Eva Zeller: Stellprobe

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Eva Zeller: Stellprobe

Zeller-Stellprobe

JOSEPH BEUYS

als er sich in den
Finger schnitt
hat er das
Messer verbunden

als er aus aller-
geringstem Material
eine Kreuzigung nagelte
ein Balken eine Latte
ein Kabel zum Schnüren
setzte er zwei
Rückenfiguren davor
weiße Flaschen die
Blutkonserven enthalten

Stellprobe für
fast so etwas
wie Erbarmen

 

 

 

Eva Zeller: Stellprobe

Nach einer Pause von etwa zehn Jahren, in der Eva Zeller hauptsächlich Romane und kleinere Erzählungen schrieb, legt die heute in Heidelberg lebende Autorin wieder einen Gedichtband vor. Er enthält dichterische Porträts über Menschen unseres Jahrhunderts und Persönlichkeiten aus der Vergangenheit. „Küsten verpacken, Brücken verschnüren, Täler verschleiern“, so führt Eva Zeller den Verpackungskünstler Christo Javacheff ein und rät ihm: „Verpack auch elektrische Zäune, das wird sie entladen“ und: „Vergiß nicht, flatternde Tücher über Mauern und Schlagbäume zu legen, Christo, wir gewöhnen uns sonst noch daran“. Die Kunstwerke von Joseph Beuys deutet sie als „Stellprobe für fast so etwas wie Erbarmen“. Andere Gedichte sind Cézanne, Matthias Claudius – „Kalt weht der Abendhauch, die Ungeborenen ängstigen sich auch“ –, Paul Gerhardt, Andreas Gryphius und Moses gewidmet.
Es folgen Kindheitserinnerungen unter den Titeln „Das Kind, in dem ich stak“ und „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Damals, heißt es in einem Gedicht, „da war hienieden auch nicht der Himmel auf Erden“, und eine längere Ballade beginnt mit den Worten:

Mein Vaterhaus war ein Mutterhaus, eins zum Sichverlaufen

Hier läßt die Lyrikerin ihre Kindheit und Jugend Revue passieren. Sie erinnert sich daran, wie die Jahreszeiten vergingen, und an einzelne Szenen:

Bei Tisch mußte man den Teller leer essen, um groß und stark zu werden, durfte nicht mit dem Stuhl kippeln und nicht mit vollem Mund reden

Sie erwähnt Tanten, die zu Besuch kamen und wieder gingen, wenn es ihnen „zu bunt und zu kalt wurde“, und erzählt, wie der Krieg ausbrach und endete, wie das Haus damals „bis unters Dach… voller Flüchtlinge“ war und schließlich auch die Bewohner ihr Bündel schnüren und die Heimat verlassen mußten.
Ein Liebeslied spielt sarkastisch auf das Märchen von „Aschenputtel“ an – „dann muß ich bloß noch das Bäumchen schütteln, mir nichts dir nichts an Ordnungen rütteln“ – und in „Szenen einer Ehe“ werden die Gefühle einer zwischen altem Rollenverständnis und Emanzipationsgelüsten hin und her schwankenden Ehefrau ironisch beleuchtet.
Einige Gedichte, zum Beispiel: „Ein Wort wie erlösen“, „glauben“, „Ein Weihnachtslied“, „Testament“, „Zur Geburt eines Kindes“ und „Die Kirche im Dorf gelassen“ zeugen von geistig religiöser Unruhe und dem Bemühen, „Unsagbares“ bildhaft in Versen festzuhalten.
Wie in ihren Erzählungen erweist sich Eva Zeller auch in ihrer Lyrik als minutiöse Beobachterin, die den Dingen auf den Grund geht und es nicht bei oberflächlichem Betrachten bewenden läßt. Obwohl ihre Aussagen karg und verhalten sind, sprechen sie unmittelbar an und lassen den Leser nie im unklaren darüber, was gemeint ist.

Ursula Homann, Deutsche Bücher, Heft 2, 1990

 

 

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