Charles Baudelaire: Die künstlichen Paradiese (CD)

Charles Baudelaire: Die künstlichen Paradiese, Trailer

Charles Baudelaire Die künstlichen Paradiese

Mashup von Juliane Duda zu der CD Charles Baudelaire: Die künstlichen Paradiese

Baudelaire-Die künstlichen Paradiese

Der gesunde Verstand sagt uns,
dass die Dinge der Erde
nur sehr wenig Realität besitzen
und dass es Wirklichkeit
einzig in den Träumen gibt.
Um das natürliche
wie das künstliche Glück zu verdauen,
braucht es zunächst einmal den Mut,
es hinunterzuschlucken…

Die Werke des französischen Dichters Charles Baudelaire (18211867) inspirieren bis heute Künstler auf der ganzen Welt. Sein Essay „Die künstlichen Paradiese“ von 1860 ist ein leidenschaftliches Plädoyer für den Rausch, die Fähigkeit und Bereitschaft zum Ausnahmezustand des Geistes und der Sinne.
150 Jahre später hat Hörspielregisseur Kai Grehn diesen Text bearbeitet und für den Schauspieler Alexander Fehling neu eingerichtet. Jeanne Moreau hat das Baudelaire Gedicht „Berauschet euch!“ im französischen Original eingesprochen und international bekannte Musiker interpretieren das Gedicht musikalisch. Entstanden ist ein einzigartiges Hör- und Klangerlebnis, ein Berauschen an seiner Poesie!
Mit Alexander Fehling, Jeanne Moreau, Jule Böwe und Musik von alva noto, Anne Clark, Gevorg Dabaghyan, Matt Elliott, Mariahilff, Nouvelle Vague, Helmut Oehring, Original Kocani Orkestar, Sandow, Tarwater, Tuxedomoon und Ulver.
Eine Produktion von Radio Bremen mit dem Hessischen Rundfunk, dem Rundfunk BerlinBrandenburg und dem Saarländischen Rundfunk sowie mit freundlicher Unterstützung des ZKM Karlsruhe aus dem Jahr 2011.

„Berauschet euch!“ zählt zu meinen Lieblingsgedichten von Charles Baudelaire.
Ausgangspunkt für dieses Projekt war die Idee, unterschiedliche Interpretationen dieses Gedichtes zum Herzstück einer Hörspielarbeit zu machen, eingebettet in Baudelaires Essay „Die künstlichen Paradiese“.
Ausgewählten Bands und Musikern habe ich hierfür Baudelaires Gedicht zugesandt, mit der Bitte, sich von ihm inspirieren zu lassen für einen Song oder eine rein instrumentale Komposition. Der Text selber konnte im Original bzw. in englischer oder deutscher Übersetzung verwendet werden, in ganzer Länge oder auszugsweise, als Nach- oder Neudichtung. Was zählte, war allein die Inspiration durch Baudelaires Zeilen. Alle 12 Songs sollten dabei ein möglichst breites Spektrum musikalischer Formen, Farben und Klänge spiegeln und sowohl solo als auch als akustische Mosaiksteine fungieren, die in ihrem Zusammenspiel ein unberechenbares 13. Ganzes ergeben.
Mit Alexander Fehling haben wir schließlich über zehn Fassungen der künstlichen Paradiese aufgenommen, um aus diesen unterschiedlichen Interpretationen die Hörspielfassung montieren zu können.
Ich glaube, dass es dem Hörspielteam, Schauspielern und Musikern geglückt ist, ein akustisches und musikalisches Fest für und mit Baudelaires Texten zu zelebrieren, ein Fest, zu dem die Hörer nun geladen sind, um sich zu berauschen an seiner Poesie.

Kai Grehn

 

Die Werke

des französischen Dichters Charles Baudelaire (1821–1867) inspirieren bis heute Künstler auf der ganzen Welt. Sein Essay Die künstlichen Paradiese von 1860 ist ein leidenschaftliches Plädoyer für den Rausch, die Fähigkeit und Bereitschaft zum Ausnahmezustand des Geistes und der Sinne.
150 Jahre später hat Hörspielregisseur Kai Grehn diesen Text bearbeitet und für den Schauspieler Alexander Fehling neu eingerichtet. Jeanne Moreau hat das Baudelaire Gedicht Berauschet Euch im französischen Original eingesprochen und international bekannte Musiker interpretieren das Gedicht musikalisch. Entstanden ist ein einzigartiges Hör- und Klangerlebnis, ein Berauschen an seiner Poesie!
Mit Musik von alva noto, Anne Clark, Gevorg Dabaghyan, Matt Elliott, Mariahilff, Nouvelle Vague, Helmut Oehring, Original Kocani Orkestar, Sandow, Tarwater, Tuxedomoon, Ulver.

