Erich Fried: Gedichte

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Erich Fried: Gedichte

Fried-Gedichte

SCHUTTHAUFEN

Der Dichter Ossip Mandelstam wurde zuletzt gesehen
in einem Durchgangslager für die Gefangenen
bei Wladiwostok im Dezember Achtunddreißig
wie er nach Resten von Eßbarem suchte in einem
Abfallhaufen. Er starb noch vor Jahresende

Seine Mörder sprachen zu jener Zeit nicht ungern
vom „Schutthaufen der Geschichte auf den der Feind
geworfen wird“

So also sah der Feind aus: der todkranke Dichter
und so sah der Schutthaufen aus (wie schon Lenin gesagt hat:
„Die Wahrheit ist konkret“) Wenn die Menschheit Glück hat
werden die Archäologen des Schutthaufens der Geschichte
noch etwas vom Heimweh nach Weltkultur ausgraben
Wenn sie Glück hat werden die Archäologen
auf dem Schutthaufen der Geschichte Menschen sein

 

 

 

Nachwort

Erich Fried ist eigentlich gegen die Zeitläufte zu einem der bedeutendsten deutschen Lyriker geworden. 1921 in Wien geboren, verwandelte der deutsche Einmarsch ihn schon 1938 „von einem österreichischen Oberschüler in einen verfolgten Juden“, der in London Zuflucht fand, wo er bis zu seinem Tod 1988 lebte. Er wurde und blieb ein Exilschriftsteller, der uns aus dem Exil einen neuen Shakespeare schenkte, der dem deutschen Gedicht nach 1945 die politische Würde, den kritischen Zweifel und die Kraft der Erinnerung zurückgab.

Erich Fried hat sehr früh zu schreiben begonnen, noch vor der Schulzeit, und er hatte zeitlebens eine förmlich fotografische Bild- und Texterinnerung, die ihn nicht nur mit großer Genauigkeit Erlebnisse aus seiner Jugend reproduzieren ließ, sondern auch Texte jeder Art, vorzüglich Gereimtes: Von Heine bis zu den Balladen Uhlands oder Geibels, von Hölderlin und Trakl bis zu Dilettantengedichten seines Vaters, Schlagern und Weisheiten des ungewaschenen Volksmunds.
Dazu gehörte auch eine Erzählung von Wilhelm Hauff, „Das kalte Herz“, die ihm sein Vater vorgelesen hatte – die Geschichte von den Menschen, die ihr Herz eingetauscht haben gegen ein steinernes, um besser durchs Leben zu kommen. Und es gehörten dazu auch Erfahrungen (beschrieben im Erinnerungsbuch Mitunter sogar Lachen), die schon lange vor 1938 aus dem Schüler einen politisch Teilnehmenden machten: der ,blutige Freitag‘ von 1927, die Niederschießung der Arbeiter durch die Dollfuß-Regierung 1934, das Verbot der sozialdemokratischen Partei, der wachsende Antisemitismus, schließlich die Besetzung Österreichs. Erich Fried verlor durch die Nazis seinen Vater und seine Großmutter; seine Mutter konnte er ins englische Exil retten. Als er 1938 von einem Mitarbeiter des Jewish Refugee Comitte nach seinem Berufswunsch gefragt wurde, antwortete der Siebzehnjährige:

Deutscher Dichter.

