Hajo Kurzenberger: Zu Peter Handkes Gedicht „Die neuen Erfahrungen“

Mashup von Juliane Duda zu der Beitragsserie „Im Kern“

Im Kern

– Zu Peter Handkes Gedicht „Die neuen Erfahrungen“ aus der Textsammlung Peter Handke: Die Innnenwelt der Außenwelt der Innenwelt. –

 

 

 

 

PETER HANDKE

Die neuen Erfahrungen

1966 /
in Bayreuth /
vor einer Aufführung der Oper „Tristan und Isolde“ /
steckte ich /
auf einem Parkplatz /
zum ersten Mal /
eine Münze /
in einen Parkautomaten /:
das war eine neue Erfahrung für mich /
und weil man stolz ist /
auf neue Erfahrungen /
war ich stolz /
auf die neue Erfahrung;

Ich fragte mich:

„Wann habe ich zum ersten Mal eine Tür mit eigenen Händen geschlossen? /
Und wo habe ich zum ersten Mal in einem Stück Brot eine Ameise mitgegessen? /
Und unter welchen Umständen habe ich Wasser zum ersten Mal dampfen sehen? /
Und wo habe ich zum ersten Mal unter einem Zellophansack keine Luft mehr gekriegt? /
Und wann habe ich zum ersten Mal einen Brief EXPRESS aufgegeben?“
Einmal /
in welchem Jahr? /
erwachte ich /
zum ersten Mal in einem fremden Raum /
und bemerkte zum ersten Mal /
daß ich in einem Raum war.

Einmal /
an welchem Ort? /
rief mich jemand /
„Schnell! Schnell!“ /
zu sich /
über einen Weg /
und als ich zurückrief /
– „Ja! Ja“ /
und dann lief /
und dann ankam /
bemerkte ich zum ersten Mal /
daß ich /
früher als ich ankam /
gelaufen war.

1948 /
an der bayrisch-österreichischen Grenze /
im Ort Bayrisch-Gmain /
„in einem Haus mit welcher Nummer?“ /
sah ich /
auf einem Bettgestell /
unter einem Leintuch /
hinter Blumen /
zum ersten Mal /
einen Menschen /
der tot war.

In Österreich /
später /
„Wann?“ /
Ich weiß nicht /
„Unter welchen Umständen?“ /
Als ich einmal aufschaute /
und die Mutter erblickte /
die in einiger Entfernung /
„In welcher Entfernung?“ /
In Entfernung von mir /
am Tisch stand /
und bügelte /
überkam mich /
weil ich sie dort /
ERBLICKTE /
zum ersten Mal /
SCHAM /
so daß der Abstand /
zum Tisch /
ein Schamabstand wurde.

1952 /
im Sommer /
als ich /
(vom Leichenschmaus zum Andenken an die gerade beerdigte Großmutter nach Hause geschickt, um einem Trauergast die vergessenen Zigaretten zu holen) /
den leeren /
stillen /
Raum /
betrat /
in dem die Tote /
drei Tage lang /
aufgebahrt war /
und /
in dem stillen /
leeren /
Raum/
nichts erblickte /
als eine kleine schmutzige Lache /
aus einer Vase /
auf dem Fußboden /
hatte ich /
zum ersten Mal /
im Leben /
Angst /
vor dem Tod /
und nur weil man sagte /
daß es einem in der Todesangst /
kalt über den Rücken rinnt /
konnte ich mich /
indem ich mir /
zum Schutz /
die Worte die man sagte vorhielt /
der Todesangst /
noch einmal /
erwehren.

Später /
sah ich /
(nachdem ich immer von gefährlichen Irren gehört hatte) /
zum ersten Mal /
einen ungefährlichen Irren /:
verschüttete ich zum ersten Mal /
COCA COLA /
in den Schnee /
an der Großglockner-Hochalpenstraße /:
sah ich zum ersten Mal /
in einem Film /
auf den Befehl: HÄNDE HOCH! /
einen Einarmigen /
die Hand /
heben /:
sah ich /
zum ersten Mal /
eine Schaufensterpuppe /
mit Brillengläsern /:
hatte ich /
(als ich mich aussprechen sollte) /
zum ersten Mal /
keinem mehr etwas zu sagen.

Jetzt frage ich mich:

Wann werde ich zum ersten Mal von jemandem hören, der einen Regenschirm mit in den Tod nehmen konnte?

