2007-03-08

Wüstes Nieselwetter; Kopfschmerzen, Übelkeit, Ungenügen, Wut; ein bisschen übersetzt an Steiger; nebenher ein eignes Gedicht, Pietà; Langeweile am TV, Prominente kochen, Grönland erwärmt sich, die russische Walfangmafia wird neu organisiert, Neues auch von der Biotreibstoffront; lieber lesen, also weiter mit Billy Budd, der grandiose Stoff des unschuldig Schuldigwerdens, der Inkongruenz von Recht und Gerechtigkeit, Dostojewskij hätte daraus einen Grossroman mit weit verzweigter Handlung und viel Personal gemacht, Melville erzählt in kleinen Schritten weitgehend linear, Psychologie fehlt hier fast ganz, die Figuren werden eine nach der andern wie bei einem Casting vorgeführt, jede Szene wird vom Erzähler eigens kommentiert und hinterfragt; das Buch exponiert eine interessante Fragestellung, bleibt aber in der Ausführung trivial, Szenenfolge sprunghaft und prägnant wie im Comic; Textkomposition und Stil entsprechen in ihrer Unbedarftheit dem Titelhelden, nehmen sich wie dieser bald komisch, bald erhaben aus; so oder anders, auch wo er schwächelt, bleibt Melville der Meister der Encantadas.

 

aus: Felix Philipp Ingold: Gegengabe
zusammengetragen aus kritischen, poetischen und privaten Feldern

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