18. Dezember

Zum dritten Mal in Folge bin ich auch heute – wie immer ohne Wecker – exakt um fünf vor sieben aufgewacht, für meine Verhältnisse zu spät, doch ich weiß … ich spüre, es hat seine Richtigkeit. Vor den Fenstern hält sich, noch kaum aufgehellt, die Nacht; neben dem hintern Hauseingang steht, mit der Schnauze in die Steintreppe verkeilt, ein dicker alter Mercedes – er muss auf der abschüssigen Gasse ins Rollen gekommen und hier aufgeprallt sein. Hab ich denn aber so tief geschlafen (oder so tief geträumt), dass ich die Karambolage von Blech auf Granit überhören konnte? Während des Frühstücks ruft Krys an; sie überlegt, ob sie zum Weekend herfahren soll; sie würde dann, sagt sie, im Priorshaus die Sonate von Boris Pasternak einüben, und wir könnten uns am Samstagabend in Lausanne gemeinsam das Stück von Marguerite Duras ansehen, mit Piccoli, mit der Moreau. »Schade. Aber ich habe für den Samstag einen Besuch in Tüscherz bei Heinz Schafroth vereinbart.« – »Auch gut.« – »Ja. Ich bin dann schon auf der Rückreise nach Zürich, unterbreche die Fahrt für zwei, drei Stunden in Biel.« – »Dann komm ich eben am Sonntag zu einem schönen Brunch zu dir. Bringe was mit. Sing dir was vor. Habe nämlich zu deinem Gedicht – du erinnerst dich: Gordisch! – eine kleine heitere Melodie komponiert.« – Im 18. Jahrhundert wurde Tabak – auch dies weiß ich aus meiner Studienliteratur zu Jan Graf Potocki – ausschließlich in höhern Kreisen verwendet, jedoch in der Regel nicht geraucht, sondern geschnupft; man bewahrte den Tabak als getrocknete, kompakt gerollte »Rüben« in Dosen auf, nach Form und Farbe sahen die Teile wie Scheiße aus und sollen so ähnlich auch gerochen haben. Erst nach Überwindung des jeweils aufkommenden Ekels konnte der Tabak zur Delikatesse werden – vorm Gebrauch und Genuss raspelte man mit einem feinen Messerchen die benötigte Portion von der »Rübe«, zerkrümelte sie zwischen den Fingern und ließ sie auf die offene Handfläche rieseln, so dass sich ein kleines pulvriges Häufchen bildete, das man direkt mit der Nase in die Stirn hochziehen konnte. Um den stechenden Geruch der »Rüben« zu mildern, reicherte man den Tabak gern mit Aromen an, mit zerbröselten Rosen- oder Lavendelblättern usf. (Vielleicht für die Schlussszene zu verwenden? Aber hat der Graf … aber wird Graf Potocki vor seinem lange geplanten Selbstmord zur Tabakdose greifen? Den vorletzten und letzten Atemzug ans Schnupfen verschwenden!)

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