Heute /
(obwohl es heißen könnte: „Ich sehe es wie zum ersten Mal“) /
sehe ich /
nicht zum ersten Mal /
ein Bild /
auf dem ein Vertreter der Obrigkeit /
einem durch die Obrigkeit Vertretenen /
nachsetzt /
und nicht zum ersten Mal /
lese ich davon /
daß jemand so lange geprügelt wurde /
bis er bereit war /
auszusagen /
daß er nicht geprügelt worden war /
aber /
wirklich zum ersten Mal /
sehe ich heute /
in der Straße in der ich wohne /
vor dem HOTEL ROYAL /
auf dem Gehsteig /
einen großen Fußabstreifer liegen /
und sah vor einigen Tagen /
zum ersten Mal /
das Innere einer Rolltreppe /
und sah /
zum ersten Mal /
einen gerade geangelten Fisch /
in der Faust /
eines Königs /
und sah /
zum ersten Mal /
ZUM ERSTEN MAL /
den Kaffee /
aus der Tasse /
jäh überschwappen /
auf das weiße Tischtuch /
im TRANSEUROPAEXPRESS.

 

Peter Handkes Text „Die neuen Erfahrungen“

eröffnet die Textsammlung Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt. Dort steht er in Nachbarschaft mit Texten, die nicht vom Autor Peter Handke selbst verfaßt sind: die Zugauskünfte eines Bahnbeamten zum Beispiel, die Gästelisten Münchner Hotels unter der Zeitungsrubrik „Bei uns zu Gast“, die japanische Hitparade vom 25. Mai 1968, die Mannschaftsaufstellung des 1. FC Nürnberg vom 27.1.68, der Beginn einer als Faksimile wiedergegebenen Zeitungsnotiz, die ein zweites Mal in der normalen Schrifttype des Lyrikbandes abgedruckt wird, der Vorspann zum Film Bonnie and Clyde oder aber Beileidsbekundungen verschiedener Aufsichtsräte und Gesellschaften unter dem Titel „Um den Toten trauern“. Authentisches Sprachmaterial wird hier neu entdeckt, indem es abgeschnitten wird von der bedeuteten Wirklichkeit und seiner ursprünglichen Funktion und präsentiert wird innerhalb einer Sammlung literarischer Texte, um die gängigen Erwartungen, die der Leser an poetische Produkte stellt, zu unterlaufen, um bei ihm neue Wahrnehmungen, neue Erfahrungen auszulösen, ihm seine Wirklichkeit als eine immer schon sprachlich geformte, vermittelte, ausgelegte, determinierte bewußt zu machen.
Beschränkt Peter Handke damit Poesie auf die Reproduktion von sprachlich schon reproduzierter Wirklichkeit? Und wie steht es mit dem Merkmal individueller Einmaligkeit, der Aussprache des Subjekts im poetischen Text? In den zitierten verbalen „Fundstücken“ scheint Peter Handke nicht vorzukommen. Aber zu bedenken wäre, ob diese Texte in der Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt tatsächlich gelöst sind vom Subjekt und dessen unverwechselbaren Erlebnissen und Erfahrungen. Ob die fertigen Sprachfabrikate nicht auch dort, wo Peter Handke überhaupt nicht vorkommt, von jetzt unmöglich gemachter, unmöglich gewordener individueller Erfahrung und Ausdrucksfähigkeit handeln, indem sie dieses Defizit nämlich bewußt werden lassen. Das gilt um so mehr, als die genannten Texte nicht für sich stehen, sondern bezogen sind auf eine zweite Gruppe, die man als „existentiell imprägnierte“ Stücke bezeichnet hat. Texte wie der uns vorliegende „Die neuen Erfahrungen“ oder „Die verkehrte Welt“, „Am Rande der Wörter“, „Erschrecken“. An dieser Textgruppe zeigt sich nun deutlich, daß Handke es nicht dabei beläßt, vorgefundene Wort- und Sprachmuster oder fertige Sätze nur zu wiederholen. Er staunt über sie, erschrickt vor ihnen, aber er wundert sich auch über die Dinge, die sie benennen oder bedeuten, vor allem aber über die Kluft, die sich auftut zwischen dem, was sie als Wirklichkeit ausgeben oder gar steuern, und dem, was als Wirklichkeit dem Subjekt erfahrbar ist. Eben davon handeln die „Neuen Erfahrungen“. Wir wollen dieser allgemeinen Charakterisierung am Text genauer nachgehen.
Der erste Eindruck, den der Text vermittelt, ist eher diffus. Da scheint es kein geschlossenes Thema zu geben, kein Motiv, das durchgehalten oder entwickelt wird. Wir konstatieren ein Nebeneinander von objektiven Angaben, Jahreszahlen, Ortsfixierungen und zufälligen persönlichen Erfahrungen, ein Nebeneinander von objektiven und subjektiven Wahrnehmungen, von Gewöhnlichem und Außergewöhnlichem, schließlich, durch den Umfang und die Kontinuität der Schilderung herausgehoben, die offenbar existenzieller betreffende Erfahrung des Todes, gleich darauf wieder banale Merkwürdigkeiten, von denen man auf Anhieb kaum zu sagen weiß, was sie mit dem Vorausgegangenen zu tun haben.
