Eberhard Häfner: Excaliburten

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Gino Hahnemann: Allegorie gegen die vorschnelle Mehrheit

Häfner/Sonntag-Excaliburten

WAS SICH WESTLICH OSTERT

wird sich östlich western
unter der internen sichel
stumpfe wolken im trödel des möglichen
ist nötigung wirklich
die letzte instanz oder ganz anders:
scharfe wolken & nötigung tödlich
wer weiß zu unterscheiden
zwischen laut & leise
flüstersilben kennt
dieser herbst & bunte scherben
entnabelt aus beleibung & verkleidung
& danach heißer lovereport
deiner madonnischen & meiner
adonischen augenblicke
utopischen klimas & dies & das
unter interner sichel
externer hammer

 

 

 

Wahrlich „goldene Worte“ des Silberschmieds;

spruchhaftes Edelmetall nicht selten (zuweilen auch nur „veredelte Bleche“ oder auch Schrott), wie es der langjährige „Metallarbeiter“ – so die eigentliche Berufsbezeichnung – immer wieder in seine sonst eher verunsichernden Welt-Ausdrucks-Prospekte schmiedet, lötet, bröckelt, hineindreht: Oh, des rätselhaft schielenden Steins in Häfners zigeunerisch wirkendem Ohrring! Die poetische, die AUTOR-FIGUR in einer Vielzahl der Häfnerschen Gedicht-Collagen: Ein Reisender oder einer, der irgendwo auf einem Halteplatz Station macht, einer der „vorbeigeht“…, in dessen Kopf sozusagen die ganze Welt zusammenrinnt, die Reiseeindrücke, rasch wechselnde, werden geschnitten von aufgeschnapptem Geschwätz, dieses wieder von Erinnertem oder von Floskeln, Satzfetzen aus der Reiselektüre undsoweiter; auch wie im Halbschlaf Missverstandenes, von der eigenen Phantasie Weitergesponnenes, mancherlei Verdrehtes mag hineinspielen in das Häfnersche Logbuch.

Adolf Endler, Druckhaus Galev, Programmheft, 1991

 

Die Lust, als Dichter alles sagen zu dürfen

– Eberhard Häfner ist zwar nicht in allen Epochen zu Hause aber wenigstens zu Gast. –

