Traum

Plötzlich jetzt ist meine Sprache der Liebe so ähnlich, daß ich sie ganz für mich behalten möchte, es ist meine einzige Sprache. Die große Liebe, also niemand sonst soll mit ihr Umgang haben. Wenn sie mir die Zunge zeigt, beschlägt sich der Spiegel, aber ich will nicht, daß sie jemals etwas erfährt über die Welt, die hinter dem Spiegel beginnt. Ich möchte ihr Einziger sein, winzig ihr Knecht. Benutzt und geliebt nur von ihr. Doch dazu braucht’s mich als König, wer krönt ihn. Denn dann hätte ich das Sagen wirklich.
Und schön baue ich der Liebe den Palast, einen Gaumen inmitten der Wüste. Inmitten des Meers ist die Wüste Insel, selig nie, dort soll die Sprache ihre Bleibe haben. Dort braucht sie nichts zu bedeuten, weil niemand außer mir sie braucht.
Jetzt aber beginnt die Sprache, Fragen zu stellen. Mehr als das, die Sprachewill ganz Frage sein, und ich muß ihr die Wahrheit sagen; aber kann ich’s denn.
Denn die Wahrheit … das bin ich, wem sonst gliche sie. Im Spiegel seh ich mir beim Schreiben zu. Außer der Sprache gibt es also auch ihr Gegenteil.

 

aus: Felix Philipp Ingold: Freie Hand
Ein Vademecum durch kritische, poetische und private Wälder

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