8. Juli

Noch ein Durchgang mit Potocki; statt wie geplant ein Kapitel pro Tag schaffe ich auch bei höchster Konzentration nicht mehr als zwei, drei Seiten. Kärrnerarbeit von fragwürdiger Produktivität. Und wer wird die Bemühung und deren Ergebnis einst zu schätzen wissen? Anderseits weiß ich doch – die Bemühung muss vor allem dem Interesse der Sache gelten. Ist die Sache … ist der Text erst einmal da, trete ich dahinter zurück; nicht ich, vielmehr mein Buch wird sich behaupten müssen. – Meine Müdigkeit grenzt beinah ans Ideale – nur das Sterben wäre besser. Ob ich mit irgendetwas Eigenem jemals noch fertig werde? Im August sollte Boris Vildés ›Trost der Philosophie‹ kommen, im Dezember Lew Schestows ›Siege und Niederlagen‹, im Frühjahr ›Nee die Ideen‹; aber dann? Die Frage nimmt sich wie eine Drohung aus. – Ein einziges Bild aus dem Traum von heute Nacht ist mir in Erinnerung geblieben – ich besprinkle sorgfältig den dichten giftgrünen Rasen mit Benzin, werfe ein brennendes Streichholz, sehe zu, wie sich das Feuer entwickelt, sich langsam und gleichmäßig über die gesamte Fläche ausbreitet; die Flammen werden immer höher, beginnen aber bald einzuknicken und zu flattern, nach einigen Augenblicken der Verwunderung wird mir klar, »das Entscheidende kommt von oben«, Regen hat eingesetzt, verstärkt sich rasch, die Tropfenschnüre baumeln überm noch immer züngelnden Kunstgras. Der Moment des Erkennens tritt genau dann ein, jetzt, da Feuer und Wasser einander völlig egal sind. – Heute in einem Editorial der FAZ: Das dominante Weltproblem sei das zunehmende Mehr an Menschen. Das müsste die tägliche Schlagzeile aller Zeitungen sein – das Mehr an Menschen (für die politische Korrektheit weiterhin ein unantastbares Tabu) ist der Hauptgrund für die Hauptübel weltweit: Hunger, Seuchen, Ausbeutung und Zurückdrängung der Natur, Verschandelung von Landschaften, soziale Spannungen, Arbeitslosigkeit, nationale Egoismen, Migration, Katastrophenstimmung und Apokalyptik, konkurrierendes Aufleben von exklusiven Ideologien und Religionen. Auch dies darf nicht gesagt werden – dass das zunehmende Mehr an Menschen den Einzelnen entwertet, ihn entbehrlicher werden lässt.

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