Photographie

Als Photograph wirst du notwendigerweise zum Funktionär des Apparats; photographierend machst du dich selbst zunichte, verbirgst deinen Standort, deine Präsenz: nur Anfängern fällt der eigene Schatten ins Bild.

Die Photographie ist das Ergebnis eines bestimmten, also bestimmbaren Prozesses von technischen Manipulationen und chemischen Reaktionen. Das photographische Bild hält sich; es hält sich in Evidenz kraft seiner ständigen Bedrohung – deiner Angst nämlich, es könnte verschwinden; der Angst vor dem Verschwinden deines Verschwindens. Und so bleibt es denn, nachhaltiger noch als die Wirklichkeit, von der es abgezogen ist, im Gedächtnis.

Eine unverwischbare Photographie von stets gleichbleibender Farbenfrische wäre, falls es sie gäbe, ein Phänomen; unantastbare Substanz: im Korn des Bilds wäre dessen Gegenwart – wie auch deine Vergänglichkeit – besiegelt. So nimmt jede Ablichtung, gleich der Spur des Polarforschers im Eis, den Tod des Photographen recht verläßlich vorweg.

Andererseits – ihrerseits – verwischt die Photographie nicht, was sie, indem sie es zeigt, entstehen läßt: das gekörnte Bild; um deine Präsenz zum Verschwinden zu bringen, muß die Photographie im Salzbad sich zum Bild verfestigen. Denn durch nichts wird deine Abwesenheit deutlicher markiert als durch das Bild, das du dir – für mich – von der Welt gemacht hast; mit einem Fingerdruck.

 

aus: Felix Philipp Ingold: Haupts Werk Das Leben
Ein Koordinatenbuch vom vorläufig letzten bis zum ersten Kapitel.

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