Indessen zeigt sich, daß die Abfolge des Textes sehr viel kalkulierter ist, als es die nur durch die Druckanordnung gegliederte Prosa zunächst zu erkennen gibt. Der Text beginnt und endet mit der Schilderung konkreter Wahrnehmungen („1966 / in Bayreuth / …“, Z. 2f.; „sehe ich heute in der Straße, in der ich wohne, vor dem HOTEL ROYAL…“, Z. 147f.). Ebenfalls parallel, nur durch das Tempus unterschieden, sind der zweite und zweitletzte Reflexionsteil angeordnet: „Ich fragte mich: Wann habe ich zum ersten Mal…“ (Z. 15f.); „Jetzt frage ich mich: Wann werde ich zum ersten Mal…“ (Z. 129f.). Eingespannt in diesen Rahmen sind sechs Teile, die Bericht und Reflexion vereinen, offenkundig aber nach einem noch genauer zu analysierenden Prinzip steigernd aufeinanderfolgen. Der vordere Rahmenteil beschreibt eine neue Erfahrung, die der allerletzten, der überschwappenden Kaffeetasse im Transeuropaexpreß, an Alltäglichkeit und Absonderlichkeit der lokalen Bestimmung nicht nachsteht, und offenbar deshalb zur Erschütterung eines eingefahrenen, verfestigten Wirklichkeitsbildes taugt. Denn dies läßt sich schon hier als ein durchgehendes Thema des Textes ausmachen: die Spannung, die zwischen einer automatisierten, ohne Bewußtsein wahrgenommenen oder praktizierten Wirklichkeit und jenen neuen Erfahrungen entsteht, die diese scheinbar festgefügte Realität porös und rissig werden lassen und dadurch wahrnehmbar und erfahrbar machen. Das Einstecken des Parkgroschens vor einer Festspielaufführung von Tristan und Isolde in Bayreuth und der überschwappende Kaffee im Transeuropaexpreß beschreiben solche Augenblicke, welche die Verknüpfung des Nicht-Zusammengehörigen, die zufällige Kombination des Selbstverständlichen und des Außergewöhnlichen, aus der alltäglichen Erfahrung heraushebt. Eingeübte Wirklichkeit zersetzt sich, d.h. das automatisierte Verhältnis des Subjekts zur gewohnten Realität löst sich auf. Indem sich so die vertraute Realität dem wahrnehmenden Subjekt entzieht, wird dieses sich selbst fremd und merkwürdig. Aus solchen Augenblicken der Wirklichkeitserschütterung und neuen Selbsterfahrung, aus Momenten also, in denen sich Innenwelt und Außenwelt verschränken, resultiert Reflexion: „Ich fragte mich“ (Z. 15). Auch der selbstverständlichste Vorgang, das Schließen der Tür, war einmal eine neue Erfahrung, ist gelernte, inzwischen längst automatisierte Wirklichkeit. Zugleich entstehen aus dieser Erkenntnis Fragen, die auf Ungewöhnliches zielen. Wenn das Alltägliche unserer Erfahrungswirklichkeit abgesunken ist ins völlig Automatisierte, längst nicht mehr bewußt wahrgenommen und realisiert wird, warum sollte sie nicht auch Außergewöhnliches als inzwischen Selbstverständliches enthalten: die Ameise im Brot, die Atemnot unterm Zellophansack? (Z. 17/19).
Nach solch massierter Irritation der ungleichwertigen Fragen beginnt die Rückerinnerung des Binnenteils. Erfahrungen der Vergangenheit, der Kindheit und Jugend, werden durchgemustert. Vergleichsweise neutral und objektiv sind die beiden ersten berichteten neuen Erfahrungen: die des Raumes und der Zeit. Diese allgemeinen Kategorien werden nun ausgefüllt mit Lebensrealität, die erfahrenen Inhalte zunehmend wichtiger, sie betreffen das Ich persönlicher: der Tod eines Menschen allgemein (Z. 49ff.), die erstmals erfahrene Distanz zur Mutter (Z. 52ff.), also der Übergang von der fraglos gesicherten, behüteten Wirklichkeit der Kindheit zur Bewußtwerdung der eigenen Person, schließlich das Ableben eines nahestehenden Menschen, der Großmutter (Z. 73ff.).
Hier liegt der Drehpunkt des Textes: die extremste emotionale Erfahrung, die Erschütterung des Subjekts durch Todesangst, wird abgefangen und entschärft durch einen sprachlichen Gemeinplatz:

nur weil man sagte, daß es einem in der Todesangst kalt über den Rücken rinnt, konnte ich mich, indem ich mir zum Schutz die Worte, die man sagte, vorhielt, der Todesangst noch einmal erwehren.

Eine abgenutzte Floskel vermag also die Todesangst zu neutralisieren. Das sind die „häuslichen Sätze“, von denen Handkes Dramenfigur „Kaspar“ spricht, die das einbrechende Unvertraute, Beängstigende bannen helfen. Sie sind aber zugleich auch die nicht reflektierten Erklärungs- und Verstehensmodelle, die uns Wirklichkeit eher verstellen als begreifbar machen – oder umgekehrt – die uns vor der Erfahrung der Wirklichkeit schützen. Danach fährt der Text mit Beispielen fort, welche die voreilige Festlegung unserer Vorstellung durch Sprache demonstrieren (Z. 109ff.): Irre sind gefährlich, bei „hands up“ haben zwei Hände nach oben zu gehen usw. Allerdings führt dieser abrupte Übergang von der Todesbetroffenheit zu banalen Beispielen auch vor, wie durch Sprache vermittelte und fixierte Erfahrungen die Wirklichkeit beliebig machen und gleichschalten. Die noch möglichen neuen Erfahrungen sind von monströser Bedeutungslosigkeit: verschüttetes Coca-Cola am Großglockner und Schaufensterpuppen mit Brillengläsern. Andererseits ist jetzt („später / sah ich“ Z. 106) eine Stufe der Bewußtheit erreicht, auf der das Ich mit Hilfe gegenteiliger Erfahrungen die falschen Verallgemeinerungen (z.B. „Irre sind gefährlich“) schon hinter sich zu lassen vermag, sich widersetzen und verweigern kann („hatte ich / … / … / keinem mehr etwas zu sagen“, Z. 125ff.), obwohl es die Floskel nötigen will, „sich auszusprechen“.
So mündet der Text wieder in den Rahmenteil, der die Realitätsbezweiflung mit der absurden Frage auf die Spitze treibt, wann zum ersten Mal von einem die Kunde kommt, der „einen Regenschirm mit in den Tod nehmen konnte“ (Z. 130). Hinzugewonnen ist die Möglichkeit, das Sprachspiel zu durchschauen und umzudrehen: „(obwohl es heißen könnte: „Ich sehe es wie zum ersten Mal“) / sehe ich / nicht zum ersten Mal /“ (Z. 132ff.). Allein das hinzugewonnene Mißtrauen gegenüber den fertigen, manipulierenden Auslegungen von Wirklichkeit durch Sprache schafft die Möglichkeit, kritisch wahrzunehmen, auch politische Sachverhalte und ihre Tragweite zu begreifen: Formen der Gewalt und ihrer sprachlichen Kaschierung (Z. 135ff.). Um so mehr mag es verwundern, daß Handke dieses Ergebnis, die Emanzipation vom sprachlichen Klischee, und den dadurch ermöglichten Erkenntnisgewinn wieder zurückzunehmen scheint. Die neuen Erfahrungen, also die authentischen, sind nicht jene, die ein inzwischen geschärftes Bewußtsein als „nicht zum ersten Mal“ zu durchschauen gelernt hat, sondern es sind die banalen, zufälligen, die Wirklichkeit aufreißen: der Fußabstreifer vor dem Hotel Royal, das Innere einer Rolltreppe, der gerade geangelte Fisch in der Faust eines Königs, der auf das weiße Tischtuch überschwappende Kaffee im Transeuropaexpreß. Sie haben, sie sind die Kraft, die das durch sprachliche Fixierungen bedrohte Realitätsverständnis in Bewegung setzen und offenhalten und damit auch die Voraussetzung schaffen kann, die politischen Verschleierungen von Gewalt zu durchschauen.
Drei Themenkreise haben sich bei unserem ersten Durchgang durch den Text herausgeschält, die zu differenzieren und in ihrer Wechselbeziehung zu erhellen lohnend scheint: einmal das „Zum-ersten-Mal-Sehn“, das neue Erfahrungen zu vermitteln vermag, zum anderen jene Schematisierungen und Fixierungen, die neue, individuelle Erfahrungen bedrohen oder gar verhindern, und schließlich der Entwicklungs-, Bewußtwerdungs- und Erkenntnisprozeß, den das Subjekt trotz oder gegen diese Einschränkungen zu machen fähig bleibt.
Was die verschiedenen Erfahrungen bzw. Wirklichkeitssegmente im Text verbindet, ist nicht nur formal das „Zum-ersten-Mal“, das sich nicht weniger als 22mal wiederholt. Genau so auffällig, wenn auch nicht so schematisch repetiert sind jene Verben, die verschiedene Wahrnehmungsformen des Ichs bezeichnen. Um das zentrale „sah ich / seh ich“ (9mal) gruppieren sich „bemerken“, „erblicken“, „aufschauen“, aber auch akustische oder vermittelte Möglichkeiten der Wahrnehmung wie „hören“ oder „lesen“. Dagegen sind die Verben intentionaler Tätigkeit in der Minderzahl: „eine Münze einstecken“, „zurückrufen“, „laufen“, „ankommen“, „betreten“, „erwehren“. Die neuen Erfahrungen, so kann man schließen, basieren nicht auf tätiger Selbsterfahrung, sondern auf Wahrnehmung, auf der Wahrnehmung des „Zum-ersten-Mal“. Gemeint ist damit jene „Fähigkeit zu einer Art von erotischem Blick“, die Handkes Romanfigur Wilhelm in „Falsche Bewegung“ für sich in Anspruch nimmt:

Plötzlich fällt mir etwas auf, was ich immer übersehen habe. Ich sehe es nicht nur, sondern kriege gleichzeitig auch ein Gefühl dafür. … Was ich sehe, ist dann nicht mehr nur ein Objekt der Beobachtung, sondern auch ein ganz inniger Teil von mir selber. … Ich schreibe dann nicht bloß etwas Beobachtetes, wie die meisten das tun, sondern etwas Erlebtes.