Hörbuch Hamburg, Cover, 2011

 

Freud und Leid des Haschischs

Baudelaires Essay Die künstlichen Paradiese ist ein großer Lobgesang auf Drogen und ihre berauschende Wirkung, erschienen erstmals im Jahr 1860. Der Regisseur Kai Grehn hat aus dem Text nun ein Hörspiel gemacht und dafür eine Reihe nahmhafter Musiker mit ins Boot geholt.
Der Rausch, über Jahrhunderte als notwendiger, reinigender Ausnahmezustand gesellschaftlich anerkannt, ist in jüngster Zeit zunehmend in Misskredit geraten. Drogen, Alkohol und Zigaretten werden immer aggressiver bekämpft und Berauschte, seien es bierselige Arbeitslose oder zugekokste Hollywoodsternchen, als abartige oder krankhafte Freaks dargestellt. Da tut es gut, wenn ein Kenner wie Charles Baudelaire, auf die schönen Seiten wirklichkeitsverändernder Mittel hinweist.
Während seiner ganzen Dauer wird der Rausch nichts anderes sein als ein freilich unermesslicher Traum; unermesslich dank der Intensität der Farben und der Schnelligkeit der Eindrücke. Immer jedoch wird er gestimmt sein auf den jeweiligen Ton der Persönlichkeit. Der Müßiggänger hat sich den Kopf zerbrochen, um auf künstlichem Wege das Übernatürliche in sein Leben und Denken einzuführen.
Charles Baudelaire war nicht der erste und bei weitem nicht der letzte, der von Freud und Leid des Haschischs und des Opiums berichtete. Kaum jemand aber hat wie er den Rauschzustand, seinen Verlauf und seine philosophischen Implikationen so konzise darzustellen gewusst wie der Franzose. Kai Grehn ist es zu danken, dass er Die künstlichen Paradiese nun wieder ins Bewusstsein rückt. Die Idee, zwölf Musikern das Gedicht „Berauscht Euch“ als Inspirationsquelle für eigene, musikalische Gedanken über den Rausch anzubieten, hat darüber hinaus zu erstaunlichen Ergebnissen geführt.
Die zwölf Versionen von „Berauscht Euch“ sind denkbar verschieden: da ist die schwebende Leichtigkeit der Nouvelle Vague, da ist der schwermütige Dark Folk des Matt Elliott, die Rauheit der Band Mariahilff oder die rein instrumentalen Euphorien des Original Kocani Orkestar. Jedes Stück stellt etwas Besonderes dar; keines klingt nach Auftragsarbeit. Nicht weniger beeindruckend ist der Auftritt Jeanne Moreaus, die mit entsprechend verrauchter Stimme das Original rezitiert.

Il faut être toujours ivre, tout est là ; c’est l’unique question. Pour ne pas sentir l’horrible fardeau du temps qui brise vos épaules et vous penche vers la terre, il faut vous enivrer sans trêve. Mais de quoi? De vin, de poésie, ou de vertu à votre guise, mais enivrez-vous! 