Der Wunsch wurde belächelt, aber er ging in Erfüllung, freilich erst viele Jahre später. Vorerst brachte sich Fried als Bibliothekar und Hilfsarbeiter durch, ab 1950 als Übersetzer (insbesondere von Dylan Thomas) und als Mitarbeiter der BBC, mit regelmäßigen Kommentaren in deren deutschem Programm. Erst fünfzehn Jahre nach seiner Flucht besuchte er zum erstenmal wieder Deutschland, nachdem er bereits 1949 eine angebotene Lektorenstelle an der Ostberliner Humboldt-Universität abgelehnt hatte, weil er nicht unter den Bedingungen Schdanowscher Kulturpolitik arbeiten wollte. Aus Westdeutschland kam keine Einladung.
Ab Mitte der fünfziger Jahre wollte Erich Fried nicht mehr zurück: Die Restauration der Adenauerzeit, die Rehabilitierung vieler Nazis, die Wiederbewaffnung und das KPD-Verbot schreckten ihn ebenso ab wie der geistige Kalte Krieg, in dem, wie er schrieb, „fertig gekaufte Mißverständnisse aus den politischen Schlagwortmagazinen“ ausgetauscht wurden. So kam es in den fünfziger Jahren zu einer merkwürdigen Konstellation: In der DDR wurde Fried ein bekannter, aber ungedruckter Mann, in der Bundesrepublik wurden zwar zwei Bücher gedruckt, ihr Autor blieb aber eher unbekannt.
Die Bekanntheit in der DDR resultierte aus Erich Frieds Kommentaren im deutschsprachigen Programm der BBC „für die Sowjetzone“, die sich immer wieder mit dem Widerspruch zwischen offizieller Losung und tatsächlichem Handeln der Kulturpolitik der DDR beschäftigten. Aus eben diesem Grund erschien erst über ein Jahrzehnt später der erste Band Erich Frieds in der DDR, ein weiterer drei Jahre vor seinem Tod.
In der Bundesrepublik erschien 1958 ein Band Gedichte und 1960 der Roman Ein Soldat und ein Mädchen. Die Gedichte wurden von der Kritik kaum wahrgenommen und wenn, dann als hermetische Produkte eines „Dichters der Emigration“. Eine breitere Rezeption des Romans verbot sich offensichtlich durch das Thema: Ein antifaschistischer Soldat verliebt sich in eine zum Tod verurteilte KZ-Aufseherin. Von einer solch brisanten Konstellation wollte man im Nachkriegsdeutschland unter gar keinen Umständen etwas wissen.
Erich Fried saß zwischen den beiden deutschen Stühlen.
In den sechziger Jahren begann Erich Fried das ihm als Sedativum aufgeklebte Etikett des „hermetischen Emigrationsdichters“ abzustreifen und wurde zu einem politisch eingreifenden Schriftsteller, der die Emigration als Standortvorteil begriff und benutzte, zum erstenmal in den seit 1962 entstehenden und 1966 erschienenen Vietnamgedichten. Material waren ihm die im Vergleich zu deutschen Sendern wesentlich objektiveren und umfangreicheren Nachrichten der BBC zu diesem von den USA bis 1968 vertuschten und geleugneten Krieg, die er sozusagen als lyrische Konterbande exportierte.
Die Wirkung war größer, als man sich heute vorstellen kann: Nicht nur wollte niemand diese Gedichte drucken (so kam Erich Fried in meinen frischgegründeten Verlag), sondern sie wurden auch, wo immer sie mündlich oder auf Flugblättern verbreitet wurden, betrachtet – und verurteilt – als unheiliger Angriff auf eine heilige Schutzmacht. Es war ganz typisch für dieses Klima, daß es auf der Tagung der Gruppe 47 in Princeton zwei Emigranten waren, Peter Weiß und Erich Fried, die auf Bitten amerikanischer Freunde öffentlich Stellung gegen den verheimlichten und schmutzigen Krieg in Vietnam nahmen, und daß die große Mehrheit der Gruppe 47, an der Spitze Günter Grass, sie deswegen geradezu erbittert angriffen, amerikanischer als die Amerikaner.
Und viele wußten damals nicht einmal genau, wo das Land lag: So kam es, daß der Gedichtband und Vietnam und mit einer Landkarte und einem Vorspruch begann, gefolgt von Gedichten, denen zumeist eine erläuternde Fußnote beigegeben war, und abgeschlossen mit einer politischen „Chronik“, alles durchaus mit Billigung des Autors. Wie überhaupt Erich Fried ein Freund praktischer Lösungen und ein höchst unfeierlicher Autor war, der seine Texte oft als „das Zeug“ bezeichnete, der Aufträge ad hoc annahm, Erstdrucke in irgendwelchen studentischen ,papers‘ veröffentlichte (ein schweres Problem für künftige Germanisten…) oder auch verschenkte, verlor oder sonst mißbrauchte – das schönste Beispiel hat Helmut Heißenbüttel überliefert: Er fuhr mit Fried im Fond eines Autos; es war ihm nicht nur speiübel, sondern er mußte sich auch erbrechen; gehalten werden konnte nicht, da man sich auf einem Baustellenabschnitt der Autobahn befand. So nahm Erich Fried aus seiner berühmten Plastiktüte Blatt für Blatt – memorierte das daraufstehende Gedicht noch schnell – und reichte es dem bedürftigen Freund.
Er hätte es auch für einen Feind getan, denn Frieds Feindesliebe war berüchtigt: für ihn war (fast) jeder ein „sehr anständiger Mensch“, nur in ganz schlimmen Fällen lediglich ein „anständiger Mensch“.
Seine Feinde haben es ihm übrigens nicht vergolten, sondern ihn mit Verleumdungen, Zensur und Prozessen überzogen, am schlimmsten im berüchtigten Jahr 1977, das mit einem Prozeß wegen Beleidigung der Berliner Polizei begann (Fried hatte die Hinterrückserschießung eines Studenten durch die Polizei einen ,Vorbeugemord‘ genannt), sich fortsetzte in Beschimpfungen durch Theo Sommer auf der ersten Seite der Zeit als „dichtender Verschwörungsneurotiker“ (weil Fried der offiziellen Version über die Toten in Stammheim keinen Glauben schenkte) und beileibe nicht endete mit der Bezeichnung „Mörderpoesie“ durch die Frankfurter Allgemeine Zeitung (weil Fried das Nazi-Vorleben von Hanns-Martin Schleyer nicht unterschlagen mochte). Da wurden dann auch noch die gerade erst in die Schulbücher aufgenommenen Gedichte Frieds wieder herausgesäubert und der Vorsitzende der Bremer CDU wollte die Arbeiten dieses „sogenannten Dichters“ gleich „verbrannt wissen“. Es war quasi Frieds zweite Ausbürgerung und es war ein widerliches Schauspiel.
Eingebürgert hat ihn in dieser Zeit die Studentenbewegung, also jene jungen Leute, deren Leistung für die geistige und politische Entrümpelung Deutschlands gerne unterschätzt wird. So wurde Erich Fried, mit Knotenstock und Plastiktüte, zum unermüdlichen „Reiserabbi“. Keine Infogruppe, deren Einladung er nicht angenommen, kaum ein Ort, den er nicht besucht, kaum eine Diskussion, an der er nicht bis zum Schluß teilgenommen hätte. Und schließlich: die versuchte offiziöse zweite Ausbürgerung wurde, ebenfalls 1977, durch eine internationale Einbürgerung beantwortet: Erich Fried erhielt seinen ersten großen Preis, den Internationalen Verleger-Preis –, der mit einer Veröffentlichung in sieben Sprachen verbunden war.