Zu Zeiten, als der Aufbau-Verlag noch Poesie druckte, hatte er zwei Bücher dort: Syndrom D (1989) und Die Verelfung der Zwölf (1990). Drei sollten es werden, ein Zyklus voll skurriler Poesie und Prosa. Es kam nicht mehr dazu. Dafür ist jetzt im Druckhaus Galrev, das sich ganz dieser Art poetischer Existenzen widmet, ein neues Buch von Eberhard Häfner erschienen.„Excaliburten ist der Name der Sammlung von zwischen 1979 und 1991 entstandenen Gedichten des 1942 geborenen Thüringers, der seit 1985 Berliner ist.
Der Titel ist sprechend. „Excalibur“ ist das Schwert der Artus-Sage, das in den Fels geschlagen ist. Nur wer es herausziehen kann, ist zum König geboren. Häfner ist sprachbesessen genug, um die magische Herausforderung anzunehmen, die in den Worten und ihrem Benutzen liegt. Wieviel zerstörerische und auch beglückende Gewalt liegt in den Worten und erst recht in denen eines Dichters! In seinen Gedichten ist oft zugleich seine unbändige Lust zu lesen, daß er, als Dichter, alles sagen darf, ohne dafür zur Verantwortung gezogen werden zu können.
So ist er weniger Magier, der mit Worten Realität gebiert, noch ist er purer Sprach-Spiel(-Verderb)er, sondern eher ein Flaneur, ein Wanderer. Zwar hat auch er seine Lust am Verbiegen und dem (zur Kenntlichkeit) Entstellten von Worten, an den Spielen mit der Grammatik und zuweilen auch der Orthographie einer deutschen Mundart, die bis heute so manche Völker das Gruseln lehrt. Nicht zuletzt dem sie Gebrauchenden richtet die unbefragte Grammatik so manchen Schaden an. Der Voksmund weiß dies für seine Witze zu nutzen. Übrigens ist dies für Häfner, der bis in die 80er Jahre hinein auch das seltene Genre des (thüringischen) Mundartgedichts pflegte, eine wichtige Quelle seines Schreibens.
Das Thema Deutschland, schon am Titel seines ersten Gedichtbandes ablesbar, stellt sich jetzt noch klarer als eines der Schwerpunkte seines Schreibens heraus. Aber Häfner betrachtet dies immer wieder von außen, als Vorübergehender. Eine seltsame, nie aufgelöste Ambivalenz scheint ihn hierbei zu beherrschen. Er reagiert mit Spott und voller sprachlicher Finten – „deutsch, deutscher, am deutschesten / kargt mein sprachwohn im argen“ – und auch mit gelegentlichen Rückzügen in kaum nachvollziehbare Assoziations- und Wortketten. Der Flaneur hat keine Antworten, sondern – bestenfalls – neue Fragen.
Häfner, der zwar nicht vom Geburtsjahr, aber vom Wohnort und von der Schreibhaltung zum „Prenzlauer Berg“ gehört, hielt und hält wenig vom Pathos der Alternativen. „Alternativoli“ spielt er lieber mit den Slogans von Goethe bis Gorbatschow. Denn was da so „zeitgenössisch triumphaselt“, ist seine Sache nicht. Im babylonischen Sprachengewirr seiner Texte arbeitet er, nun doch ein wenig Magier, aber „mit beschränkter Haftung“, an seinen „urlauten in urbaner Verlautbarung“.
Häfner, der Skeptiker und der Spieler, ist zu – beinahe – jeder seitlichen Arabeske bereit. Ein seltsamer Weltenbummler, der da seinen unlogischen Schlängelpfaden durch das Vokabular der Träume wie der Pflastersteine folgt. Mal ist es die Gravitation des Phallus’, der er grinsend den gebührenden Respekt erweist, mal sind es die „posaunen des jüngsten bohnengerichts“, die ihn auf den Plan rufen. In jedem Falle aber der Versuch, dem Gesagten eine neue, weitere, vielleicht aus dem Gesagten hinausführende Wendung zu geben.
‚Für Gedichte der häfnerschen Art ist eine erhebliche Distanz zu den Dingen Voraussetzung. Doch niemand glaube, dass diese Distanz leicht oder schmerzfrei zu haben sei. Der ewige Wiedergänger Häfner, der in allen Epochen, nein, nicht zu Hause, aber zu Gast ist, der ein wenig bei den Kelten plündert oder mit den Nibelungen ringt, weiß, „aus den knochen der epochen / wird der leim gekocht / auf dem ich krieche“. Es ist keineswegs ein geschichtsloser Blick, den der Autor auf sich und seine Sprach-Materie wirft. Im Gegenteil, aus jeder möglichen Geste des Schreibens schimmert ihm ihr Zitat-Charakter hervor.
Der Ort seines Schreibens ist ein Schnittpunkt aller möglichen, zufälligen Informationen, denkbar als Wartehalle eines internationalen Flughafens. Seine Zeit ist, und das schon seit Jahren, nach dem Ende einer sinnvollen Ordnung der Geschichte. „zitate bevölkern mich“ – ist dann die sowohl bittere wie auch produktive Konseuqenz dieser zugleich zerstreuten wie auch sammelnden Haltung.
Ein Zentrum der Erfahrung, ein Ort der Bündelung des Gesagten ist oft nicht in Sicht. Da Gedicht sind deshalb auch in Gefahr, zu zerfransen, zu Wortkaskaden auszuufern, sich im Diffusen zu verlieren. Sie begegnen dieser Gefahr mit dem Wissen, dass jede mögliche Gebärde auch wieder nur – Zitat wäre. So vergräbt Häfner in seine Gedichte die Geste des Minnesängers wie des Troubadours, die des Romantikers ebenso, wie die des Phropheten.
Nicht jeder Leser wird bereit sein, ihm dabei über die Schulter zu schauen. Aber wer Vergnügen an den existentiellen Spielen der Poesie hat, kommt auf seine Kosten. Mir geht es mit diesen Gedichten oft wie unter einer Worte-Dusche: Nicht alles (be-)trifft mich, etliches geht ungenutzt daneben. Aber der Rest, der bleibt, bietet für mich Vergnügen in Fülle.

