Jörg Fauser: Trotzki, Goethe und das Glück

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Jörg Fauser: Trotzki, Goethe und das Glück

Fauser-Trotzki, Goethe und das Glück

KREUZBERG

Die Trödler räumen die Nachlässe aus
Es riecht nach Kebab, Schnaps und Tod
Und jeder wacht morgens doch lieber auf
Und kämpft um das tägliche Brot
Im Sommer hocken sie vor den Häusern
Und warten, daß etwas geschieht
Menschen, die schon lang gewartet haben
Auf etwas, das uns allen blüht

aaaaaKreuzberg liegt im Westen von Berlin
aaaaaBerlin liegt im Osten von Babylon
aaaaaEs steht auf allen Mauern geschrieben:
aaaaaWas andre kriegen, das war hier schon

Hier bleibt das Leben, was es immer war
Es hat ein vertrautes Gesicht
Die Toten loben die Dunkelheit
Die Lebenden brauchen mehr Licht

In tausend Kneipen dröhnt der alte Beat
Die Hunde kriegen auch ihr Bier
Dann wanken sie zusammen durch die Nacht
Mann, Frau, Vergangenheit und Tier

aaaaaKreuzberg liegt im Westen von Berlin
aaaaaBerlin liegt im Osten von Babylon
aaaaaEs steht auf allen Mauern geschrieben:
aaaaaWas andre kriegen, das war hier schon

 

 

 

Der Band enthält die Gedichte der Einzelausgaben:

Die Harry Gelb Story

„Als Fauser 1972/73 die Gedichte der Harry Gelb Story schrieb, machte er Schichtdienst bei der Gepäckabfertigung des Frankfurter Flughafens und fand in Bornheimer Kneipen Ersatz für die Drogenszene, aus der er ausgestiegen war. Eine Brauereireklame im legendären ,Schmalen Handtuch‘ reduzierte den sozialdemokratischen Imperativ ,Kultur für alle‘ auf die knappe Formel: Dir und mir & – Binding Bier. Unter solchen Umständen schreibt man keine preziösen keimfreien Schmonzetten.“ Carl Weissner
(Die Gedichte erschienen erstmals 1973 im Maro Verlag, Gersthofen)

Trotzki, Goethe und das Glück (Gedichte 1975–1979)

Fauser, der durch seine ausgezeichnete Marlon-Brando-Biographie von sich reden gemacht hat, hat auch in seinen Gedichten den Dreh voll raus. Und er riskiert viel: trotz ironischer Distanz ist er hart am Ball, so offen und aufrichtig, wie nur einer schreiben kann, der nichts mehr zu verlieren hat. Seine Schreibe berührt, weil er sich voll einbringt, besessen von der Lust zu leben, trotz aller Hang-over. Und er weiß, wovon er spricht. (…) Das alles in einer Sprache, die frei ist von literarischen Schnörkeln und artifiziellen Mätzchen. Klaus Bär im tip 1979.
(Erstmals erschienen 1979 im Verlag Rogner & Bernhard, München)

Café Grabbe (Gedichte und Songtexte aus dem Nachlaß)

Die Gedichte entstanden größtenteils in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre. Die Songtexte wurden zwischen 1977 und 1985 geschrieben. Einige davon wurden vom Musiker Achim Reichel vertont und auf Schallplatte aufgenommen.
(Erstmals erschienen 1990 im Verlag Rogner & Bernhard 2001, Hamburg)

Der Blues geht nicht weiter

… Die Gedichte sind die Werke von Fauser, in denen er am deutlichsten zu erkennen ist. Das sagen auch alle Zeugen. Die Harry Gelb Story ist das Flüstern und Schreien einer verzweifelten Seele, und das ist keine Pose, nichts Erfundenes. Er war mit zwanzig in England und verkehrte mit Anarchisten, er hatte als Krankenpfleger gearbeitet, sich in Istanbul auf dem Tod seine Schaufel gehockt, war eine Randfigur der 68er-Bewegung, fand nirgendwo seinen Platz, ein ehemaliger Junkie, der mit Schnaps und Bier dagegen ankämpfte und am Frankfurter Flughafen arbeitete oder als Nachtwächter, als 1973 das Buch erschien und alles rauserzählte, mit einer Atmosphäre von Ihr-kriegt-mich-nicht und Fuck-off-Welt im Hintergrund. Am Ende der Vergangenheit der Stand der Dinge:

Geruch nach Gulasch und Pisse im Hinterhof
City
die sich in den Wind schießt
nicht die Spur einer Möse
immer der gleiche Schmant auf dem Teller
jemand sagt das bist du
deine Zigarre zu vierzig und dein Pint zu Null
krepierte Fliegen im Schnapsglas…

„So grobe Brocken schrieb keiner, er stand ja absolut an der Wand, aber er hatte auch diesen absoluten Überlebenswillen“, sagt Benno Käsmayr, in dessen Maro Verlag im Jahr davor schon Tophane erschienen war; und „wenn Bukowski bei Maro, dann auch Fauser, das war keine Frage“. Der Dichter war seinen Gedichten so nah, daß der Verleger bald nichts mehr zu tun haben wollte mit diesem groben Brocken, der sich nicht benahm, als würde er nicht an der Wand stehen.
„1972/73, fing wieder an Gedichte zu schreiben um aus dem Avantgarde-Cut-up etc. Kreis zu kommen. Einfluß Bukowski“, schrieb Fauser Jahre später in einem Lebenslauf.“

