Christel Breier: Echolot

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Christel Breier: Echolot

Breier-Echolot

ZEICHEN

Sicher hat es Warnungen gegeben
Zeichen am Weg
anzuhalten und umzukehren

wir haben alles
in den Wind geschlagen
weiterstürmend

jetzt lernen wir die Demut
am Wegrand sitzend
gescheitert

wir wagen den Weg nicht mehr
verbringen unsere Tage
die Zeichen lesend

 

 

 

Die Tiefe des Herzens ausgelotet

Christel Breier, Germanistin und Anglistin, hat formal gut gesetzte Gedichte vorgelegt, die unter die Haut gehen. Die Geschichte, die die Verse erzählen, ist durchweg Frauengeschichte – „Aschenputtel“, Verbergen, Abschied, Wiedersehen – jahrhunderte alte, grauenhafte Mär, einsamer Dialog: Die Zurufe an die Fiktion des Geliebten sind sanfte Ermahnungen, Hinweise auf den Liebeszauber, der wirkt. Er, der Auslösende, scheint (natürlich) taub und blind – „mitten im Leben“ eben.
Aber Christel Breiers Gedichte sind keineswegs sentimental, sie sind ergreifend illusionslos. Fern steht sie dem Glauben, es könnte die Erfüllung ihrer Wünsche das Glück bedeuten. Immer ist es die Arbeit, das Unbewußte zu heben, die uns weiterträgt. Echolot: Aus der Tiefe des Meeres gelangt das Wort der Ruferin zu ihr selbst zurück. Wortweise lösen sich die fesselnden Empfindungen von der Schreibenden. Fernweh nach einer geliebten Person wird als Projektion entlarvt, Freude und Schmerz sind gleichermaßen Reichtum des Lebens – Sehnsucht an sich, nicht deren halbherzige Erfüllung, fließt ein ins Wort. „Lauter schöne Bilder / gut ausgeleuchtet“, die wohl jede lesende Frau als Mitwisserin betroffen machen.
Was immer der Liebenden widerfährt, wachgerufen wird ihr Selbst, und als Autorin erlangt sie ihre Freiheit im Wort zurück. Auch für Christel Breier scheint die Sprache Zuflucht zu sein – das Überleben gelingt wortweise wie so vielen genannten und ungenannten Frauen vor ihr und neben ihr.
Schade eigentlich, daß das aufmerksame Schauen und die Ruhe philosophierenden Erkennens, das über das subjektive Durchleben hinausreicht, so selten in die Lyrik der Frauen eingeht –: aber das wäre Thema eines anderen Essays. In der vorliegenden Liebeslyrik jedenfalls ist es gelungen, unsentimentale Anschauung des tragisch durchlebten Liebeskonflikts zu klarstellender Sprache zu bringen.

Charlotte Martin, Der Literat, Heft 2, 1992

Wegmarken der Stille

– Christel Breier las aus ihrem Gedichtband Echolot.

Die Wörter seien „Wegmarken der Stille“, heißt es in einem nur sieben Zeilen langen Gedicht von Christel Breier, das ihrem in der Heidelberger Verlagsanstalt erschienenen Buch Echolot entnommen ist. Die 1941 in Heidelberg geborene Lyrikerin setzte dieses Gedicht an den Anfang einer Lesung, zu der sie am Erscheinungstag ihres Buches die Bücherstube Regina Kaiser-Götzmann in Handschuhsheim eingeladen hatte.
Echolot“ sei nicht nur ihr erstes Buch, sagte die Autorin, sondern es sei auch ihre „allererste Lesung“. Daher wisse sie nicht, wie man ihre in der Mehrzahl sehr knappen Gedichte am besten lese. Sie entschied sich dafür, jedes Gedicht zweimal zu lesen. Überdies erwies es sich bald, daß es nicht schwierig ist, Christel Breiers lyrische Texte hörend zu erfassen.
Ihr Wortmaterial entnimmt sie nämlich überwiegend unserer alltäglichen Sprache. In Gedichten wie „Meine Heimat“, einem sehr persönlichen und betont unfeierlichen Bekenntnis, in „Wiederfinden“ und in den kaum schwierigeren Gedichten „Der Morgen“ und „Sonne“ kommt kein Wort vor, das außergewöhnlich und unvertraut wäre. Die Kürze vieler ihrer Gedichte hat damit zu tun, daß sie nicht selten ein einziges Motiv, einen einzigen Gedanken mit ihrer Phantasie nährt und mit wenigen Metaphern in ein streng und präzise entworfenes Bild verwandelt. So wie sie die einfachen Worte liebt, formt sie auch Bilder, die um ihrer Genauigkeit willen vollkommen sind. Als ein Beispiel mag „Aschenputtel“ dienen, eine dem Märchen entlehnte lyrische Schilderung, die mit wenigen Metaphern wie „Aschengewand“ und „Aschengesicht“ auskommt und eine große Wirkung erzielt.
„Schutzlos“ ist der Titel eines Gedichts, das, am Tag des Kriegsausbruchs in Arabien gelesen, die Hörer besonders bewegte. Wiederum mit wenigen Worten wie „Schutzengel“ und „Schutzpatron“ gelingt Christel Breier eine entschiedene Antwort auf übliche Beschwichtigungen: Gegen den nuklearen Tod, sagt ihr Gedicht, erhebe „kein Luftalarm die klagende Stimme“. Im bisherigen Werk der Heidelberger Lyrikerin sind nicht viele Gedichte, die so leidenschaftlich Partei ergreifen, doch die wenigen sind stark und überzeugend. Auch „Treblinka“ mit dem schrecklich anschaulichen Bild der vielen Schuhe, die am „Ende aller Wege“ von den Füßen gelöst und „zu Bergen“ aufgetürmt werden, gehört zu diesen Gedichten.
Doch die eigenwilligste Ausprägung ihrer Kunst gewinnt Christel Breier in dem eingangs erwähnten Bemühen, die Worte als „Wegmarken der Stille“ zu gebrauchen oder, wie es in einem verwandten Gedicht heißt, „ganz nah / am Schweigen der Dinge / abblättern / die Worte / am Ende / unverhüllt / Stille. Auch das Titelgedicht „Echolot“ variiert dieses Thema.
Nach ihrer Lesung beantwortet die Autorin eine Reihe von Fragen, zum Beispiel die nach der Entstehungszeit der in ihrem Buch gesammelten Gedichte. Sie seien während der vergangenen zehn Jahre entstanden, sagte sie. Auf die Frage, auf welche Weise ihre Gedichte entstehen, antwortete sie, daß es oft nur ein Wort sei, das in ihr umgehe und zur Gestaltung dränge. Es ergab sich, daß es sowohl fesselnd als auch vergnüglich sein kann, Lyrik zu hören und über Lyrik zu sprechen.
Dies zu beobachten und zu bedenken wäre auch für den Lektor des Buches von Christel Breier lehrreich gewesen. Doch war kein Vertreter des Verlags gekommen.

Hermann Klippel, Rhein-Neckar-Zeitung, 23.1.1991

 

Fakten und Vermutungen zur Autorin

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