Spannend ist die Musik auf Die künstlichen Paradiese auch und gerade deswegen, weil sie die unterschiedlichen Aspekte des Rauschs hörbar macht: Rausch als Betäubung, als himmlischer Schwebezustand oder als alle Grenzen sprengende Ekstase. Nicht zuletzt in seinem von Alexander Fehling vorgetragenen Essay beleuchtet Baudelaire diese Aspekte, weist aber auch darauf hin, wie unberechenbar die Wirkung von Haschisch oder Opium sein kann. Dieses Spielerische des Drogenkonsums lässt Fehling leider außer Acht. Er trägt den Text stattdessen über weite Strecken mit übertriebener Gravität vor.
Die Ausgelassenheit und diese jähen Ausbrüche von Gelächter wirken wie eine Narretei oder wenigstens wie eine blödsinnige Albernheit auf jeden Menschen, der sich nicht in dem gleichen Zustand befindet wie ihr. Sogar die Klugheit und der gesunde Verstand, die regelrechte Ordnung der Gedanken des nicht berauschten Augenzeugen erfreuen und amüsieren euch als eine besondere Art von Sinnlosigkeit.
Doch weniger die etwas einseitige Textinterpretation Alexander Fehlings, als vielmehr die Grundanlage der „Künstlichen Paradiese“, wie sie Kai Grehn uns zu Gehör bringt, macht skeptisch: Hat man es hier überhaupt, wie auf dem Cover des Hörbuchs versprochen, mit einem Hörspiel zu tun? Oder handelt es sich nicht vielmehr um eine Lesung mit Musikunterbrechungen? Dagegen wäre nichts zu sagen, nur erwartet man unter dem Label „Hörspiel“ eben etwas anderes, etwas, das akustisch homogener wirkt und in sich geschlossen. So wird zwar der Baudelaire-Liebhaber an diesen Künstlichen Paradiesen für Momente ebenso seine Freude haben wie der Kiffer oder die Fans von Tuxedomoon, Helmut Oehring oder Sandow. Wäre der Rezensent jedoch nicht unversehens der Stimme Anne Clarks verfallen wie Baudelaire dem Opium, er hätte sich über die 80 Minuten hinweg vermutlich ein wenig gelangweilt.

Tobias Lehmkuhl, Deutschlandfunk Kultur, 8.4.2011

 

Zur Website von Charles Baudelaire: Die künstlichen Paradiese

 

EIN SPAZIERGANG DURCH DIE LITERATUR

47. Ich träumte, Baudelaire triebe es mit einem Schatten in einem Zimmer, in dem ein Verbrechen begangen worden war. Aber Baudelaire scherte das nicht. Immer das Gleiche, sagte er.

Roberto Bolaño

 

ALS FRAU

Baudelaire, ich denke an deine Fleur du Mal,
dort sprichst von einer schlimm verderbten Jüdin, du,
so kalt fast wie ein Schlangenleib.
In Tränen töricht und im Schädlichen genial.

Arm warst wohl kaum an ihrer Seite, Baudelaire,
ihr verkaufter Körper, ihr Haar,
ihr sanftes, panthergleiches Streicheln
verschafften dir als Mann doch schließlich etwas Lust.

Ich aber, als Frau, was will ich, Baudelaire, von
diesem stillen Mann, kalt wie ein Eissee,
grimmig vor Herrschsucht und strotzend vor Eitelkeit,

Konnte doch in deiner engen, salzerstarrten Brust
weder mein heißer Atem noch mein hingebender Kuß
ein wenig Großmut sprießen lassen?

Alfonsina Storni

 

BAUDELAIRE

Poesie in meiner Begierde,
unter meinen Lidern,
auf meinem Bett.
Poesie / Körper,
aaawie die Erde fremd,
aaawie die Erde vertraut,
das Geschlecht ein Gewand aus Licht.

Adonis

 

 

Fakten und Vermutungen zum Übersetzer

Zum 200. Geburtstag des Autors:

Lothar Müller: Der Mann in Schwarz
Süddeutsche Zeitung, 8.4.2021

Martin Ebel: Und wann wird er gecancelt?
Tagesanzeiger, 8.4.2021

Dietrich Mack: Charles Baudelaire – revolutionärer Dichter und Wagner-Fan
baden online, 9.4.2021

Christoph Winder: Vom Schock der Moderne
Der Standart, 9.4.2021

Florian Baranyi: Verklärter Poet am Puls der Moderne
ORF.at, 9.4.2021

Jens Nordalm: „Berauscht euch!“
Cicero, 9.4.2021

Wolfgang Matz: Was ist mehr wert, Gedichte oder Eisenbahn?
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.4.2021

Ralf-Carl Langhals: Vor 200 Jahren wurde der Schriftsteller Charles Baudelaire geboren
Mannheimer Morgen, 9.4.2021

Welf Grombacher: Zum 200. Geburtstag – ein psychoanalytischer Blick auf Baudelaire
MOZ.de, 9.4.2021

Anne-Catherine Simon: Baudelaire und das Böse, das keines ist
Die Presse, 9.4.2021

Bernd Melichar: Die Schönheit der Blumen des Bösen
Kleine Zeitung, 9.4.2021

 

 

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