Passiv

Ich erinnere mich an ein zufälliges Zusammentreffen mit Cees Nooteboom im Kunstmuseum Solothurn; wir waren beide unterwegs zu unserm Lieblingsbild, er zu Auberjonois, ich zu Thomkins. Und …
… aber was gibt’s über Bilder, zumal über Lieblingsbilder zu sagen. Das Museum bietet ja eigentlich keinen Gesprächsstoff, es ist die reine Augenweide. BERÜHREN VERBOTEN. Die Wirklichkeit der Bilder zeigt sich hier, konkret, als Schein, behauptet sich als reine Erregung.
Das Wort kommt immer danach, es wird das Bild … die Bildwahrnehmung nie wieder herstellen, nie vergegenwärtigen, nur kommentieren können, und als Kommentar rettet es nichts anderes als die Erinnerung ans Gesehene. Wir trennten uns nach einem knappen Händedruck.
Als wir uns eine halbe Stunde später … nochmals der Zufall … an der Kaffeebar wieder trafen, kamen wir ziemlich zwanglos ins Gespräch, redeten vom Wetter, vom Krieg, ganz kurz auch von Büchern und Frauen.
Nachdem wir uns bereits verabschiedet, uns voneinander abgewandt hatten, hörte ich, wohl gut ein Dutzend Schritte hinter mir, ein lautes Nein! … es klang, als riefe mich jemand beim Namen. Ich drehte mich um, Nooteboom stand drüben auf dem Kiesweg, Kinn gesenkt, Beine gespreizt, die Fäuste tief in die Taschen seines Regenmantels gerammt.
Nein! schrie er gegen den plötzlich aufkommenden Abendwind; denn die Wahrheit ist, schrie er, daß alle Bilder ihren Maler malen. So.
Eine Weile bleib er noch stehn, dann wandte er sich grußlos ab.

 

aus: Felix Philipp Ingold: Freie Hand
Ein Vademecum durch kritische, poetische und private Wälder

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