Seine Favoriten waren Jack Kerouac und William S. Burroughs, und einen besseren Schnittpunkt für Reisen, Schreiben, Drogen, In-Sein und antibürgerlich gab es nicht. Nach den ersten Gedichten orientierte er sich an Burroughs: Er war Junkie, er schrieb darüber, er war das Symbol der „Avantgarde-Cut-up“-Literatur. Die Schreibmethode Cut-Up bedeutet, verschiedene Texte zu zerschneiden und neu zusammenzubauen, eine Collage-Technik, die das lineare Erzählen ersetzt. Es ist eine gute Methode, um einen Eindruck zu vermitteln, was in einem von Drogen angefeuerten Gehirn passiert, und auf die Art schrieb Fauser sein erstes Buch Tophane
Am Ende seiner Cut-up-Tests wußte er, daß die Methode für ihn nicht paßte, zu kunstfertig und weit weg von seinem Leben war. Und er wußte, daß man es damit nicht zum professionellen Schriftsteller bringen konnte. Und die Szene des literarischen Undergrounds mit seinen Heftchen gefiel ihm kaum besser als der etablierte Literaturbetrieb oder damals die 68er-Gruppen.
Von den Drogen zum Alkohol, vom exotischen Ort zur Straße vor dem Fenster, vom Experiment zum realistischen Gedicht: genau diese Bewegung zeigt Die Harry Gelb Story, eine Serie von literarischen und autobiographischen Dokumentarphotos…

Franz Dobler, aus dem Nachwort

 

Allein mit dem gefesselten Fetzen Sprache

Man glaubt zuweilen, den eigenen Ohren nicht trauen zu können, wenn sich im Vergleich von Versen 35 Jahre überhaupt nicht bemerkbar machen, obwohl das Neue und die Neuheit nach wie vor in hohem Ansehen stehen, ja unabdingbar erscheinen, wenn es um Kunst geht. Ein Verspaar aus dem Neubuch (yedermann 2008): ein laster holpert übers kopfsteinpflaster, kreuzt / noch voller vorsicht die waldenserstraße. Ein Verspaar von 1973: Bergerstraße Sonntagabend gegen sieben / der Buchmacher fegt die zerrissenen Wettscheine zusammen. Kleinschreibung und Interpunktion können hier nicht als poetische Neuigkeit in Rechnung gestellt werden: Die Suche nach Konkretem, Echtem, nach einer lyrischer Relevanz, nach einer groben Wirklichkeit, jenseits der vom Dichter hausgemachten, ist nach wie vor auf der poetologischen Tagesordnung. Man kann Jörg Fauser, der 1973 das zweite Verspaar ver­öffentlichte, als einen Taufpaten dieser Suche nach einem Blickkontakt mit der Wirklichkeit ansprechen.
Schon allein, um die Tradition dieser Tendenz zu betrachten, lohnt sich ein Blick auf diesen nicht angemessen bekannten Dichter der 70er- und 80er-Jahre. Aber das ist noch das mindeste: Jörg Fausers Lyrik besitzt eine Unmittelbarkeit, einen Sättigungs­grad und eine Deutlichkeit der Bilder, die z.B. auch am gegenwärtigen Punkt dieser Tradition vielen Versen beim Abtasten der Realia abgeht.

Mit den Gesammelten Gedichten Jörg Fausers ist, aller Zeit zum Trotz, ein in jenem ästhetisch positiven Sinne sehr neues Buch vorhanden. Der vorliegende Band stellt den vierten Teil der Fauser-Gesamtausgabe dar, die seit 2004 im Berliner Alexander Verlag erscheint. Das massive, fest gebundene Buch versammelt alle greifbaren Verse Fausers, und die beiden zu Lebzeiten des Autors erschienen Gedichtbände stellen nur ein gutes Drittel des Korpus. Neben den Songtexten, die in den 80ern für Achim Reichel und Veronika Fischer entstanden, finden sich auch die Gedichte aus dem Nachlass, die gute hundert Seiten füllen. Wiederum ein knappes Drittel der nach­gelassenen Gedichte wurde aus den Manuskripten Fausers ediert, und ist in dieser Gesamt­ausgabe erstmals dem Publikum zugänglich. Im Anhang finden sich ein enthu­siastisches Nachwort von Franz Dobler, sowie der Abdruck zweier Gespräche, die der Verleger Alexander Wewerka mit Achim Reichel und Veronika Fischer geführt hat.

