Bert Papenfuß: naif

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Bert Papenfuß: naif

Papenfuß-naif

FÜR B

„es ist nicht so einfach frei zu sein“

erste morgensterne fielen in den ekel
im gestank mancher starb ich auf und auf
sie reifte       sie faulte
die lieder die sie borgte       schön
liebe war die antwort der darm usw
regen war das geschenk der müll usw
es kamen die quäler die jäger
sie bat mich sie zu leben

„aber es ist sehr einsam tot zu sein“

 

 

 

naif

gegen ferfestigungen
ferfestigter zungen

schreibt Bert Papenfuß seine Texte, die gegen jede offizielle, von Ideologien, Politik und Medien mißbrauchte Sprache gerichtet sind. Naiv dem natürlichen eigenen Sprachgebrauch folgend, ändert er für sich Orthographie und Semantik, um seine eigene Recht-Schreibungt herzustellen, nicht einfältig-naiv, sondern scharfsinnig das safte Vogel-v ins stimmlose f verwandelnd, man kann das englische (naif) messerhart mithören. Papenfuß‘ Texte von 1973 bis 1976 liegen hier zum ersten Mal in chronologischer Folge nach den authentischen Manuskripten vor.

Janus Press, Klappentext, 1993

 

sinnfielteilung

− Bert Papenfuß. Gesammelte Texte 1–3, naif, till, harm. −

Bert Papenfuß-Gorek muß man heute nicht mehr vorstellen. Zwar war er ein Jahrzehnt lang ein Geheimtip derer, die Literatur nicht nur aus den gedruckten Werken der Verlage wahrzunehmen gewillt waren, doch inzwischen liegen elf Publikationen von ihm vor – bei Oberbaum, bei Aufbau, bei Steidl, bei Galrev und bei Janus press von Gerhard Wolf, der nun eine Werkausgabe beginnt, deren erste drei Bände erschienen sind.
Gesammelte Texte 1-3 steht unter den Titeln naif, till und harm, sie versammeln Texte aus den Jahren 1973 bis 1977. Die drei Bücher zur Hand zu nehmen bietet schon Genuß. Die von Martin Hoffmann in der wunderbar fließenden Rotis-Schrift von Otl Aicher gestalteten Bände sind mit Recht von der Stiftung Buchkunst als „schönste Bücher“ prämiert worden.
Was man in ihnen nun nachlesen kann, sind die Anfänge eines Dichters. Und hier stößt man auf etwas durchaus Ungewöhnliches. Kein zögerliches und unsicheres Tasten und Versuchen kennzeichnet diesen Anfang; dieser Dichter war gleichsam von Anfang an ganz da. Bereits in den ersten Gedichten spricht sich der Papenfußsche Ton aus, der bis heute seine Texte charakterisiert.
Papenfuß hat von Anfang an, also seit 1973, in Zyklen und „Büchern“ geschrieben. Und dies nicht etwa aus dem eitlen Ehrgeiz eines verkannten Genies, sondern weil die zyklische Struktur von Anfang an seinem Schreiben inhärent ist. Natürlich sind einerseits das Wort, gar die Silbe und der Laut/Buchstabe die kleinsten Einheiten seiner Texte, doch andererseits öffnet der Verzicht auf den Eigenwert des Einzelgedichts sein Schreiben hin zur Komplexität und Widersprüchlichkeit heutiger Weltwahrnehmung. „sinnfielteilung“ (harm) im und am Text, in der Überkreuzung der Wahrnehmungs- und Sprachschichten, im wuchernden Spiel mit den Unter- und Obertexten, der Verquickung von individueller Kundgabe, sexuellem Begehren und sozialem Engagement – „sinnfielteilung“ könnte als Motto über diesem Schreiben stehen.
Es ist nicht damit getan, die kleinen boshaften Diamanten aus seinen Texten aneinanderzureihen (es gibt sie zuhauf, jeder mag sie selbst aus den Texten schürfen), um zu zeigen, wie produktiv seine Verfahren der Wortverfremdungen und Morphem-Spiele immer wieder sind. Doch wem läuft nicht ein Schauer über den Rücken etwas bei folgender Zeile, in der nur ein winziges „s“ weggelassen wurde: „doch dies vergas man“ (naif) oder einem Wort wie „harlekriegskinder“ (till).
Das erste Gedicht seines ersten Buches lautet:

wegwort

atens
der vorwurf
dass ich lüge

otens
der hinweis
dass ich ver
dichte

(naif). Bereits hier sind deutlich die Züge Papenfußschen Sprachspiels ausgeprägt: „Wegwort“ als Wort auf den Weg, aber auch als Wort, wegzukommen, „Wägwort“ schwingt ebenso mit wie „Wortweg“, also Etymologie. Das A und O, Alpha und Omega, Anfang und Ende des griechischen Alphabets, spannen den Bogen zwischen Lüge und Dichtung. „beschoenige nichts aber betoenige wichtiges / die sprache ermoeglicht die luege / die schrift auch die faelschung“, heißt es später (harm). Papenfuß warnt den Leser: Lüge und Fälschung sind Möglichkeiten der Sprache – Skepsis also Lektüre-Tugend. Doch nicht darum geht es primär, sondern um „tumultane Zügellosigkeit“ (Manifest zoro in skorne, 1984), also den Entwurf anarchistischer individueller Lebensmöglichkeiten.
Die ständigen erweiternden und verändernden etymologischen Anreicherungen der Worte und Wortfragmente sind für Papenfuß nicht nur Methode, um seinen Texten historische Horizonte zu öffnen. Sie sind zugleich auch Motor des Schreibens, Verknüpfungselemente sprachlicher Sequenzen, Augenblickseinfall oder einfach nur Textstrategie der „sinnfielteilung“, die das Material weiter wuchern läßt. Erk Grimm hat diesen wilden Eklektizismus einmal sehr schön als „Ostberliner Legoismus“ bezeichnet (Zeitschrift für Germanistik, 1/1992). Wie beim Spiel mit den Lego-Bausteinen wird der Leser mit jeder neuen Kombinatorik aus dem Textkontinuum herauskatapultiert, zurück und kreuz und quer verwiesen, um sich in neuen semantischen Figurationen zu verlieren. Auch darum die Orientierung auf den zyklischen Groß-Text.
Till Ulenspiegel (till) oder der niederländische Dichter Multatuli (harm) können in diesem Zusammenhang sogar eher zufällig Anknüpfungspunkte sein; sie sind jedenfalls keineswegs stringente Traditionslinien, auf die der Dichter sich beruft. Er selbst hat sich ausdrücklich nicht in die Tradition der Hochkultur, sondern in die einer „häretischen Kultur“ eingeordnet, was seine frühen Texte eindringlich bestätigen. Sie changieren wild umher zwischen Selbstzuspruch und anti-moralischem Elan, Sentimentalität und gelegentlichem Grobianismus, zwischen kunstvoller Verdichtung und Kalauern, anarchistischer Kampfansage und Verflüchtigung ins Klandestine. Zu dieser häretischen Tradition gehört ganz zweifellos ein spezifischer Humor, jener Humor, der sich weigert, das Große als erhaben anzusehen, das Politische als etwas Fremdes und das Gemeine als etwas, wozu nur die anderen fähig sind.
Auch wenn einiges manchmal etwas posenhaft daherkomt („wolfsmenschen in der stadt“, harm) – das streichen wir; und manches auch ein wenig maniriert klingt (wenn die Geste zu groß ausfällt und zu abgekärt) – seine Stärken und seine Schwächen sind aus derselben Quelle: Mecklenburg, norddeutscher Humor und norddeutsche Sturheit. Und zugleich wird bei der Lektüre dieser rund zwanzig Jahre alten Gedichte klar, zumal wenn man sie auch in den Kontext seiner heutigen Arbeiten stellt, daß ein Dichter wie Papenfuß (und einige andere wie Stefan Döring oder Jan Faktor) durchaus nicht nur unter sozialistisch-realistischen Bedingungen jene Entwicklungen der klassischen Moderne nachholte, die zu dieser Zeit längst ausgeschrieben waren. „Bildende Unkontrollierbarkeit“, „mahlende Entstaatlichung“, „Abschaffung des poetischen Staates im Autor“ – die Utopien aus dem oben zitierten Manifest haben natürlich eine Tradition. Doch sie haben sie deshalb, weil sie universelle Utopien sind. Papenfuß hat sich mit seiner anarchischen Sprach- und Dichtungskonzeption bereits in den frühen Texten ein eminent politisches Instrumentarium geschaffen, nutzbar im individualistischen Kampf „gegen imperiale Sprachkonzepte“ (led saudaus). Ein Kritiker hat ihn einmal einen „besessenen Wortschamanen“ genannt, einen der „poètes maudits“ unseres Jahrhunderts. Das ist er bis heute geblieben.

