Weiterschreiben zu Kriegszeiten
Teil 2 siehe hier …
Aber nein, auf künstlerische Qualitäten kommt es in all diesen Gedichten offenkundig eben doch nicht an; womöglich genügt es, angesichts des realen Schreckens weiterzureden, wie auch immer, und sich nur nicht zum Schweigen bringen zu lassen: Wer noch redet, ist nicht tot.
Da wird also keineswegs schön geredet. Alltagssprache kommt vor Dichtersprache. Als «künstlerisch» gelungen kann kaum eins dieser Gedichte gelten, deren Gemeinsamkeit schlicht darin besteht, in extremis Zeugnis abzulegen und gerade nicht als «Kunst» sich behaupten zu wollen. Hätte damit die Dichtung vor dem unmittelbaren Horror versagt? Oder hat Dichtung für solchen Horror keine adäquaten sprachlichen Register zur Verfügung? Müsste sie zurückkommen auf die «befreite» sinnentleerte Wortkunst der Futuristen, Expressionisten, Dadaisten?
«W e i t e r schreiben» – so lautet die redaktionelle Devise der «manuskripte». Doch wie soll sie verstanden werden? Mit Ausrufe- oder Fragezeichen: «Weiterschreiben!» – «Weiterschreiben?» – Und von woher und auf was hin wäre weiterzuschreiben? Und im Übrigen: Wie? Und wozu? Die Frage war akut schon vor dem Krieg, und akut bleiben wird sie auch danach.
© Felix Philipp Ingold
aus unveröffentlichten Manuskripten
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