Zwei Jahre später, 1979, schickte mir Erich Fried ein Konvolut Gedichte, umfangreicher als üblich, aber ungeordnet wie stets (und in abenteuerlichem Zustand: auf den Rückseiten von Werbesendungen, in diversen Papiersorten, mit vielen Korrekturen). Wie gewohnt, erbat er ein Urteil zu jedem einzelnen Gedicht (wofür wir eine Art Kurzkodex vereinbart hatten), um dann auszuwählen und zu ordnen. Bei Titeln war er oft unsicher und nahm gern Rat an – ich erinnere mich, daß er, als ich einmal bemerkte, dieses (titellose) Gedicht sei zur Hälfte von Hölderlin, das Gedicht „Hälfte von Hölderlin“ nannte (natürlich auch in Anspielung auf ein Hölderlin-Gedicht). So auch beim Titel dieses Gedichtbandes, der den Arbeitstitel „Liebesgedichte“ trug.
Von diesem Arbeitstitel kamen wir nicht mehr ab, er wurde zum endgültigen Titel. Erich Fried wollte offenbar, auch durch den Titel, mit diesem Band ein Etikett abstreifen, wie schon in den sechziger Jahren mit und Vietnam und, und wiederum unter ungünstigen Bedingungen.
Ging es seinerzeit – in den sechziger Jahren – um die Neugewinnung einer von den Nazis zerstörten Landschaft für das politische Gedicht, so ging es diesmal – zwei Jahrzehnte später – um die Neugewinnung einer (übrigens auch durch die Studentenbewegung) verwüsteten emotionalen Landschaft. Und wenn seinerzeit die ästhetischen Erfahrungen mit der englischen Lyrik, dem Hermetismus und der konkreten Poesie in das politische Gedicht mitgenommen wurden, so diesmal die Erfahrungen politischer Wirkung durch das Spruchgedicht und die Zitatmontage, durch das Dokumentargedicht und die imitatorische Satire.
Wie schwierig das Gelände für Liebesgedichte war, zeigt eine von Fried hinzugefügte (immer wieder korrigierte) Nachbemerkung, die mit dem Satz beginnt:

Ein Band ,Liebesgedichte‘ bedarf keiner besonderen Erklärung oder Rechtfertigung, auch wenn – oder gerade weil – neuerdings oft verbreitet wird, es gebe heute keine Liebesgedichte mehr…

Die Vorsicht war vollkommen begründet. Selten habe ich als Verleger ein solches Mißverhältnis zwischen einer negativen, oft förmlich vernichtenden Aufnahme durch die Kritik und dem Erfolg bei den Lesern erlebt – der Band mit dem unscheinbaren Titel erreicht eine Auflage von über dreihunderttausend Exemplaren und wurde so zum erfolgreichsten Band eines deutschen Lyrikers nach 1945. Dasselbe Mißverhältnis hatte übrigens auch schon bei dem 1966 erschienenen Band und Vietnam und bestanden, allerdings in viel bescheidenerem Umfang: Einer vernichtenden Aufnahme durch die Kritik (mit der großen Ausnahme von Peter Rühmkorf) folgte eine Auflage von fünfzehntausend Exemplaren.

Mit den achtziger Jahren – Erich Fried war fast sechzig und hatte nur noch wenige Jahre zu leben – kam seine wirkliche Einbürgerung bei den deutschen (und endlich auch österreichischen) Lesern und es kamen die Preise: 1980 der Preis der Stadt Wien; 1983 der Bremer Literaturpreis; 1986 der Österreichische Staatspreis; 1987, ein Jahr vor dem Tod, der Georg-Büchner-Preis.
Noch ein Detail aus der literarischen Arbeit mit Erich Fried: Er mochte weder Zeilen- noch Strophenbrechungen. Da heißt, wenn beispielsweise ein Gedicht mit einigen Zeilen über die abgemessene Zeilenhöhe hinausging, dann kürzte er entweder entsprechend oder änderte den Zeilenbau. Dies galt auch für Zeilen, die mehr als etwa 65 Anschläge hatten, also am Ende gebrochen werden mußten; auch das wollte Erich Fried vermeiden und änderte die Zeilen entsprechend. Und das war mehr als eine der von ihm geschätzten ,praktischen Lösungen‘, es war ein inhaltlicher Eingriff aus technischen Gründen, der dennoch inhaltliche Absichten hatte.
Erich Fried wollte, daß die Struktur eines Gedichts erkennbar bleibe, Strophe für Strophe, und möglichst auf einen Blick. Der Leser sollte erkennen: Hier wird vier Zeilen lang gefragt, dann folgen sechs Zeilen Rückfragen, drei Zeilen vorläufige Antworten und sofort. Die Struktur sollte dieses dialogische Prinzip erkennbar machen, die Konfrontation von Material und Bearbeitung, von Geschichte und Gegenwart, von Erinnertem und Erfahrenem. Wir sollen also erkennen: Hier arbeitet ein Autor, der uns Fragen stellt, der Geschichte vorzeigt in einer auf Vergessen angelegten Gesellschaft. Und eben daraus entsteht die politische Würde und der dialektische Zweifel in Erich Frieds Gedichten.