Peter Böthig, Neue Deutsche Literatur, Heft 1, 1995

Machtferne Sprachkunst

− Das Frühwerk von Bert Papenfuß. −

Endlich liegt es vor, das Frühwerk des 1956 geborenen Ost-Berliner Anarcho-Poeten Bert Papenfuß, der, obgleich in jüngsten Jahren bereits ein unverwechselbarer Dichter, über ein Jahrzehnt für Schubladen und Cliquen schreiben mußte.
Gerhard Wolf, der 1989 erstmals eine grössere Öffentlichkeit auf diesen Befürworter der „unvollstaendigkeit“ und seine machtferne Sprach- und Lebenskunst aufmerksam machen konnte, indem er den Querschnitt dreizehntanz als ersten Band seiner Aufbau-Reihe ausser der reihe publizierte, veröffentlichte nach dem Fall der Mauer im eigenen Verlag, der Janus press, LED SAUDAUS, nun die Gesammelten Texte 1-3, nämlich naif, till und harm, und im Herbst ein weiteres Buch Routine in die Romantik des Alltags, mit Zeichnungen von Helge Leiberg. Bei Aufbau, Galrev und Steidl erschienen andere Bände des gerne zyklisch arbeitenden Unpop-Dichters.
naif und till entstanden zwischen 1973 und 1976 (!) und waren damals in der DDR nicht publikationsfähig: für diesen noch nicht 20jährigen, der sich als „ein schwarzer freier wortsender“ empfahl und herumrotwelschte, war kein Platz. Auch nicht im Westen, wo ein biederer Lyrik-Geschmack en vogue war. Papenfuß’ aufgerauhte Flapsigkeiten, Kalauer, Sprachzertrümmerungen und Lebensweisheiten standen ziemlich einsam in der Landschaft. Seine zentralen Techniken standen ihm schon vor dem 20. Lebensjahr zur Verfügung, und auch sein Lebensgefühl ist hier genauso stark zu spüren wie in den späteren Texten:

besser man tut was man eigentlich wild will
besser man tut was man gelegentlich will wild

Aber seit Mitte der achtziger Jahre ist in der Lyrik viel passiert, und so wirken diese beiden frühen Papenfuß-Bände nicht mehr ganz so aufregend.
Sie sind nicht so kraftvoll wie der dritte Band, harm, 1977 geschrieben, 1985 von Norbert Tefelski in seinem KULTuhr-Verlag in West-Berlin gedruckt, mit einem Vorwort von Ernst Jandl, der ihn als „Dichter ersten Ranges“ dekorierte. Ein wichtiges Buch, das aber im Literaturbetrieb kaum beachtet wurde (drei Insider-Publikationen in Folge mit Hauptvertretern einer neuen Lyrikergeneration: im Jahr davor erschien Menz von Peter Waterhouse bei Droschl, im Jahr darauf erprobung herzstärkender mittel von Thomas Kling in der Eremiten Presse).
Nun also, auf ein Neues, bei Janus, die „unmutstoene“ und „klartekste“ des sinn- und unsinnstiftenden Sprachrebellen: „es geht um die fertonung des orts & der zeit“, um die Liebe, die Bullen, die „schleimschmekker feinscheisser“, die „arkdichter“ und was sie ankotzt, und „achtung hier werden einige wortspare eingespielt“, um die Sprache, um „die durchsicht der beherrschenden ordnungen und das aufbrechen ihrer sprachlichen konventionen“ (Michael Thulin). Drumherum ein vitalistisches Kinderland mit der „buhlprincessin beatriest“, wo der „zwoelffingerige zauberer der laute“ auftreten kann; Minne, fahrendes Volk, immer wieder „gegenwaertz“ – „alle ausreiseanträge nach gegenwaertz werden abgelehnt“ −, DDR-Realität:

blokkmeister aller riegen & meister des spotts hans beier sagt
es ist nicht so dass wir stets mit hohen leistungen brillianten
so nicht eins zwo nicht so eins zwo so nicht eins zwo sondern
dass sich alle beteiligen & freude am schiessen finden

& den feind finden diesen lämmerlichen feind finden

Oder, ganz ohne den liebenswerten „ark“-Schnickschnack, sein Dreizeiler „deutschland dunkelhell“:

mensch kleingeschrieben durchgestrichen grenze
mensch grossgeschrieben untergestrichen grenze
anführungsstriche mensch abfuehrungsstriche

harm bezeichnete Papenfuß im Gespräch mit Egmont Hesse (Sprache & Antwort, S. Fischer 1988) als sein Popalbum, als Beginn seiner aktivistischen Phase, in der er mehr Leute erreichen wollte, ein Experiment, das gescheitert sei, und spricht von relativer Oberflächlichkeit. Dem muss man sich nicht anschliessen. Wären nur alle seine Bücher so kompakt und intensiv wie harm

Dieter M. Gräf, Basler Zeitung, 8.4.1994

„aber arkdichter…“

− naif, till und harm, drei Bände Von Bert Papenfuß. −

Gerhard Wolf bleibt mit der Veröffentlichung von naif, till und harm, der ersten drei Bände der geplanten Werkausgabe von Bert Papenfuß, seinem Ruf als Mentor und Weggefährte einer neuen Literaturgeneration treu. Es ist ihm zu danken, daß interessante neue Texte in einer Einheit mit wichtigen Werken der DDR-„Untergrundliteratur“ einen Verleger gefunden haben. Mit der Veröffentlichung der Werkausgabe von Papenfuß gibt uns Gerhard Wolf die Möglichkeit zu vergleichen, den „etablierten“ Papenfuß und den Lyriker, der den DDR-Oberen, wenn man nach seiner Stasiakte urteilt, so schwer im Magen lag, nebeneinander zu stellen.
Bert Papenfuß, Jahrgang 1956, gehört heute sicherlich zu den wichtigsten Vertretern der neuen deutschen Literatur. Bereits seit Anfang der siebziger Jahre betreibt er, lange Zeit von der breiten Öffentlichkeit unbeachtet, die „Sabotage der Sprachregelung der Herrschenden“ (Brecht). Für Papenfuß ist Sprache mehr als ein Stilmittel, er spielt mit Orthographie und Grammatik und setzt so akustisch und optisch Zeichen. Nicht zufällig wurden seine frühen Werke häufig von Rock- und Punkbands mit unüberhörbarer Lautstärke zu Gehör gebracht.
Der Band naif enthält die ersten Versuche von Bert Papenfuß, eine Sprache zu finden, noch naiv zwar, aber mit deutlichem Hinweis auf die später zur Perfektion getriebene Verbindung von hintergründigem schwarzen Humor und politischer Stellungsnahme. „Land-Schafts-Beschreibungen“ wechseln mit Liebesgedichten von erfrischend enterotisierender Wirkung und ersten gesellschaftlichen Themen. Papenfuß setzt in naif vor allem auf Figurengedichte, die im Gegensatz zu seinen späteren Werken deutlichen Bezug zu Kurt Schwitters und Ernst Jandl haben. Schon in dieser Zeit fällt der eigene Stil, so zum Beispiel die Favorisierung des Buchstabens „f“ statt „v“ oder die Eliminierung des Wortes „und“, später mit großer Konsequenz betrieben, auf. Papenfuß war siebzehn Jahre alt, als er die ersten Gedichte dieses Bandes schrieb. Und so zeigt das Buch einen, der widerspenstig aufbegehrt und lustvoll den Umgang mit der Sprache übt.

