Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Wie noch lesen? (Teil 3)

Wie noch lesen?

Teil 2 siehe hier

«Im Gesprochenwerden gibt sich der Text selbst», meint und begründet Hans-Jost Frey in seinem scharfsinnigen Essay über Laut und leise: «Es gehört zu ihm als das, was ihn als Sprachgeschehen sich ereignen lässt.» Und weiter: «Wichtig am lauten Lesen ist nicht, ob jemand zuhört oder nicht, sondern dass in ihm eine Auffassung vom Text wirksam ist, für die das Lesen weniger eine Begegnung mit vorhandenem Geschriebenem ist, als dass es notwendig zum Text gehört, der erst im Gelesenwerden wirklich und ganz er selbst wird.»
Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen; ich schliesse mich an und lese mir leise ein eigenes, vergessenes, deshalb unveröffentlicht gebliebenes Gedicht vor, das ich – es ist von 1984 datiert – erst vor kurzem wiederentdeckt, aber noch immer nicht so recht verstanden habe:

Schnee

ist das was widerlegt
wo nie
kein Ereignis stört.

Die Stille versteht sich
weil sie – anders als Gewichtiges –
gehört. Und aber

weiss die Schrift vom
Schreiben
 nichts.
Schön schonungslos

das Soll. Von
Kinderhand das eine
geknetet aus

beliebig vielem. Flocken
zu Knoten. Und
aus Gerüchen das Gerücht.

 

© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik

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