So monoton und gleichmacherisch sich das wiederholende „sah ich / zum ersten Mal“ in der äußeren Textgestalt also ausnimmt, so verschieden sind die jeweiligen Bedeutungen, so unterschiedlich ist das „Erlebte“, das die jeweils identische Formulierung abdeckt. Denn Außenwelt und Innenwelt verbinden sich bei diesem Wahrnehmungsvorgang jeweils verschieden, die Einheit von wahrnehmendem Subjekt und wahrgenommenem oder beobachtetem Objekt führt zu „neuen Erfahrungen“ unterschiedlicher Erlebnisqualität und -intensität. Das demonstrieren die Textpassagen des Rückerinnerungsteils. Freilich, die beiden ersten objektiven Erfahrungen, die Grundbedingungen jeder Wahrnehmung, Raum und Zeit, haben schon eine persönliche Färbung, leiten sich aus einer speziellen Erfahrung her: ausgelöst wird die generelle Erfahrung des Raumes durch einen besonderen, einen fremden Raum (Z. 21ff.). Er fördert das „Erwachen“, auch das des Subjekts in übertragener Bedeutung. Allerdings: die Wahrnehmungsweise, die das Verb „bemerkte ich“ ausdrückt, verweist noch kaum auf Erkenntnisgewinn im Sinne einer Erweiterung der bisher vermessenen Welt. Es bleibt wie auch in der folgenden Zeiterfahrung beim Konstatieren einer vorher nicht wahrgenommenen Erfahrung. Die dritte Erfahrung (Z. 41ff.) legt die Wahrnehmung erstmals auf die optische Dimension fest („sah ich“), und dies wird um so mehr betont, als die optischen Details gleichrangig zum toten Menschen ins Blickfeld gerückt werden: „auf einem Bettgestell / unter einem Leintuch / hinter Blumen /“ (Z. 46ff.). Noch bleibt die Erlebnisqualität zurück, die Unfaßbarkeit des Todes findet im bloßen Registrieren der optischen Wahrnehmungen ihre Entsprechung. Einen entscheidenden qualitativen Sprung bringt erst die vierte Erfahrung des Rückerinnerungsteils. Nicht nur wird der Wahrnehmungsvorgang differenziert in „aufschauen“ und „erblicken“, es wird durch die begründende Wiederholung von „erblicken“ und die Veränderung im Druckbild (ERBLICKEN) signalisiert, daß die ausgelöste Empfindung, die Intensität des Erfahrenen auf einem Akt des Bewußtwerdens beruht, der bisher nicht vorkam. Aus der optischen Wahrnehmung wird Erkenntnis, die sich zugleich in ein Gefühl („SCHAM“) umsetzt. Endgültig und ganz auf die Innenwelt verlagert ist die letzte Erfahrung beim Ableben der Großmutter. Und dennoch, das bedrängendste Gefühl (Todesangst) bedarf eines, wenn auch nichtigen, optischen Anlasses („nichts erblickte / als eine kleine schmutzige Lache / aus einer Vase / auf dem Fußboden“, Z. 85ff.). So bleiben bei allen „neuen Erfahrungen“ Innenwelt und Außenwelt aufeinander bezogen, bedingen einander die Differenzierung und Intensivierung bei der Wahrnehmung der äußeren Wirklichkeit, die innere Betroffenheit des wahrnehmenden Subjekts und die Erweiterung seiner Erkenntnis. Eben dies will auch Handkes Titel Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt sagen: Wirklichkeit kann nur wahrgenommen und neu erfahren werden in einem Vorgang, der die vorgebliche Trennung zwischen Innenwelt und Außenwelt aufhebt bzw. irrelevant macht, weil die Erfahrung von Realität nicht ablösbar ist von der Selbsterfahrung, die eigene Betroffenheit (Innenwelt) und Wahrnehmung und Erkenntnis (Außenwelt) miteinander korrelieren.
Von der Todesangst, der emotional stärksten Wirkung, der das Ich im Text ausgeliefert ist, wechselt der Text unvermittelt auf Wahrnehmungsformen, die seine Bewußtheit und die jetzt hinzugewonnene Souveränität und Freiheit belegen. „Sah ich“ impliziert jetzt die Möglichkeiten, das Wahrgenommene zu anderen in Vergleich zu setzen, den Vergleich auszuwerten, die neuen Erfahrungen einzuordnen, auf sie mit Verweigerung zu reagieren, die neuen Erfahrungen und Erkenntnisse spekulativ auszuwerten: „Jetzt frage ich mich“.
