Gerd Adloff: Metzer Eck

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Gerd Adloff: Metzer Eck

Adloff-Metzer Eck

METZER ECK 2018
Für Hendrik Liersch

Ich bin jetzt wieder öfter hier
doch trink ich nur noch Tee
es fehlt mir nichts
nur Peter, Tilo, lange tot.
Ich spiele Billard, wöchentlich
in angenehmer Runde.
Mag keinen Stress und keinen Streit
und wäre immer gern gelassen.
Die Spannung, die ich brauch
da reicht das Spiel, und Worte, die sich fügen
so überraschend, wie auch die Kugel
manchmal rollt.
Es braucht Geduld, ich lerne immer noch.
Charlotte, bitte, bring noch einen Tee.

 

Gerd Adloff liest „Metzer Eck 1978“

 

 

 

 

DIE RETTUNG
für Gerd Adloff

In jenem November im Mai, in den Monaten flüchtiger Namen, in den Jahren, die nicht wahr sein sollten,
als mich festhielt weiß der Schrecken, den Knochen die Knochen entzog,
in Stücken schnitt das Licht und aus dem Wald die Bäume nahm…
Als ich voller Furcht war

Im Drillich wie das hieß, ein Ein-und-Kein-Strich, zähle mit, Genosse, „Für die gute Sache“,
junger Mann in Sand und Schlacken, hör auf „die Gewehre“ und über rot verschmierten Böden was der Tag spricht,
sprich es nach, so sprechen alle Tage: Keine Worte, Worte nicht

Und über mir im zweiten Kopf die Stimmen Formeln rollten, auf und zu, das Knäuel versehrter Seele in den Klumpen der versehrten Seelen stieß,
unter der Glocke gegen Glocken und in der Glocke wiedersprach… Ohnmacht unterm Helm unter die Zunge fuhr,
und einer unter vielen in der weiten Unnatur um Hilfe rief, den leeren Himmel an, das Ich der weißen Bibliotheken

Als die Furcht mich hatte in der Ordnung, meine Beine warfen Schnaps und Rituale;
„Für den Frieden“ dröhnten Blech, Turbinen, krachten in die Heide die Piloten („Jung und hoffnungsvoll… ein Matsch.“),
Tiere brannten, Köpfe platzen, es wehte leere Haut davon, Gebrüll… Überall Raketen.

Sie haben mich, musste ich denken. Ich dachte: Ich werd nicht bestehen.
Ich werde nicht bestehen, auch „weil der Mensch ein Mensch ist“ und nicht barfuß geht,
dachte ich fast heiter unterm Apfelbaum, der blühte noch im Juni ungeheuer,
Hühner scharrten Würmer aus dem nassen Boden zwischen Rost und Knochen,
still wars nach den Regenschauern und die Sonne schien… Ich starrte, bis ich sah

Sie hatten mich. Im Tagesack verschnürte Jahresbatzen schützen ihre Republik,
in dumpfer Eintracht niederträchtig, Raupenschlepper trotten, Rotarsch schwingt die Keule,
Waffenbrüder für den Fortschritt mit der Vierfrucht tanzen durch die Friedenswachtgebete,
jetzt, für immer. Helm ab… Mein bewaffnetes Organ, ich dachte unterm Baum:
Wer denkt? Womit? Hier in der Irre sprach etwas in fremden Sätzen:
Wie oft noch sagst du Scheiße und es regnet nicht?
Wer weg will, soll nicht rennen. Schrei nicht…
Nicht ersticken. Du gewöhnst dich dran

Ich hatte keine Ahnung. Das war meine Rettung

Gregor Kunz, 2015

 

 

Zum 70. Geburtstag des Autors:

Abel Doering: Gerd Adloff zum 70.
pirckheimer.blogspot.com, 6.9.2022

Fakten und Vermutungen zum Autor
Porträtgalerie: deutsche FOTOTHEK

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