Eine verslumte, von Betäubungs­mitteln aller couleur verheerte und ausweglos triste Welt, wie sie die Bildsprache der Gedichte bestimmt, war Jörg Fauser aus erster Hand bekannt. Der 1944 in Bad Schwalbach geborene Fauser geriet 1966, nachdem er ein Studium der Ethnologie und der Anglistik abgebrochen hatte, in die Abhängigkeit harter Drogen; unstetes Leben in Istanbul, West-Berlin und Frankfurt. Um 1972 verschob sich die Sucht, allerdings hinein in den Alkohol. Die 80er-Jahre über lebte Fauser in West-Berlin und München, wo er am Morgen nach seinem 43. Geburtstag, als Fußgänger auf der Autobahn, mit 2,64 Promille, von einem Lastwagen überfahren wurde. Der Lyriker Fauser, um den es hier geht, veröffentlichte zwar „nur“ zwei Titel: Die Harry-Gelb-Story, 1973 und Trotzki, Goethe und das Glück, 1979. Diese zwei Bände aber enthalten wichtige Dichtungen, nicht zuletzt in Bezug auf den überseeischen Kulturimport, den sie leisteten. Die prägenden Vorbilder der deutschen Nachkriegslyrik rückten hier fort von der europäischen, sog. Klassischen Moderne, hin zur amerikanischen Tradition eines Charles Bukowski, Jack Kerouac und William S. Burroughs.

Fausers Lyrik montiert und verdichtet gesehene Bilder, aufgefangene Wörter, Orte und Namen zu einem Destillat von knapper Erzählung und erzählender Szene. Mit einem scharfen Blick führen diese Gedichte auf Straßen und Schauplätze bundesdeutscher Tristesse. Die Haltung des lyrischen Ichs zur umgebenden Welt ist dabei nicht einfach und eindeutig: die Welt ist unübersichtlich, und keine Ideologie lindert mehr den Perspektivismus. Aus der Mitte einer revoltierenden, radikal antibürgerlichen Existenz spricht hier der Überdruss am „Anti“ immer schon mit: Fauser war, wie es in dem autobiographischen Roman Rohstoff heißt, ein Außenseiter, der auch bei den Außenseitern auf der Außenseite saß. Das müde Ich packt seine Missgunst in Flüche, in alle Richtungen, nach oben und unten, nach links und rechts, oder erzählt knappe Geschichten, deren Figuren sich selbst entlarven.
Das Titelgedicht des zweiten Lyrikbandes beispielsweise, Trotzki, Goethe und das Glück, führt die Hardliner, die Mitläufer, die ganze und jegliche Revolution vor. Die Sprache konzentriert sich dabei zu größter Lakonie, ohne einfach zu werden: aus dem Fluchtpunkt einer kleinen Liebesgeschichte entrollen sich ganze Lebensläufe und -haltungen.

Kaum war ich von der Spritze runter,
tappte ich in die nächste Falle:
die Revolution.

Die Revolution hieß Louise,
hatte unglaublich schmale Hüften,
blitzende Augen, flatterndes schwarzes
Haar, kam aus Paris
und war Trotzkistin.

Das Pärchen genießt nun Liebe und Kommunismus in einem besetzten Haus, aber als das lyrische Ich zu sehr genießt, und gesteht, glücklich zu sein, geht alles schief.

Und Trotzki? Schrie Louise,
und die Genossen im Knast?
Dein bourgeoises Glück, pah! Bier
und Gedichte, während die Revolution
organisiert wird!

Jahre später, nach gewalttätiger Trennung, sitzt Louise nicht im Pariser Zentralkomitee, sondern hat einen Goetheforscher geheiratet, das ist das lapidare Ende vom Lied. Aber bis zum Schluss stellt sich keine polemische Eindeutigkeit her. Alle Wörter sind gesetzt, um sich gegenseitig und das Leben, aus dem sie kamen, zu verunsichern. Selig / sind die Liebenden, der Rest der Welt / ein Missverständnis, heißt es in dem wunderbaren Gedicht Geschichte von der riesigen Finnin.

Die Gedichte Fausers prägt die Unmittelbarkeit, hinter der viel Arbeit steht und kalkuliertes Niederschreiben, und die sich nicht selbst als bloße Erlebniserzählung auslaugt (vgl. nicht nur die neuere Literatur: dieses schönste Paradox der Kunst findet man ja schon in den Zeichnungen von Urs Graf, bei Goethe und Heine, Haydn, etc., das kennzeichnet m.E. die berüchtigte „Hochkultur“). Das Verstörende und Überwältigende an dieser Lyrik ist aber zudem, dass sie, vor diesem Erfahrungshintergrund gesehen, überhaupt existiert, dass der Textdrang in Fauser stark genug war, um sich aus seinem Leben heraus an den Schreibtisch zu ziehen. Ähnlich abenteuerlich Gestalten, man denke etwa an Rimbaud, hatten das Schreiben über Lust und Misere gleich sein gelassen. Aber vielleicht ist das auch eine deutsche Angelegenheit, dass einer sich so vollständig aus der ihm bekannten Schriftwelt hinauskatapultiert, um sich später, wiederum gestaltend, ästhetisch revolutionär, mit neuen Einflüssen und einem Leben, wie von ganz woanders her, wieder in diese Schriftwelt hineinzukatapultieren.