Klaus Wagenbach, Nachwort

 

Das Buch

Ende 1993 erschien bei Wagenbach die vierhändige Werkausgabe der Gedichte und Prosa Erich Frieds. Sie war einer der literarischen Erfolge des Jahres. Sie erlaubte zum ersten Mal nach dem Tod des Autors (1988) einen Überblick über das gesamte Schaffen des Schriftstellers. Erich Fried war ein homo politicus, Vertrieben als Jude aus Wien, lebte er von da an im Londoner Exil. Couragiert bezog er Stellung zu politischen Fragen. Seine Offenheit schuf ihm viele Feinde, vor allem aber in der Zeit der Restauration. Stets trat er für die ein, die verfolgt oder unterdrückt wurden. Seine Sprache ist genau, die Alltagssprache zerfällt bei seiner kritischen Prüfung, Redewendungen zeigen ihre gefährlichen Seiten.
Daneben gibt es aber auch Liebesgedichte Erich Frieds, die in ihrer Zartheit und Ehrlichkeit zu den schönsten der deutschen Sprache gehören. Die Leser haben sich schon längst für ihren Fried entschieden. Der Band Liebesgedichte gehört zu den erfolgreichsten Lyrikbänden der Nachkriegszeit.

Deutscher Taschenbuch Verlag, Klappentext, 1995

 

DICHTKUNST
(für Erich Fried)

Schmähe! schmeichel! schmolle! schmachte!
Schmücke dich mit fremden Federn
Bade dich in Nonsensbädern
Aber dichte nie Gedachte

– nicht Gedachte sollste dichten!
Kluge Kinder sind wir lange
Vom Kaninchen vor der Schlange
Sollst du uns genau berichten

Schreib Balladen wie du zwischen
Affenfels und Barrikade
Hindundher hetzt, und wie grade
Typen so wie du entwischen

Mach nicht groß in Weltgeschichte!
Tüftel nicht in Kommentaren
Laß das: uns die Welt verklaren…
Dichter, dichte uns Gedichte!

Im Sonett ist Gott uns schnuppe
Weißt du, was wir wirklich wollen?
Eine Kelle aus dem vollen
Kessel: heiße Lebenssuppe!

Sing von dir, von deinesgleichen
Furcht und Elend, Massel, Unglück
Wie ihr fröhlich seid beim Frühstück
Neben angefaulten Leichen

Wie du mit den andern Affen
Politik spielst auf den Bäumen
Wie wir uns nach vorne träumen
Und die Gegenwart nicht schaffen

Sing uns Wasserwerfer-Lieder
Schreib, wie dir die Augen brannten
Als die Bulln uns überrannten
Und tu’s trotzdem immer wieder

Ungereimtes darfste reimen
Unsre platten Lebenslügen
Doch du sollst uns nicht mit glatten
Allerweltswahrheiten leimen

Grau in grau, die niedern Dinge:
Wie du deine Stirne faltest
Wenn du hoch in’ Dritten schaltest
Und vom Zündverteiler singe

Wie dein Herz lacht, wenn die Karre
wieder anspringt in der Kälte
Wie der fette Köter bellte
Wie das Mastschwein mit Zigarre

Deiner Schönen auf den Hintern
Haute und wie dich das kränkte
Daß sie dem ein Lächeln schenkte
Laß die Schwalben überwintern!

Dichter, sei ein Menschentierchen
Und wenn dir die Reime fehlen
Darfste nicht die Sprache quälen
– Worte können nichts dafürchen

Stammel! stotter! spucke! keife!
Wahrer Witz ist nicht so witzig
Sei ruhig cool, sei heilig hitzig
Pflück uns Pflaumen! grüne, reife

Sing uns blaue Apfelsinen
Sei ein Schöngeist! parfümiere
Seelenpopel, aber schmiere
Uns nicht an mit so Pralinen!