An der Erweiterung von Wahrnehmung und Erkenntnis, die sich im scheinbar identischen „sah ich“ verbirgt, läßt sich aber auch der Entwicklungsgang des Ich verfolgen. Es ist der Weg zunehmenden Bewußtseins, und es ist zugleich der Geburtsvorgang eines kritischen Bewußtseins, das die Wirklichkeit neu und genauer zu begreifen unternimmt. Am Anfang stand Bedrohliches, auch dort, wo es scheinbar um Objektives ging, „ein fremder Raum“, ein Zuruf („schnell, schnell“), der Gefahr signalisiert. Der Tod als das schlechthin Unfaßbare und Nichtbegreifliche, die endgültige Abnabelung von der Mutter in der Erfahrung der Schamdistanz, die existenzielle Erschütterung des Ich in der Todesangst waren die weiteren Stationen einer durch neue Erfahrungen vorangetriebenen Entwicklung, die schließlich in die Freiheit des Bewußtseins und seine Möglichkeiten der Reflexion zu münden scheint.
Allerdings, worauf sich das Bewußtsein jetzt richtet, das, was durchschaut wird, ist kaum weniger bedrohlich als die Bedrängnisse der Kindheit und jener Entwicklungsphasen, in der sich Ich-Bewußtsein und Individualität zu bilden begannen: Irre, Verstümmelte, Puppen, Menschen, die von anderen zu Objekten entwürdigt werden, Menschen, denen Menschen physisch Gewalt antun, Anstelle der Bedrohung des eigenen Ich scheint die Beobachtung von Bedrohung an anderen getreten zu sein. Aber Bedrohliches bleibt auch hier nicht auf die Außenwelt beschränkt. Bedroht ist auch die hinzu gewonnene Freiheit des Bewußtseins, die Möglichkeiten der Reflexion.
Dies demonstriert der Text auf einer anderen Ebene, nämlich der seiner formalen Organisation. Seine sprachlichen Verfahren reflektieren bestimmte Schemata und verschiedene Möglichkeiten ihrer Durchbrechung.
Die Schilderung der ersten neuen Erfahrung wird strukturiert von jenem Frageschema, das auch den folgenden Reflexionsteil („Ich fragte mich“, Z. 15ff.) bestimmt: 1966 („Wann“), in Bayreuth („Wo“), vor einer Aufführung der Oper Tristan und Isolde („unter welchen Umständen“). Dieses Schema wird im Gesamttext abgehandelt, variiert, aufgelöst. Bei der ersten neuen Erfahrung ist es gekoppelt an jenes gleichmacherische und nivellierende „man“, das die Begründung darstellt für die Reaktion auf die neue Erfahrung: „und weil man stolz ist / auf neue Erfahrungen / war ich stolz / auf die neue Erfahrung“ (Z. 11ff.). Diese Begründung ist normativ vorgegeben, das Ich gleicht sich dieser Norm an, paßt sich ein ins vorgegebene Muster. Die neue Erfahrung löst aber nicht nur diesen Einordnungs- und Anpassungsvorgang aus. Sie ermöglicht einen Überschuß des Ich, das nicht völlig aufgeht im „man“. Dieser Überschuß erbringt als Resultat der neuen Erfahrung an sie anschließende, einsetzende Reflexion: „Ich fragte mich.“ Ihr Fragenkatalog freilich unterliegt wiederum dem Schema, „wann, wo, unter welchen Umständen“, dessen Festgelegtheit und dessen festlegende Gewalt in der spiegelbildlichen Anordnung der Fragen sichtbar werden, Ausdruck der in sich kreisenden Reflexion (Z. 15 bis 20). Auffallend, den Leser verstörend ist die Ungleichwertigkeit der formulierten Fragen, sie richten sich auf Alltägliches und Außergewöhnliches. Unter unserem neuen Gesichtspunkt wäre daraus zu schließen: das formale Schema dominiert den Inhalt. Freilich, dieser treibt, in seiner Mischung von Gewöhnlichem und Außergewöhnlichem, den Prozeß des Fragens voran, führt hinein in die Rückerinnerung. Die Erinnerung an die erstmalige Erfahrung des Raumes behält nur eine Frage und Kondition des Schemas bei: die Wann-Bedingung („in welchem Jahr?“). Die anderen Orientierungs- und Ordnungskategorien werden fallengelassen. Das bedeutet, der Inhalt der Erfahrung setzt sich hier erstmals durch und läßt das Schema hinter sich. Das gilt auch für die nächste Erfahrungseinheit, die der Bewegung, die nur die Frage nach dem Ort enthält. Die folgende erste Todeserfahrung (Z. 41ff.) hingegen nimmt wieder alle Orientierungs- bzw. Verstellungskategorien des Schemas auf, einmal in der Fixierung der Zeit- und Ortsangabe, die durch die zusätzliche Frage nach der Hausnummer präzisiert werden soll, zum andern in den Umstandsbestimmungen, die im buchstäblichen Sinne die Todeserfahrung verstellen („sah ich / auf einem Bettgestell / unter einem Leintuch / hinter Blumen /“, Z. 45ff.) und die im sprachlichen Vollzug der Rückerinnerung durchlaufen und gleichsam weggeräumt werden müssen, bis der Mensch, der tot ist, sichtbar wird.