Tobias Roth, poetenladen, 2.2.2009

„Komm in die Falle, Marie…“

− Jörg Fauser als Lyriker und Songtexter. −

Hinter der antiästhetischen Schmutzigkeit schimmert bei Jörg Fauser immer ein unbändiger, geradezu politischer Lebens- und Liebeswille auf.
„Na ja sagte ich, warum gibste dich auch nicht / mit dem Butterbrotpapier zufrieden. / Grass, sagte Carl. / Yek, sagte ich. / Dann war ’s ’ne Weile still.“
Jörg Fauser im Duett mit Charles, Carl, Bukowski, ihr Unterhaltungsgegenstand: Butterbrotpapier und Literatur. 1973, Günter Grass im Stadium der Schulbuchkanonisierung angelangt, die junge deutsche Nachkriegsliteratur saturiert, denn „laß die andern ran, bei uns / reichts doch höchstens zum Stinkfinger / mit’ner abgelutschten Ginsberg-Schwarte – / poetry, dann verschwand Carl / im Schlafzimmer, ich goß den Rest runter.“

Bereits diese kurz an- und abgerissenen Verse machen deutlich, worum es hier nicht geht, es geht nicht um ein Ankommen, weder um moralische Läuterung noch um sonstige Zeigefinger, worum es geht, lässt sich nur implizit, zwischen den Zeilen atmen, mehr eine Stimmung wird transportiert denn eine Aussage, nämlich: Grass in Ehren, aber so etwas könnte man einfach nicht mitmachen, so (einfach?) ist das wohl alles nicht. Saufkollegen. Punk. Wasted. Dann doch besser die Tresenlakonie als Stilmittel, immer kurz vor dem endgültigen Absaufen und Verstummen, „Yek“.

Potenzierter Blick
Ein wenig überrascht stößt man beim Aufschlagen der vorliegenden Fauserschen Gedichtsammlung Trotzki, Goethe und das Glück auf ein Porträt des Dichters am Grab von Gottfried Benn, ein unbeteiligter Blick zur Seite und doch eine zarte Annäherung, eine Positionierung. Man darf diese Gedichte nicht als nur antibürgerliche Ablehnung des Literaturkanons missverstehen, sie speisen sich, im Gegenteil, aus Teilen dieser Strömungen, mit Fausers Brille sieht man den brutalen Blick von Gottfried Benn in potenzierter, weil selbst durchlebter, Form: Fauser im Junkieviertel Istanbuls, der Tod sitzt einem im Nacken, Gedichte wie im Krieg, z. B. „Manchmal mit Lili Marleen“: „Und die anderen / die sich in Cold-Turkey-Gefängnissen aufhängten […] was ist Leben am Ende als ein Tropfen in der Kanüle / oder Tod etwas anderes als sich weigern noch was zu sagen.“ Wenig ist gesagt, narrative Lyrik, einfach, aber von größter Authentizität, brillante wie simple Allegorien: der „Turkey“, den der Junkie in seiner türkischen Zelle schiebt, korrespondiert mit der Sehnsucht „allein mit dem Radio und weit weg mit Erinnerungen / und manchmal mit Lili Marleen.“

Fauser ist unverkennbar auch Songtexter, eingängige Melodien sind Teil der lyrischen und performerischen Anziehungskraft (vgl. die bei Trikont erschienene CD im Fauser O-Ton), Schlagersounds, die langsam via Radio ins Hörerhirn sickern. Fauser, so ist dem aufschlussreichen Nachwort des Gedichtsammelbands zu entnehmen, schätzte nicht zuletzt die finanziellen Möglichkeiten der Musikindustrie. Achim Reichel über seinen Songtexter Fauser: „und es hat ihm auch sehr gefallen, dass seine Texte durch die Musik plötzlich von so vielen Menschen gehört wurden, er sagte immer, wer liest schon einen Gedichtband? Übrigens ist die Musik auch finanziell nicht ganz uninteressant … seine Gema-Einnahmen waren zeitweise höher als seine Einnahmen aus den Buchverkäufen.“

Unbändiger Lebens- und Liebeswillen
Sicher, Fausers Gedichte kokettieren mit Plattitüden und Slogans, Fauser aber als antibürgerlichen Renegaten vorschnell in die Beat-Ecke auszumustern, greift in jedem Falle zu kurz. Hier ist jemand zugleich bei Brecht und Benn in die Schule gegangen und hat sich durch diesen luftigen Schachzug allen lyrischen Lagerkämpfen entzogen. Vielleicht ist so die lange währende Ignoranz der Literaturkritik zu verstehen. Man war womöglich lange Zeit einfach ratlos. Ah ja, da kam doch mal was aus Amerika rüber. Ok Beat, zack, Klappe zu. Etiketten wie „Schmuddelpoet“ oder eine 1:1 Gleichsetzung mit Bukowski sind sicherlich zu kurzsichtig: Hinter der antiästhetischen Schmutzigkeit schimmert bei Jörg Fauser immer ein unbändiger, geradezu politischer Lebens- und Liebeswille, Leben als ein „harter Rock“ , denn: „Auch wenn das Leben schmutzig ist / Es ist für uns die einzig wahre Sache / Und wenn es manchmal auch so traurig ist / Das Leben will doch, dass man drüber lache // Komm in die Falle, Marie …“

Daniel Ketteler, titel-magazin.de, 28.1.2008

Beitrag zur Erstausgabe:

Michael Buselmeier: Aus dem Untergrund. Der Poet als Lumpensammler
Die Zeit, 30.11.1979

 

Mein alter Zorn

− Eigentlich wollte ich meinen Vortrag nützen, um Sie dafür zu begeistern, Jörg Fauser zu lesen oder wieder zu lesen, wie ich es getan habe. Aber dann ist einiges passiert. Der Ingeborg-Bachmann-Preis: über den ORF, seinen Bildungsauftrag und den Klagenfurter Literaturgerichtshof. −