Mach uns nicht aus Hundescheiße
Frikadelln! Die Oberschlauen
Sind’s die sich ja selber hauen
Übers Ohr. Nein, küß und beiße

Belle Ratten! heul Hyänen!
Grunz uns Adler, sing uns Schweine
Aber heul nicht allgemeine
Kalte Welterlösertränen

Düstres Kuddelmuddel lichtet
Dort sich, wo dein Lächeln flackert
Lach! – dann haste gut geackert
Gut geweint und gut gedichtet

Wolf Biermann

 

 

Fakten und Vermutungen zum Herausgeber + Archiv + Kalliope
Porträtgalerie: Autorenarchiv Isolde Ohlbaum

 

Lesung von Erich Fried am 25.9.1986 im Literarischen Colloquium Berlin

 

 

 

Hannelore Schlaffer: Erich Fried und Marc Anton, Merkur, Heft 569, August 1996

Herta Beck: Besuch bei Erich Fried

Klaus Wagenbach und Erich Schwarz Lesung zum 72. Geburtstag von Erich Fried am 6.5.1993 in der Werkstatt der Staatlichen Schauspielbühne Berlin.

Detlef Berentzen: Ein gebrauchter Dichter. Eine Textcollage zum 15. Todestag von Erich Fried

Christiane Jessen, Volker Kaukoreit und Klaus Wagenbach (Hrsg.): ERICH FRIED. Eine Chronik. Leben und Werk: Das biographische Lesebuch

Zum 100. Geburtstag des Autors:

Erich Fried Tage – Internationales Literaturfestival

Erich Fried – Wir sind ein Tun aus Ton
3sat.de, 2.5.2021

Rolf Becker für Erich Fried zum 100.
YouTube, 6.5.2021

Alexander Knief: Grass-Stiftung zeigt digitale Schau zu Erich Fried
Weser Kurier, 3.5.2021

Stefan Siegert: Schau’s dir an!
junge Welt, 14.4.2021

Joachim Leitner: Dem Zweifel zweifelnd trotzen
Tiroler Tageszeitung, 4.5.2021

Jürg Halter: Als Politdichter, Liebesdichter oder Erinnerungsdichter: Sagen, was ist – mit Erich Fried
Tagblatt, 5.5.2021

Björn Hayer: Erich Fried zum 100. Geburtstag: Liebe, und immer wieder Liebe
Frankfurter Rundschau, 5.5.2021

Moritz Gathmann: „Lieber Michael Kühnen…“
Cicero, 6.5.2021

Beatrix Novy: Verzweifelter Humanist zwischen zwei Sprachen
Deutschlandfunk, 6.5.2021

Jan Süselbeck: Der unversöhnliche Philanthrop
taz, 6.5.2021

Klaus Bellin: Verse gegen Lüge, Unrecht und Gewalt
neues deutschland, 5.5.2021

Jens Dirksen: Erich Fried schuf Poesie aus radikaler Opposition heraus
WAZ, 5.5.2021

Bernadette Conrad: Kunst zur Veränderung der Welt
Berliner Zeitung, 6.5.2021

Thomas Wagner: Der Stören-Fried
Die Welt, 6.5.2021

Hubert Spiegel: Der Überlebenshilfekünstler
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6.5.2021

Caroline Fetscher: „Man muß mit jedem reden“
Der Tagesspiegel, 6.5.2021

 

 

 

 

 

 

Fakten und Vermutungen zum Autor + weiteres  12KLGÖM +
IMDb + Archiv 1 & 2Internet Archive + Kalliope +
Georg-Büchner-Preis 1 & 2
Porträtgalerie: Autorenarchiv Isolde Ohlbaum + Keystone-SDA +
Brigitte Friedrich Autorenfotos + deutsche FOTOTHEK
Nachrufe auf Erich Fried: Die Zeit ✝︎ Wagenbach

 

Bild von Juliane Duda mit den Texten von Fritz Schönborn aus seiner Deutschen Dichterflora. Hier „Knollenfried“.

 

Erich Fried Liebesgedichte vorgetragen von Frank Hoffmann mit dem Jazztrio mg3.

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