… for meinem fenster schleichen die toeter, der taeter
: die schwarzgeschleimte witwenschaft hinktenein
und ringelt sich an meinem körper empor
fluestert fergesellschaftende worte
worte die schwarzes geschleim entwahrlokken…

Die Entstehung von till, des zweiten Bandes der Ausgabe, wurde angeregt durch die Person Till Ulenspiegels. So wie Ulenspiegel oft die Worte wörtlich nahm, um seine Umwelt zu brüskieren, spielt Papenfuß mit ihnen. Er verdreht, zer-setzt, kämmt sie, liest rückwärts oder zankt mit ihnen, es gibt keine Regeln der Sprache für ihn. Bert Papenfuß wehrt sich in seiner Dichtung gegen jeden Zwang, Worte als Aneinanderreihung von Buchstaben sind für ihn Mittel zum Zweck. So in „schwaeren erin merlin & scheisswald“ :

… greifswald: die nordtageswinde die wehn
lange haare ich konnt nichts mehr sehn
aber mir deftig blieb zu gehn for
ruekkentuekkentzuekkenwindendungdingen
& deren schmachthaelsen & machthabern

Besonders deutlich wird hier das bewußte Ignorieren jeder Regel, als Stilmittel von Papenfuß gezielt eingesetzt. Er rüttelt an den Grundfesten der deutschen Sprache, will sie öffnen für Neues, auch für gesellschaftliche Veränderung. Für ihn ist, wie für den Maler der Pinsel, Sprache ein Handwerkszeug das man benutzt, ein Mittel des Widerstands gegen ein verkrustetes System, welches versucht, Andersdenkende durch Sprachlosigkeit zu ersticken.

der nachbarssohn traegt ein gewehr geschultert
begastert & tatendurstig in der hand ein katapult
die nachbarstochter schwenkt einen plastikstahlhelm
ob die bilder zumutbar sind oder nicht entscheide ich

Der Band mit den weitaus politischsten Texten ist harm, entstanden 1977. Hier randaliert Papenfuß mit Wonne durch die damals schon marode kulturpolitische Landschaft der DDR. Viele der Gedichte sind als Antwort auf die Reaktion des Publikums bei „konspirativen Treffen“ entstanden. Der Autor versucht immer wieder, die Leser mit „Unerwartetem nach Erwartetem“ zu schockieren, sie zu bewegen, die eingefahrenen Denkgeleise zu verlassen. Dabei greift er mitunter zu drastischen Mitteln.

aber aberarkdichter schreiben seit jahren
nur fon & ueber was sie ankotzt
& ueber eine gesellschaft
die sie forwiegend auskotzt

Papenfuß ist nie der resignierende Aussteiger. Mit ungebrochener Vitalität, aber auch im Bewußtsein seiner eigenen Grenzen schreibt er sich durch die Probleme eines Landes hindurch, von dem damals viele sagten: „Das ist unser Land“. Die experimentelle Lyrik von Bert Papenfuß aus diesen Jahren erinnert an den unvergessenen Erich Arendt, konnte aber trotzdem in der DDR mit wenigen Ausnahmen nicht veröffentlicht werden. So ist uns mit dieser Werkausgabe die Möglichkeit gegeben, ein wichtiges Stück DDR-Kultur neu zu erleben, unser „Heimatbild“ ein Stück weit zu revidieren. Fazit: Eine gute und wichtige Ausgabe – von der Frankfurter Stiftung Buchkunst mit der Auszeichnung „Eines der schönsten Bücher 1993“ geehrt – nicht nur für Lyrikliebhaber ein absolutes Muß.