Eigentlich wollte ich an den Schriftsteller Jörg Fauser erinnern, der vor 30 Jahren hier gelesen hat. Ich wollte darauf hinweisen, dass seine Romane, Essays, Erzählungen, Aufsätze und Gedichte in liebevoll und sorgfältig editierten Werkausgaben erhältlich sind, einer schon älteren bei Rogner & Bernhard, einzeln im Berliner Alexander Verlag und in einer Kassette zu neun Bänden im Züricher Diogenes Verlag – eine verlegerische Ehre, die keinem anderen Autor, der je beim Bachmann-Wettbewerb gelesen hat, zuteil wurde.
Davon wollte ich eigentlich sprechen.
Ich wollte wiederholen, was so viele vor mir gesagt haben: dass Jörg Fauser ein Kultautor ist; und wollte erklären, was ich darunter verstehe, nämlich einen Dichter, dessen Wirkmächtigkeit in Werk und Leben ihren Ausdruck findet, der also doppelte Verehrung erfährt – einmal für das, was er schreibt, und dann noch dafür, wie er lebt. Und ich wollte ein wenig von Jörg Fausers Glanz auf mich lenken und erzählen, dass wir uns vor 30 Jahren hier in Klagenfurt kennengelernt und befreundet haben, dass wir einander Briefe geschrieben, einander besucht, dass wir einander verstanden haben.
Und eigentlich wollte ich dann auch berichten, dass ich vor wenigen Tagen Gast im deutschen Literaturarchiv in Marbach war und mich dort mit einem der Herausgeber der Werke von Jörg Fauser getroffen habe; dass wir bei 38 Grad an der Erdoberfläche im kühlen Keller des Instituts saßen, mitten im Archiv des Suhrkamp Verlags, das hier unten im Bunker vor der Zerstörung oben bewahrt wird, dass sich einige Besucher zu uns gesellten und dass wir uns über Jörg Fauser unterhielten, eben über seine unvergleichliche Art zu leben und zu schreiben – und über seinen Tod. Davon hatte ich Ihnen eigentlich erzählen wollen.
Ja, auch über Jörg Fausers Tod am 17. Juli 1987, in der Nacht nach seinem 43. Geburtstag, wollte ich Gedanken anstellen; als er, wie es in den Nachrichten hieß, betrunken auf der Autobahn spazieren ging und von einem Lkw niedergefahren wurde. Ich wollte berichten, dass einer der Anwesenden im Keller des Marbacher Literaturarchivs von begründeten Zweifeln an dieser Version wusste. Fauser habe zu jener Zeit, sagte der Mann und senkte sogar im Keller die Stimme, über die Verbindung zwischen deutscher Drogenmafia und deutscher Politik und Wirtschaft recherchiert, habe noch in der Nacht drei Typen getroffen, die ihn zu einem Gewährsmann bringen wollten, und sei auf der Autobahn aus dem Wagen gestoßen worden – ein Tod, wie er zu einer von Fausers Figuren gepasst hätte.
Eigentlich aber wollte ich meinen Vortrag nützen, um Sie dafür zu begeistern, Jörg Fauser zu lesen oder wieder zu lesen, so wie ich es getan habe.
Zum Beispiel diesen in jeder Hinsicht vorbildlichen Text aus dem Jahr 1979, in dem er von einem Besuch in der Stadt Berlin erzählt, durch die sich damals noch bis in alle Ewigkeit eine Mauer wand; ein Text, den wir mit gleichem Recht eine Reportage, einen Essay oder eine Erzählung nennen dürfen – ein literarisches Wunder, wie ich meine, denn obwohl die Welt, die hier beschrieben wird, längst untergegangen ist, atmet der Bericht eine zeitlose Frische; als wäre das heutige Berlin, das sich einer Konfektionsallerweltstadt anzunähern droht, das alte, und das alte wäre das neue. Die Wirklichkeit des bis in alle Ewigkeit langen Nachkriegs wird in diesem Text – und das ohne Absicht des Autors – zur Metapher und weist über ihre Zeit hinaus und reicht auch über unsere Zeit hinaus und reicht zugleich weit zurück, Thukydides hätte in Jörg Fauser einen nachfahrenden Bruder erkannt.
Ja, wenn alles gleich geblieben wäre, dann hätte ich Ihnen von diesem bewunderten, bestaunten Autor erzählt, dessen Ruf gleichermaßen seinem Werk wie einer radikalen Art zu leben gilt, die er wie kein anderer in Deutschland repräsentierte.
Und: Ich hätte Ihnen erzählt, wie er vor dem Klagenfurter Literaturgerichtshof aufgetreten – und von den Richtern verrissen worden ist wie kein anderer vor ihm und kein anderer nach ihm; und dass der Verriss in Wahrheit gar nicht seinen Text, sondern seine Person gemeint hat. – An dieser Stelle hätte ich eine Pause gelassen, hätte Luft geholt und mit ihr meinen alten Zorn. Ich hätte mich daran erinnert, wie Jörg Fauser im Publikumsstudio des Funkhauses in Klagenfurt der Literaturkritik in ihrer hinterhältigsten und erbärmlichsten Gestalt begegnet ist. Ich hätte wieder und wieder behauptet, Fauser wäre verrissen worden, egal, was er gelesen hätte, denn die Richter hätten ihm nicht verzeihen können, wie er war. Aus seinen Blicken, aus seinen Gesten – wie er zum Podium ging, jeden Schritt wie ein Statement setzend, während die Richter ungeduldig wurden, wie er auf der Anklagebank Platz nahm, wie er unter halb geschlossenen Lidern vor sich ins Leere blickte – aus all dem, so hätte ich mich erinnert und hätte Ihnen davon erzählt, war zu lesen: Ich brauche euch nicht. An mir gibt es für euch nichts zu entdecken. Ihr könnt euch nicht zu meinen Mentoren aufwerfen. Ich fürchte mich vor euch nicht, ich respektiere euch nicht, ich gebe euch in nichts nach.
Ich hätte von Marcel Reich-Ranicki erzählt, der die Stimmung in der Jury auf den Punkt brachte, als er sagte: „Dieser Autor hat hier nichts verloren!“
