Kunstnatur

TV-Sendung über Tony Cragg. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit dem Künstler, vor vielen Jahren, in St. G.; damals war er ein angestrengter, hochkonzentrierter, mit einfachsten Mitteln und Materialien arbeitender Naturobjektkünstler, schmal und rothaarig, noch nicht ganz berühmt. Jetzt ist er ein Star, völlig kahl, mit grauer Haut, hohem Schädel, asketisch geprägt, schlicht und humorvoll; er bezeichnet sich als Atheisten, sagt, er glaube nur an das Material, an das, was da ist, und das, was naturgegeben da ist, sei so herrlich, dass viele Menschen sich einen Schöpfer dazu denken wollen. Man muss das Material engagieren, sagt Cragg, «sich ins Material verlängern», es entdecken, sich in seine Eigenart, seine Möglichkeiten hineinfinden. Der Künstler sei auch dann, wenn er vor Ort bleibe, ein Reisender («wozu nach Italien fahren, wenn man in Wuppertal arbeiten darf?»), der noch jedesmal, nach Erreichung des Ziels, mit seiner eigenen Unfähigkeit konfrontiert sei.

 

aus: Felix Philipp Ingold: Gegengabe
zusammengetragen aus kritischen, poetischen und privaten Feldern

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