel Mettler & Peter Weber: Singende Eisen, Spangen und Gleise

Bruhin/Hell/Mettler/Weber-Singende Eisen, Spangen und Gleise

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vier dichtende Maultrommeln und maultrommelnde Dichter

spannen ein Wortgewebe auf, das von merkwürdigen Klangereignissen handelt. Texte von Bodo Hell, Michel Mettler und Peter Weber verflechten sich mit einem Palindrom-Zyklus von Anton Bruhin. Die Vier Maultrommler lesen Ausschnitte aus ihren Büchern „Spiegelgedichte“ (Anton Bruhin), „Silber und Salbader“ und „Bahnhofsprosa“ (Peter Weber), „TrachtPflicht“ (Bodo Hell) und „Die Spange“ (Michel Mettler).
In sinnfreien Silben und Wortmusik erklingen Reissverschlüsse, fransende Friese, Bordun und Repetier, Brummeisen, Acid, Dreireiher und Salbaderzungen. Ländler tanzen neben repetitiver Musik, die Maultrommel als altes Hirteninstrument schweift durch die Zeiten und Räume, durch Ungarn, Sibirien, Vietnam, Oberösterreich und die Schweizer Alpen. Sie malt Zirren, Jurten, Cumuli und zieht Obertonschweife. Vertraute und fremde Sprechweisen kommen zu Gehör: Solos, Dialoge, Trios, Quattro Grande.

Anton Bruhin, Musiker, Zeichner und Lautpoet, wird zu den weltweit kundigsten Maultrommelspielern gezählt. Seine Palindrome, im Band „Spiegelgedichte“ erschienen, gehören zu den aufregendsten des Genres.
Bodo Hell, Schriftsteller, Verfasser experimenteller Prosa und Lyrik sowie von Hörspielen. Durch seine listigen „Überarbeitungen“ verhilft er der Sprache selbst zu Charme, Witz und neuer Frische. Ein alpin bewanderter Pionier der Maultrommel.
Michel Mettler, Schriftsteller, Dramaturg und musikalischer Autodidakt, bewegt sich als Autor und Musiker zwischen Text und Bühne, Wort und Klang. 2006 erschien sein Roman „Die Spange“ bei Suhrkamp.
Peter Webers Debüt „Der Wettermacher“ sorgte für großes Aufsehen, sein jüngstes Buch heisst „Die melodielosen Jahre“. Er ist oft mit befreundeten Musikern unterwegs, u.a. mit dem improvisierenden Streichquartett Die Firma.

Urs Engeler Editor, Booklet und Ankündigung, 2005

 

Eigenwillige sonore Phänomene

Seit ein paar Jahren tourt ein besonderes Quartett durch die Lande: die vier maultrommelnden Dichter Anton Bruhin, Bodo Hell, Michel Mettler und Peter Weber. Eine Audio-CD dokumentiert nun ihre eigenwillige Mixtur aus Klang und Wort. In Peter Webers jüngstem Roman „Die melodielosen Jahre“ heisst es: „Die Maultrommel führt durch die aussersprachlichen Räume, die der Monotonus maximus gebläht hat. Die Maultrommel spielt den Einton und seine Obertöne, sie fügt sinnfreie Silben. Entlang dieser strikten Silbenlinien lassen sich Sätze ansiedeln.“

Die Maultrommel
Indirekt beschreibt Peter Weber damit auch trefflich, was auf der CD „Singende Eisen“ zu hören ist. Entlang von brummenden, summenden, schnarrenden, zirpenden und sirrenden Maultrommel-Klängen lesen die vier Autoren aus ihren Werken, in denen Klang und Rhythmus eine tragende Rolle spielen. Allen voran Michel Mettler und Peter Weber haben in den letzten Monaten für einigen literarischen Wirbel gesorgt. Sowohl in Mettlers „Die Spange“ wie in Webers Romanen ist die Maultrommel stets präsent.

Das singende Eisen
„Singende Eisen, Spangen und Gleise“ nennt sich das Programm, das die vier illustren Musiker und Autoren zusammengeführt hat. Gemeinsam haben sie ein „Mixtum compositum“ erarbeitet, bei dem sich im ausgewogenen Wechselspiel von Lesung und Spiel, von Solos und chorischen Passagen Klänge und Worte zu einem Prospekt von „sonoren Phänomenen“ (Michel Mettler) ergänzen. Die Maultrommel, das Trümpy oder Brummeisen, wie das alte Volksinstrument je nach Region genannt wird, färbt dabei hörbar auf die Texte ab. Flüchtig erhalten sie im Schallschatten der naturtonigen Klangmuster jene poetische Dimension zurück, mit der seit je Mythen und Rhapsodien rezitiert worden sind.