Mit einem Gruseln hätte ich auch die anderen Juroren erwähnt, die ihrem Herrn und Meister mit Inbrunst nachbellten. Ein Großteil des Publikums greinte, und wenn es etwas zu wiehern gab, wieherte es – so hätte ich mich ausgedrückt, und dass ich selten etwas Widerlicheres erlebt habe. Dem Pöbel saßen die Pöbelartigen vor. Ich hätte Ihnen von den Gedanken berichtet, die mir damals durch den Kopf galoppiert sind: dass gleich einer aus der Jury aufstehen wird, der ehrenwerte Walter Jens zum Beispiel oder die ähnlich ehrenwerte Gertrud Fussenegger oder der gemütlich rundliche Peter Härtling oder sonst jemand, und dass er dem Jörg Fauser ins Gesicht schreit: Weine endlich! Wie es Karin Struck vor dir getan hat! Zeig uns, dass es wehtut! Schließlich ist das Fernsehen da! Vielleicht verzeihen wir dir dann, wie du bist!
Und die Autorenkollegen? – Die meisten hatten ja kritikermundgerechte Happen vorbereitet, die brauchten kein Pulver mehr, die hatten schon; „Knallfroschprosa“, wie der ehemalige Juror Peter von Matt dazu sagte. Die Autorenkollegen, bis auf wenige, wollten nicht zusammen mit dem da gesehen werden.
Wenn sie allesamt, Kritiker und Autoren, übereinander gestapelt, auf seine Schulter gestellt worden wären, sie hätten dem Jörg Fauser nicht bis zum Kinn gereicht. Davon hätte ich eigentlich gern erzählt, ja.
Und dass sich Jörg Fauser von diesem Tag an nicht mehr Schriftsteller nannte. Er wisse mit dem Begriff nichts anzufangen, sagte er in einer Talkshow im Fernsehen. Er sei Geschäftsmann. Er war anders als wir. Ganz anders. Das stimmt schon. Dass er sogar anders war, als seine Fans meinten und meinen, auch davon hätte ich Ihnen gern erzählt. Dass er nicht „cool“ war. Dass ihn die Gehässigkeiten von Reich-Ranicki und Konsorten in Wahrheit tief verletzt hatten. Der größte Schmerz: dass sie ihn an der Liebe seines Lebens hatten zweifeln lassen.
Das Schreiben war die Liebe seines Lebens. Er hatte sich immer darauf verlassen, dass seine Liebe erwidert wird. Eigentlich gehört es sich nicht, dass ich das hier erzähle und damit womöglich das zynische Grinsen der neuen Richter aufreize.
„Klagenfurt – das ist nicht ein Fest der Literatur“, hatte Jörg Fauser geurteilt, „das ist ein Fest der Literaturkritik.“ Bei dem – möchte ich hinzufügen – die Autoren die Rolle der Sektgläser spielen.
Irgendwann, sagte er, werden uns die Kritiker nicht mehr brauchen, sie werden über Bücher reden, die es gar nicht gibt, sie werden Autoren verreißen und bejubeln, die es gar nicht gibt. Sie werden sich gegenseitig einen Preis stiften – Kritiker eins sitzt in der Jury, Kritiker zwei kriegt den Preis, Kritiker drei spricht die Laudatio. Er hielt es für möglich, dass ihn seine Liebe betrügt. Er fürchtete, dass sie ihn von allem Anfang an betrogen hat. Das war seine Verzweiflung. Er hat sein Leben aufs Spiel gesetzt. Aufs Spielen. Schreiben ist Spielen. Kann man spielen bis zum Ende? Und jederzeit innehalten und sagen, ich lebe? Und am Ende Rückschau halten und sagen, mein Leben war Spielen, und damit meinen, zu Ernsthafterem sei der Mensch nicht fähig?
Dem Zyniker applaudiert der Pöbel. Der Zyniker geht nach der Veranstaltung nach Hause, seift sich die Schminke ab und berichtet seinem Spiegelbild: Ich war wichtig, ich war sogar noch wichtiger. – Aber was, wenn der Zyniker recht hat? Und wenn dieses Recht auch nur darin besteht, dass es sich ohne den göttlichen Funken, der in jeder Kunst glost, leichter, cooler leben lässt? Weil es allein schon peinlich ist, an diesen göttlichen Funken zu glauben. Und am peinlichsten ist, von ihm zu sprechen. Und ein Skandal gar ist, von ihm in aller Öffentlichkeit zu sprechen.
Das alles hätte ich eigentlich sagen wollen. Vielleicht hätte ich die letzten Zeilen gestrichen, weil ich mich geschämt und mich nicht getraut hätte, sie vorzulesen. Ich weiß nicht.
Aber dann ist einiges passiert, und ich wurde gezwungen, etwas anderes zu sagen.
Erst hat der Direktor des ORF-Landesstudios Vorarlberg Befehl gegeben, die Rundfunkbibliothek auszuräumen; er selbst hat Hand angelegt und die Bücher in einen mit Geldern des ORF gemieteten Container geworfen. – Der Direktor einer Anstalt, die gesetzlich verpflichtet ist, einen Kulturauftrag zu erfüllen, verwendet einen Teil seiner Arbeitszeit und einen Teil der Rundfunkgebühren dafür, Bücher in einen Container zu werfen, um sie der Vernichtung zuzuführen. – Man brauchte Platz. Dabei stehen so viele Wände einfach als Wände da. Bücherregale tragen doch nicht mehr auf als höchstens 25 Zentimeter, das ist nachgerade einer der Vorteile von Geist in dieser Form.
Und da kam auch schon eine nächste Meldung herein: Alexander Wrabetz, der Generaldirektor des ORF, beendet den Bachmann-Wettbewerb, indem er sich auf das Kerngeschäft des ORF besinnt.
Diese Meldung hat einen Strich durch meine Rede gemacht. Und schon spielte mein Handy seinen Blues, eine Journalistin wollte wissen, mit welchen Worten ich es dem ORF hineinsage… und der nächste Anruf, diesmal von der APA… und schon wieder einer… und schon wieder einer… Ich bekam die rote Fahne in die Hand gedrückt – wie der Tramp in Chaplins „Modern Times“.
Nach einer Nacht Nachdenken habe ich mich schließlich dazu durchgerungen, mich in den Schulterschluss von Autoren und Kritikern und allen anderen anständigen Kulturschaffenden und Kulturinteressierten einzuklemmen, auch auf die Gefahr, meine Nase einem unangenehmen Achselgeruch auszusetzen. In der Not werden eben Opfer verlangt. Also leiste ich meinen „Gewissensdienst“ und protestiere so heftig ich nur kann gegen die Abmurksung des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs und verspreche, alles mir Mögliche zu unternehmen, damit die Abmurkser namentlich und für lange, lange Zeit in Erinnerung bleiben.
Und ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren, ein Gleiches zu tun – vor allem aber: Jörg Fauser nicht zu vergessen.

