Anblick

Das kann ich doch nicht gewesen sein! Was ist dieses »ich«, wer ist es, dem du derart ähnlich siehst? Und was ist dieses »er«, wer ist es eigentlich, den ich so ohne weiteres für mich sprechen lasse? Wo, wie ist »es« zu fassen? Und wer will was von wem wissen, wem was weismachen wollen? Ich jedenfalls kann mich immer nur als Bild sehen, im Bild, außerhalb der Wirklichkeit, bloß als Körper, nie in meiner Leiblichkeit. Nur im Spiegel, in einer frontalen Photographie oder in deinen Augen kann ich meinen Augen begegnen, doch mein Blick fällt nicht auf mich zurück, erreicht mich nicht, bleibt stumpf auf das Objektiv gerichtet, das auf ihn gerichtet ist. Ich wäre also »er«, der für mich spricht, jener Andere, der »du« ist, wenn er »ich« sagt. Und so fort –

 

aus: Felix Philipp Ingold: Haupts Werk Das Leben
Ein Koordinatenbuch vom vorläufig letzten bis zum ersten Kapitel.

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