Das Trümpi
Anton Bruhins vertrackte „Spiegelgedichte“ (Palindrome) klingen wie neuzeitliche Beschwörungen: „Reite per Legehenne Hegel repetier“. Und Bodo Hells Obst-Gedicht mit seiner Refrainzeile „Obst im Papiersack fault nicht klebt nicht riecht nicht nässt nicht“ folgt präzis dem akzentuierenden Takt der begleitenden Maultrommel. Sie, heisst es bei Peter Weber, „setzt weitere Pünktchen unters Ausrufezeichen, löst Versteifungen, macht es tanzen“. Unterziehen Hell und Bruhin die Sprache einem formalen Exerzitium, lässt sie Weber an langer Leine tanzen, wenn er sich in die Betrachtung von Dingen und Alltagsszenen versenkt. Dann wird auf einmal aus Bahnschienen eine Gleisharfe, dann verwandelt die Orgel den Bahnhof zum schallenden Klangraum. Vor allem letzteres, eine Episode aus dem Buch „Bahnhofsprosa“, passt vortrefflich zu diesem Spiel.

Die Spangenharfe
Anton Bruhin gilt gemeinhin als „Papst der Maultrommler“ – wer ihn schon einmal gehört, weiss weshalb. Michel Mettler dagegen könnte ihr Apostel sein. Sein Roman „Die Spange“ erfindet im perfekten anthropologischen Jargon eine frühzeitliche „Spangenkultur“, in der Kulturgeschichte und kindliches Spangen-Trauma wunderbar amalgamieren. Der rhaeländische Mensch, mutmasst Mettler, „verfügte über einen äusserst resonanzfähigen Kieferapparat. Dies muss ihn zu einem begnadeten Sänger gemacht haben“. Damit schliesst sich der Kreis. Die vier maultrommelnden Autoren verstärken ihre „Stimmkraft mit vielfältigen Instrumenten“ und erzeugen so eine eigenwillige Zungen- und Gaumenpoesie.

Beat Mazenauer, Schweizerischer Feuilleton-Dienstag, St. Galler Tagblatt, Der Landbote, Mittellandzeitung, August 2007

Weltmusik: Trümpi-Poesien

– Vier Maultrommeln: Singende Eisen, Spangen und Gleise. –

Hinter den „Vier Maultrommeln“ verbergen sich die Schriftsteller Anton Bruhin, Bodo Hell, Michel Mettler und Peter Weber. Wer die vier dichtenden Maultrommler oder maultrommelnden Dichter einmal auf der Bühne erlebt hat, wird es nicht mehr vergessen. Nun hat das Quartett ein Konzentrat seines viel gespielten Programms als CD herausgegeben – zum Glück nicht in Form eines Live-Mitschnitts mit störendem Gelächter, sondern als sorgsame Studioproduktion des Hessischen Rundfunks. Die Autoren lesen kurze Passagen aus ihren Werken und entlocken dem archaischen Trümpi, einem auf der ganzen Welt verbreiteten Hirteninstrument, die wundersamsten Klänge – in wechselnden Formationen vom Solo bis zum Quartett und in Stilen vom Ländler bis zur seriellen Musik. Wort und Klang verbinden sich dabei aufs Schönste; und es zeigt sich, daß sich Michel Mettlers „Spange“, Peter Webers „Silber und Salbader“ und „Bahnhofsprosa“, Bodo Hells „TrachtPflicht“ und Anton Bruhins „Spiegelgedichte“ Texte von enormer Musikalität sind. Ein Höhepunkt der straff choreografierten Performance ist die auf vier Stimmen verteilte Lesung eines langen Palindroms von Anton Bruhin, dessen Sinn man immer nur halb ahnt und das einen durch seine Klangmagie doch gefangen nimmt. Schübelbach, Brugg, Wien und Zürich finden hier zu einer Weltmusik zusammen, für die es keinen Vergleich gibt.

Manfred Papst, Neue Zürcher Zeitung, 16.12.2007

 

Fakten und Vermutungen zum Autor + Frogtoon Musik
Porträtgalerie: Keystone-SDA

 

Anton Bruhin Spills The Beans | Café OTO 18th April 2018.

 

Zum 80. Geburtstag von Bodo Hell:

Alexander Kluy: Der Wortbote und Alleskönner Bodo Hell wird achtzig
Der Standart, 15.3.2023

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