Peter Böthig, Berliner Zeitung, 28.2.1992

„ehrfurcht in kehrfurcht“: Häfners „Excaliburten“

Es gibt zwar bereits zwei Bücher von Eberhard Häfner, Syndrom d (1989) und verelfung der zwölf (1990), beide im Aufbau Verlag erschienen, aber zumindest im Westen ist er am ehesten durch Anthologiebeiträge als einer der innovativen Sprachkünstler vom Prenzlauer Berg aufgefallen. Als einer, der, obgleich 1941 geboren, gut zu den eigenwilligen Worterfindern und Sprachzertrümmerern passt, die, etwa anderthalb Jahrzehnte jünger als er, die letzten Jahre der DDR-Literatur mitgeprägt haben, indem sie in ihrer Dichtung den Materialcharakter der Sprache herausgearbeitet haben. Es entstand und entsteht eine anarchistische Literatur, die den Sprachhülsen der herrschenden eine Kunst und Lebenshaltung entgegenstellt, die eine Überlebensstrategie ist.
„Zwischen Präfix & Suffix die literarische Wichse“ heisst denn auch das erste Gedicht in Excaliburten, dem neuen Lyrikband, der Gedichte von 1979 bis 1991 zusammenfasst. „Party zipperfekt“, „Syntax“, „Zweiundachtzig / unregelmässige Verben zur Übung“ oder „Episoden mit Personalpronomen“ sind weitere Häfnersche Gedichttitel, die andeuten, dass sein Umgang mit Sprache nicht naiv ist. Realität wird hier nicht in erster Linie beschrieben, sie wird erzeugt:

(…)
kennen, klimmen, klingen, kneifen schwanz
ein, kommen von hinten, können’s kriechen
nicht lassen, laden, laufen, leiden, lesen
könnt ihr nicht lesen was ihr wollt &
was ihr sollt, daten allgemein geheim
liegen, lügen, meiden, melken,
messen, misslingen
die experimente, immerhin,
gelungenes manöver.

So sympathisch Häfners Gedichte auch sind – er steht im Schatten seines Kollegen Bert Papenfuss-Gorek, an den man immer wieder erinnert wird, wenn man die Excaliburten liest. Sie sind sich sehr ähnlich in der Vorliebe für Wortspiele und Kalauer, bewusst triviale Binnenreime und Alliterationen, und sie haben auch gemeinsame Vorlieben bei der Motivwahl, zum Beispiel den Hang zur Mystik.

(…)
arglos wortkarg es erlegen
war humus der verlockung hold&sold
in raten isegrimmig tatendurst
nur wer im stimmbruch lebt
ungestüm&überhautpt
(…)

Das klingt doch sehr nach Papenfuss-Gorek, auch das:

gebeuteltes eiweiss wandelt ehrfurcht

in kehrfurcht&kathedralen denkmalen.

Oder wieder aus einem anderen Text

sie hat einen schäfermund&liebt
den hund, im hintergrund statt untergrund
ein sofa
(…)

Es geht hier nicht darum, zu erörtern, wer von wem mehr profitiert hat, und auch nicht darum, ob die Ähnlichkeiten legitim sind oder nicht. Sie schaden Eberhard Häfner, der, wohlwollend gesagt, ruhiger und konstanter schreibt als sein jüngerer und bekannterer Verwandter, oder, unfreundlich gesagt, der dem Mittelmaß näher ist als der „unpop“ Sprachextremist. Die eruptiven Zeichnungen von Gerd Sonntag sind teilweise recht ausdrucksstark, die Typographie und Aufmachung des Buches ist sehr angenehm.

Dieter M. Gräf, Basler Zeitung, 6.12.1992

 

Zum 70. Geburtstag des Autors:

Peter Geist: Im Duett mit der Spottdrossel
Der Tagesspiegel, 15.8.2013

Zum 80. Geburtstag des Autors:

Peter Geist: Fata Morgana über dem Wörtersand
Der Tagesspiegel, 23.10.2021

Fakten und Vermutungen zum Autor
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Bild von Juliane Duda mit den Übermalungen von C.M.P. Schleime und den Texten von Andreas Koziol aus seinem Bestiarium Literaricum. Hier „Der Häfner“.

 

Beitragsbild von Juliane Duda zu Richard Pietraß: Dichterleben – Eberhard Häfner

 

Eberhard Häfner – Porträt von Gérard Courant aufgenommen am 20.1.1990 in Paris.

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