Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Selbsttätige Dichtung (Teil 5)

Selbsttätige Dichtung

Teil 4 siehe hier

Lyrik als Kunst lehnt Malewitsch ab zugunsten automatischen, vorsprachlichen Brabbelns, das auf rhythmische und klangliche Verläufe beschränkt bleibt, wie man sie von religiösen Ekstatikern und Kindern kennt.
Folglich, so ist daraus zu schliessen, gibt der «neue» Dichter – nicht anders als sein alter «primitiver» Vorfahr – seine Autorität auf und tritt hinter seinen Text zurück, um den Wörtern oder Wortfragmenten zu ihrem eigenen «Ton» und «Tempo» zu verhelfen.
«Also den Dichter selbst gibt es nicht», heisst es in Kasimir Malewitschs Grundsatzerklärung über Die Poesie (1918): «Es gibt den Meister der <Flickschusterei>, keinen sonst. Der Dichter ist kein Meister, Meisterschaft ist Quatsch, es kann keine Meisterschaft geben im Göttlichen des Dichters, denn er kennt ja nicht die Minute, nicht die Stunden noch den Ort, wo der Rhythmus sich entzünden wird.» Und so fort – bis «in ihm die Grosse Liturgie beginnt».
Malewitsch erinnert an den Rufer in der Wüste, in welchem er den Prototypen des Dichters zu erkennen glaubt: «Sein Schrei treibt weiter und weiter wie Samen im Wind, und da er lebendig ist, kommt er weit voran, und die Menschen, die ihm lauschen, nehmen in ihm die Zusammengehörigkeit des von Gott Verstreuten wahr, sie gehn auf die Suche nach dem Quell, um daran teilzuhaben; in der Teilhabe erschaffen sie das Ganze neu.»

Fortsetzung hier …

© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik

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