Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Reden und schreiben (Teil 1)

Reden und schreiben

 

Eine kleine leise Ode an die Sprache, ein Kleinod von Rainer Brambach – vermutlich das einzige Gedicht, das er in Basler Mundart verfasst hat; entstanden ist es um 1970 und lautet wie folgt:

Reede-n-und-Schrybe

Z’Basel gebore, reed i Baseldytsch,
nadyrlig nit eso perfäggt
wie zem Byschbil dr Glopfgaischt.
Mit mynere Sprooch kumm i guet
iber d’Gränze durs Elsass dure
und au durs Badisch.
Aber nit wyter.
I schryb Schriftdytsch.
I schryb gärn.
Myni Brief raise allewyl wyt
und s’Spaledoor rächts uff em Umschlag
raist mit.

«Baseldytsch» ist ein kleinräumiger alemannischer Dialekt, beschränkt auf die Stadt Basel an der Dreiländerecke zu Frankreich (Elsass) und Deutschland (Baden), gleichwohl in sich noch mehrfach differenziert nach Grossbasel, Kleinbasel, Vorstadt und näherer Umgebung. Johann Peter Hebel, der einst populäre «rheinische Hausfreund», hat den Dialekt in seinen Alemannischen Gedichten (1803) literaturfähig gemacht. Brambachs «Baseldytsch» gehört – anders als die volkssprachlichen Hebel’schen Gedichte – der grossbaslerischen Upperclass an, dem sogenannten «Daig» (Teig), auch wenn es im Text nicht ganz «perfäggt» (perfekt) verwendet wird. – In hochdeutscher Übersetzung ist das kleine Gedicht so zu lesen:

Sprechen und Schreiben

In Basel geboren spreche ich Baseldeutsch,
natürlich nicht so perfekt
wie zum Beispiel der Klopfgeist.
Mit meiner Sprache komme ich gut
über die Grenze durchs Elsass hindurch
und auch durchs Badische.
Aber weiter nicht.
Ich schreibe Schriftdeutsch.
Ich schreibe gern.
Meine Briefe reisen stets weit
und das Spalentor rechts auf dem Umschlag
reist mit.

Das ist ein geständnishaftes lyrisches Stück in schlichtem Volkston, problemlos verständlich für das einheimische Publikum, nicht jedoch für Aussenstehende, die nicht wissen können, dass «allewyl» (alle Weile) soviel wie «immer bedeutet, dass der damals populäre «Glopfgaischt», auf den hier angespielt wird, regelmässig Mundartkolumnen für die Basler Zeitung verfasste, und auch nicht, dass das «Spalentor», ein mächtiges mittelalterliches Wahrzeichen der Stadt, zu jener Zeit auf einer Schweizer Briefmarke abgebildet und deshalb auf beliebig vielen Briefumschlägen (wie üblich: rechts oben) «mitgereist» ist.

… Fortsetzung hier

© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik

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