Gerhard Falkner: Bemerkungen zum Gedicht von Marion Poschmann

Mashup von Juliane Duda zu der Beitragsserie „Im Kern“

Im Kern

– Zum Gedicht von Marion Poschmann. Auswahl aus Marion Poschmann: Grund zu Schafen. –

 

 

 

 

MARION POSCHMANN

„Schafe aus Wachs“
„Schafe, geföhnt / Schafe, schlafbereit“
„Kühe, bewölkt“
„Enten mit schillernden Hälsen“
„rechtsdrehend linksdrehend Krähen“

Marion Poschmann: Grund zu Schafen

 

Vignetten neuer deutscher Dichter

Es gibt Parkplätze, Bushaltestellen, Karosserien, Autobahnbrücken, Geschäftsviertel, Werbeplakate, Bäume, Styroporkugeln, Kartoffeläcker, es gibt, dafür will diese Aufzählung einstehen, hardcoremäßiges Existieren, und dann gibt es mich, die Frau, die dies alles mit in ihre Gedichte nimmt, mich, einen Körper-Detektor oder Detektor-Körper für 100 Gramm Gras, einen Körper im Gegenlicht, mit einem hellen Abgrund über dem Gehirn, leise kapitulierend vor den Witterungen, mit schwebenden Endpunkten in jeder Bewegung.
Einen Körper, aufblickend zu Tieren, mit Bäumen bestickt, geblendet von inneren Himmeln, stumm und schweigend wie der Wald, und das einzige, was sich in ihm hält, so habe ich zu beklagen, ist ein schwerer Garteneimer mit Schnee.
Und vielleicht gibt es hin und wieder ein plötzliches Erschrecken über die Frage: Gibt es denn eine sexuelle Komponente?
Die Natur ist bei Marion Poschmann nicht beschränkt auf den deutschen Nadelbaum und die Kunst nicht auf das deutsche Naturgedicht. Obwohl beide von beiden etwas haben und sogar „ein Gespräch über Bäume“ durchschimmert.
Die Natur beharrt auf ihren hellblauen Wiesen mit unscharfem Gras und ihren triumphalen Einsätzen selbst für armselige Geschöpfe und gemessen wird im deutschen Landschaftsgedicht eine Fieberkurve, von der es heißt, sie sei verrußt.
Es ist immer wieder eine irgendwie beschwörende Anrufung, sei es von Kiesfeldern, Kiefernzapfen, Birkenstämmen, ein Anreißen und auch wieder ein Abschmettern von Idyllen, hinter denen sich ein Heimweh nach der Außenwelt zu verbergen scheint, einer Außenwelt, in der Gefühle sich in Sicherheit bringen ließen, deren Bestand auf dem engen Raum des Individuums immer gefährdeter erscheint.
Die Verneigung vor den eigenen Gefühlen geschieht draußen an den mit ihnen bedachten Dingen und nicht innen, am Ort ihrer Urzeugung.
Zwischen den Dingen, die im Gedicht angerufen werden, ob das Farne sind oder Erregungsmuster, Holunder oder Hologramme, arbeitet die Poesie als instabiles Medium am Festhalten einer unsichtbaren Ordnung.
Das Innere als das Erinnerte.
Dabei wird eine Robustheit der Natur rekonstruiert, auch mit dekonstruktiven Mitteln, welche die Vulnerabilität der Wahrnehmung in Schutz nehmen kann.
Die Gärten im Zeitraffer zeigen den Betrachter in Zeitlupe.
Die Idyllen sind keine Schafställe, die Dichter keine Schlafmützen, die geföhnten Schafe sind Anleitungen zum Verlernen der inneren Sicherheit, und mit dem richtigen Blick parken die Wiesen auch an der richtigen Stelle.
Kein Grund zu Schafen? Kein Grund zur Besorgnis!

Gerhard Falkner, Park – Zeitschrift für neue Literatur Berlin, Heft 63, Juni 2009

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