Mit den zunehmend persönlicher und individueller werdenden neuen Erfahrungen nimmt die Kritik am vorgegebenen Schema der Orientierung und Reflexion noch zu. Jetzt werden die Zwischenfragen mit gesteigerter Intensität gestellt (sie sind als direkt gestellte Fragen durch Anführungsstriche ausgewiesen), sie werden aber auch mit verstärktem Impuls beantwortet, ja mit Aggressivität abgetan. Das Diktat des Schemas wird offenbar als lästig empfunden, der Befragte (daß es sich um einen Dialog des Sprechenden mit sich selbst handelt, weist der Beginn der wörtlichen Rede – Z. 16 – aus) wehrt die Zwischenfragen geradezu unwillig ab, äfft den Frager, indem er antwortet, wie Kinder es trotzig und provozierend tun, wenn sie auf die Frage „warum?“ „darum“ antworten („in welcher Entfernung?“ / „in Entfernung von mir“, Z. 60f.). Damit wird die Mechanik solchen Fragens und solcher Reflexion aufgedeckt, zumal die Anführungszeichen die Fragen als Zitate, also als Wiederholungen, vorführen. Das ist neu und eine Steigerung, denn der Zitatcharakter der Zwischenfragen wird erst jetzt als solcher festgestellt (die Zwischenfragen der Raum- und Bewegungserfahrungen waren nicht so gekennzeichnet). Zugleich wird die Unsinnigkeit von Fragen, die nur auf die äußere quantitative Dimension zielen, thematisiert. Der „Schamabstand“ von der Mutter ist nicht mit der Frage nach der numerisch festgelegten Distanz beizukommen, er ist nur qualitativ zu erfahren und darzustellen. Das geschieht in der sprachlichen Realisierung eben dieser Erfahrung. Das erstmalige ERBLICKEN (Z. 66) der Mutter, das beim Sohn Scham auslöst, wird in der Beschreibung dieses Vorgangs bzw. seines Ergebnisses sichtbar. Der Schamabstand zur Mutter verwirklicht sich im Text. Der Blick des Sohnes, der erstmals die Scham vor der Mutter hervorruft, kann sich bei der Bestimmung des wahrgenommenen Abstandes nicht mehr auf die Mutter richten, die eben diesen Abstand verursacht. Er bleibt schamhaft am Tisch haften, wird nur in der Entfernung zu diesem und damit als qualitative und nicht quantitative Erfahrung sichtbar.
Die gleiche sprachliche Verwirklichung des Geschilderten konstituiert auch die Erfahrung der Todesangst. Hier treibt die verzögernde Sprechphaseneinteilung schrittweise die Einzelheiten dieser Erfahrung hervor („den leeren / stillen / Raum / betrat / …“, Z. 76ff.). Diese sind stärker (deshalb auch optisch isoliert und akzentuiert) als die summierende, abstrahierende Zusammenfassung von Zeit-, Orts- und Umstandsbestimmung („1952 / im Sommer / …“, Z. 72f.). Zwar werden die Umstände genau und ausführlich referiert, ihnen wird aber als Ganzes nur die Einheit einer Sprechphase zugemessen („[vom Leichenschmaus zum Andenken an die gerade beerdigte Großmutter nach Hause geschickt, um einem Trauergast die vergessenen Zigaretten zu holen]“, Z. 75). Dies geschieht im deutlichen Kontrast zu den folgenden Sprechphasen, die jedes Detail dieser Erfahrung als in sich abgeschlossene Einheit fassen und damit hervorheben. Daß die Todesangst nur durch das sprachliche Muster gebannt und einem vom Leib gehalten werden kann („und nur weil man sagte / …“, Z. 96), markiert den Beginn jener Einpassung in das „man“, die bei der ersten geschilderten neuen Erfahrung so selbstverständlich funktionierte, wenngleich sie zum Ausgangspunkt der Reflexion und Erinnerung wurde und damit den Anfang des Versuchs bezeichnet, sich von der Herrschaft der sprachlichen Muster zu befreien.