Michael Köhlmeier, Die Presse, 5.7.2013

 

„Mick Jagger fragte, was wollt ihr denn hier?“

(…)

Johannes Waechter: Jörg Fauser war ein deutscher Kult-Autor, der als Wegbereiter der Pop-Literatur gilt. In den Achtzigerjahren hat er etliche Songtexte für Sie verfasst.

Achim Reichel: Mir war aufgefallen, dass US-Dichter wie Allen Ginsberg oder Shel Silverstein auch Texte für Rockmusiker gemacht haben. Da gab es eine Verbindung, die in Deutschland nicht vorhanden war. Warum? Wo waren die Dichter meiner Generation? Als ich darüber einmal mit einem Bekannten beim Rowohlt-Verlag sprach, drückte der mir bald darauf einen Stapel Lyrikbände in die Hand. Darin entdeckte ich Gedichte von Jörg Fauser.

Waechter: Was hat Ihnen daran gefallen?

Reichel: Seinen Ton, seine Sprache fand ich unglaublich. Wie Kino! Sehr bildhaft, nicht angestrengt poetisch, dazu mit hohen Blues-Anteilen. Als ich ihn angerufen und gefragt habe, ob wir mal versuchen sollten, zusammen einen Song zu schreiben, war er auf Anhieb begeistert. Ihm gefiel der Gedanke, dass Texte von ihm vielleicht im Radio zu hören sein könnten. Kein Mensch geht doch in den Buchladen und schaut unter „Deutsche Lyrik der Gegenwart“, schimpfte er.

Waechter: Wie haben Sie Jörg Fauser erlebt?

Reichel: Er sah unscheinbar aus, war aber von einer enormen Tiefgründigkeit. Wir saßen oft zusammen, haben über alles Mögliche geredet, und plötzlich sagte er, du, ich seil mich mal für einen Augenblick ab. Nach einer halben Stunde tauchte er wieder auf und legte ein DIN-A4-Blatt mit einem fertigen Gedicht auf den Tisch, das sich – oft nur ganz am Rande – auf irgendetwas bezog, über das wir gerade gesprochen hatten. Bis dahin hatte ich gedacht, große Dichter hat es früher mal gegeben, aber inzwischen sind die alle tot. Fauser war der erste solche Mensch, der in Fleisch und Blut vor mir saß.

Waechter: Allerdings nahm Ihre Zusammenarbeit ein jähes Ende, als Fauser 1987 starb: An seinem 45. Geburtstag wurde er auf der A94 bei München von einem Lkw überfahren.

Reichel: Ich weiß noch, wie ich am Grab stand und Erde auf seinen Sarg warf. Sein Tod ist für mich bis heute unfassbar und unerklärlich.