Christian Scherfling, Neues Deutschland 21.1.1994

Handreichung

Was, so frage ich mich, geschähe, erschienen die folgenden, gewiß nicht gewöhnlichen Gedichte ohne die Protektion dieses Kommentars? Erginge es ihnen wie dem bunten Vogel unter den Spatzen? Rissen wir ihm die schillernden Wortfedern aus? Wie groß ist, bei allem Erstaunen, unsere Offenheit für das Experiment, das Neue?
Hier kommt einer, der genauer hört und sieht als wir es gemeinhin tun, der in die Sprache, unsere Sprache, verliebt ist, den diese Liebe nicht blind macht; dem nicht entgeht, daß das Wort Ursprung eine feine Nahtstelle (Sprungstelle?) hat und ihm so auf die Schliche kommt.
Wir denken bei Ursprung an Herkunft. Papenfuß denkt auch Herkunft, aber zugleich erster Sprung, erster Riß. Der Mutterleib bricht auf, der Berg, das Ei, die Knospe.
Triebfedern dieses Schreibens sind das Urvertrauen in die Sprache und der Urzweifel an ihr. Unser haßgeliebtes, schon blindgeküßtes Wort Widerspruch wird abgetastet, in kleinen, folgenschweren Verschiebungen vorgeführt: als dümmlicher Widderspruch, als monotoner undialektischer Wiederspruch. Das ist eine Genauigkeit, die unseren eingeschläferten Wortsinn schärft. Hier wird gezeigt: Gedichte können Spaß machen, als Denkvergnügen und Überraschungsspiel.
Ich wäre weniger beeindruckt, wären diese Texte Einzelgänger in einem kunterbunten Manuskript oder bloße äußerliche Anleihen bei der sogenannten und oft sinnarmen konkreten Poesie. Papenfuß bleiben Sinn und Hintersinn erhalten. Er bewältigt so seine Welt, so und nur so; in einem Umfang, der mittlerweile zwei Bände ergäbe.
Völkerkundler versichern, daß der Ursinn unserer Begrüßungsgeste des Händereichens in der Bekräftigung liegt, daß man in friedlicher Absicht komme, nichts gegeneinander im Schilde führe. Bedienen wir uns ihrer bewußter. Hier ist ein junger Dichter, der diesen Namen verdient; unsere Hand.

Richard Pietraß, Temperamente, Heft 2, 1977

 

 

Sprachgewand(t) – Ilona Schäkel: Sprachkritische Schreibweisen in der DDR-Lyrik von Bert Papenfuß-Gorek und Stefan Döring

Heribert Tommek: „Ihr seid ein Volk von Sachsen“

 

 

Mark Chaet & Tom Franke sprechen mit Bert Papenfuß im Sommer 2020 und ein Auftritt mit Herbst in Peking beim MEUTERLAND no 16 | 1.5.2019, im JAZ Rostock

 

Kismet Radio :: TJ White Rabbit presents Bertz68BirthdaySession_110124_part 2

 

Zum 60. Geburtstag des Autors:

Lorenz Jäger: ich such das meuterland
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.1.2016

Zeitansage 10 – Papenfuß Rebell
Jutta Voigt: Stierblut-Jahre, 2016

Zum 65. Geburtstag des Autors:

Thomas Hartmann: Kalenderblatt
MDR, 11.1.2021

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Einladungskarte zur Beerdigung von Bert Papenfuß

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Nachruf auf Bert Papenfuß bei Kulturzeit auf 3sat am 28.8.2023 ab Minute 27:59

 

 

Bild von Juliane Duda mit den Übermalungen von C.M.P. Schleime und den Texten von Andreas Koziol aus seinem Bestiarium Literaricum. Hier „Das Papenfuß-Gorek“.

 

Beitragsbild von Juliane Duda zu Richard Pietraß: Dichterleben – Bert Papenfuß

 

Bert Papenfuß liest bei OST meets WEST – Festival der freien Künste, 6.11.2009.

 

Bert Papenfuß, einer der damals dabei war und immer noch ein Teil der „Prenzlauer Berg-Connection“ ist, spricht 2009 über die literarische Subkultur der ’80er Jahre in Ostberlin.

 

Bert Papenfuß, erzählt am 14.8.2022 in der Brotfabrik Berlin aus seinem Leben und liest Halluzinogenes aus TrakTat zum Aber.

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