Die jetzt folgenden neuen Erfahrungen beziehen sich bewußt auf das Gemachte, Hergestellte solcher Schemata. Sie formulieren das hinzugewonnene Bewußtsein von den Konventionen, die die Erfahrungen und das Bewußtsein fixieren, zugleich aber auch, daß die Konventionalisierungen nur durch konventionsdurchbrechende Erfahrungen aufgehoben werden können (der Einarmige, der auf „Hände hoch!“ die Hand hebt, die Schaufensterpuppe mit Brillengläsern, Z. 115ff.). Das führt zum Verzicht auf Konventionalisierung, wie sie die Sprache vornimmt und diktiert („hatte ich / [als ich mich aussprechen sollte] / zum ersten Mal / keinem mehr etwas zu sagen“, Z. 125ff.), und zu einer zugespitzten, auf Zukunft gerichteten Spekulation und Reflexionspointe, die auch die absurdeste neue Erfahrung für möglich hält: „Wann werde ich zum ersten Mal von jemandem hören, der einen Regenschirm mit in den Tod nehmen konnte?“ (Z. 130). Diesen Satz zeichnet aus und hebt hervor, daß er nicht der üblichen Einteilung in Sprechphasen (gekennzeichnet durch die Längsstriche) unterliegt. Dies mag signalisieren, daß solche neue Erfahrung abgemessenes Sprechen unmöglich machen würde, aber auch die Grenzen solcher Formgebung (und die damit drohende Verfestigung) sprengt. Denn die Aufhebung des Sprechphasenschemas korrespondiert auffällig mit einem Motiv, das sich im Text wiederholt: das verschüttete Coca-Cola und die jäh überschwappende Kaffeetasse. Auch hier wird Begrenzung, das Schützende, das Umfassende, das Diktat der Form (Flasche, Tasse), aufgehoben: überschwappen und Verschütten ist ein Formlos-Werden, das in dieser Bewegung auf Form und ihre Funktion aufmerksam macht. Auch wird das Schema überwunden, die Konvention befleckt.
Das kritische Bewußtsein davon ist, wie wir gesehen haben, innerhalb des Textes längst gewonnen und kann vom Reflektierenden angewandt werden. Der falsche sprachliche Schein („[obwohl es heißen könnte: ,Ich sehe es wie zum ersten Mal‘]“, Z. 132), die sprachlichen Muster, von denen „man sagen könnte“, von denen „es heißen könnte“, werden durchschaut. Das Ich sieht deshalb nicht zum ersten Mal. Freilich wird die Möglichkeit dieses kritischen Sehens sofort wieder eingeschränkt. Der Wirklichkeitsgrad dieser Wahrnehmung ist weniger real als jener der abschließend aufgezählten Erfahrungen, die an jene anknüpfen, mit denen der Text begann. Dort, wo ein kritisches Bewußtsein zu durchschauen gelernt hat, was es „wie zum ersten Mal“ sieht, obwohl es „nicht zum ersten Mal“ sieht, ist Vermittlung im Spiel: das Bild („sehe ich / nicht zum ersten Mal / ein Bild“, Z. 133ff.) und der auswählende, kommentierende, wertende, manipulierende Text („lese ich davon“, Z. 140). Von diesen vermittelten Erfahrungen unterschieden sind die wirklichen Erfahrungen. Sie sind nur im konkreten, unmittelbaren, persönlichen Erfahrungsbereich des Ich zu machen („wirklich zum ersten Mal / sehe ich heute / in der Straße, in der ich wohne /“, Z. 146ff.). Das Ich macht sie als Augenzeuge am Tatort, auch wenn es sich um sehr gewöhnliches Ungewöhnliches handelt, z.B. den großen Fußabstreifer vor dem Hotel Royal oder das Innere einer Rolltreppe. Diese Art von authentisch-empirischer Wirklichkeitserfahrung ist offensichtlich nur dort möglich, wo Realitätspartikel zufällig eine Kombination eingehen, die aus dem Rahmen und das bedeutet, aus der herkömmlichen und deshalb automatisierten Erfahrung von Wirklichkeit fällt („und sah / zum ersten Mal / einen gerade geangelten Fisch / in der Faust / eines Königs /“, Z. 155ff.). Wie schnell sich Konventionen und Schematisierungen einstellen und damit neue Erfahrungen unmöglich machen, demonstriert der Schluß des Textes: das, was in ihm thematisiert wurde, das „zum ersten Mal“, hat sich im Voranschreiten, in der Wiederholung des Textes verbraucht, ist zur floskelhaften Konvention geworden. Ihre letzte Wiederholung und das veränderte Druckbild („ZUM ERSTEN MAL“, Z. 162) wollen den Automatisierungsvorgang, der im Verlauf und Fortgang des Textes stattgefunden hat, durch die Verdoppelung sichtbar machen. Damit demonstriert und reflektiert der Text auf der zweiten Ebene, was sein Gegenstand auf der ersten war: die Bedingungen, Unmöglichkeit und Möglichkeit neuer Erfahrungen und deren Vermittlung durch Sprache.

Aus Peter Bekes, Wilhelm Große, Georg Guntermann, Hans-Otto Hügel und Hajo Kurzenberger (Hrsg.): Deutsche Gegenwartslyrik, Wilhelm Fink Verlag, 1982

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