Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Kuhlbrodts Gedicht (Teil 1)

Kuhlbrodts Gedicht

Thesen, Gegenthesen, Fragezeichen

 

In seinem jüngsten Buchwerk versammelt der Schriftsteller und Kritiker Jan Kuhlbrodt unterm Titel «Schrift unter Tage» (Gans Verlag, Berlin 2023) eine Reihe eindringlicher Essays zur literarischen, künstlerischen und philosophischen Kultur von Hamann und Hegel bis hin zu Schestow, Pound, Levinas und zu zeitgenössischen Autoren. Die Essays sind untermischt – genauer: unterbrochen – durch drei knappe, im Band verstreute poetologische Traktate, die in Form von nummerierten «Thesen» die Dichtung und nicht zuletzt den Dichter dingfest machen wollen.
Da der Autor dem Gedicht in aller Regel vorgeordnet ist, werfen wir vorab einen Blick auf Kuhlbrodts «Zehn Thesen über Dichter». These eins lautet: «Dichter tragen auch nachts Regenjacken.» These zehn: «Manche Dichter sind immer verschnupft.» Fazit: Alle Dichter sind Nonkonformisten und (manche) Dichter sind – Achtung: Doppelbedeutung! – entweder «immer» unpässlich oder fühlen sich «immer» beleidigt. Was freilich auch auf ganz normale Menschen, die keine Dichter sind, zutreffen kann.
These drei: «Dichter sind gut im Bett.» Fragt sich bloss, ob hier – im Bett – der Schlaf oder der Beischlaf gemeint ist. Die Literaturgeschichte kennt beliebig viele Dichter, die schwer unter Schlaflosigkeit gelitten haben, wobei durchaus offen bleiben muss, ob und inwieweit Schlaflosigkeit mit Beischlaflosigkeit in eins zu setzen ist. Doch beides hat wohl, so oder anders, die dichterische Produktivität beeinflusst und geprägt.

… Fortsetzung hier

© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik

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