Waechter: Haben Sie etwas von Jörg Fauser gelernt?

Reichel: Unheimlich viel. Ein Schlüsselmoment für mich war die Arbeit am Song „Boxer Kutte“. Wir saßen ja oft zusammen, ich mit meiner Gitarre, er mit einem Blatt Papier. Ich war immer der Meinung gewesen, keine richtig guten Texte schreiben zu können. Aber jetzt fehlte Fauser ein Reim. „Boxer gehen oft in die Knie / Aber Kutte steht wieder auf…“ Wie sollte es weitergehen? Ich hatte eine Idee: „Vielleicht: ,Blaue Augen zahlen drauf‘?“ Mensch Achim, rief er, du kannst es auch, super! Von ihm nicht nur als Musiker, sondern auch als Texter akzeptiert zu werden, hat mein Selbstwertgefühl enorm beflügelt.

(…)

Interview in der Süddeutschen Zeitung Magazin, 18.9.2020

 

WENN GOTT IN MEINEM TAGEBUCH AUF SEINE
Gedichte stößt, dann würde er mich schonen.
Ich dürfte eine Weile bei ihm wohnen,
In einem Werk am Fluß, wo Wolken keine

Funktionen hätten, nur so blöde treiben
Nach Malerei aussehen und nach Därmen.
Ich würde jetzt mit dir vom Saufen schwärmen
Und davon, daß wir ziemlich friedlich bleiben.

Der erste Arztbesuch in meinem Leben,
Der wäre erst viel später, nach dem Sterben.
Ich würde auch nach Wochen noch nicht stinken.

Die Lichter auf der Welt sind voll daneben.
Die Kinder sollen meine Asche färben.
Es war nur ein Versehen, nichts zu trinken.

(für Jörg Fauser)

Thomas Kunst

 

JÖRG FAUSER

Schon mal einen Wolf gesehen,
der keine Nahrung mehr findet
ein grässlicher Anblick, wie er
in seinem eignen Kot rum-
stochert wie Wolf Borchert
tote Generäle gepiesackt
hat … aber: „Einmal Wolf
unter Wölfen“ immer
vom Hungertuch
gekidnappt

Peter Wawerzinek

 

DIESE ZEILEN GEHÖREN FAUSER

Ich träumte von einem Gedicht von Jörg Fauser
in dem er in einer fremden Stadt war.
Es endete etwa so:
Dann war ich wieder in meinem Zimmer.
Im Fernsehen spielten Portugal und Malta um Punkte.
Ich hoffte auf eine Überraschung.
Vergebens.

Nach dem Aufwachen dachte ich:
Für einen Toten
garnichtmal übel.

Gerd Adloff

 

 

Frank Göhre: Jörg Fauser, der Geschäftsmann
culturmag, 17.10.2017

Jamal Tuschick: Abgehalfterter Establishmentschreiber
der Freitag, 4.6.2018

Philipp Haibach: „Nur noch Possenreißer, Panikmacher und Profitgeier“
Die Welt, 25.5.2019

Jan C. Behmann: In der Pissrinne des Literaturbetriebs
der Freitag, 11.2.2021

 

 

Fakten und Vermutungen zum Autor + Archiv + KLGIMDb +
in memoriam 12 + Internet Archive + Kalliope
Porträtgalerie: Autorenarchiv Isolde Ohlbaum
shi 詩 yan 言 kou 口

Zum 10. Todestag des Autors:

Benjamin v. Stuckrad-Barre: Jörg Fauser. Zum zehnten Todestag

Zum 25. Todestag des Autors:

Thomas Schuler: Der Rohstoff Leben
Frankfurter Rundschau, 17.7.2012

Tiemo Rink: Fausers Nächste
Der Tagesspiegel,17.7.2012

Jan Küveler: Erst im Tod verdient Jörg Fauser gut
Berliner Morgenpost, 17.7.2012

Jörg Herbig: Gedanken an Jörg Fauser
FLEDERMAUS – Horror- und Fantastic-Zine, 16.7.2012

Benjamin Weber: Literat der Loser
taz, 17.7.2012

Simon Hadler: „Das wollen Revolutionäre sein?“
ORF, 17.7.2012

Carl Weissner: Clint Eastwood ist Hamlet: Erinnerungen an Jörg Fauser
rollingstone.de, 3.7.2004

Zum 70. Geburtstag des Autors:

Thomas Schäfer: Freier beim Tageblatt, dann Kultautor
Göttinger Tageblatt, 11.7.2014

Katja Kullmann: Alles Gute, Macker
der Freitag, 14.7.2014

Ambros Waibel: Er war der Champ
die tageszeitung, 16.7.2014

Zum 75. Geburtstag des Autors:

Harry Nutt: Jörg Fauser – Exkursion in die Spießigkeit
Berliner Zeitung, 7.7.2019

Sascha Seiler: „Warum lassen wir die Revolution nicht sausen?“
literaturkritik.de, Juli 2019

Frank Schäfer: Die Revolution hieß Louise
neues deutschland, 15.7.2019

Frank Schäfer: Der große Blues
junge Welt, 16.7.2019

 

 

Jörg Fauser 3Sat Dokumentation 2006.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

0:00
0:00