Jürgen Schneider (Hrsg.): Irrlandt Ireland Irland

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Jürgen Schneider (Hrsg.): Irrlandt Ireland Irland

Schneider (Hrsg.)/Duffy-Irrlandt Ireland Irland

,Taom‘

Die unerwartete Flut,
die große Welle,
ungebändigt, trotzt dem Fels,
überwältigt das Herz, ob Frühling oder Winter.

Aus einer verklingenden Sprache
steigt, wenn es benötigt wird, das Wort empor,
Ein dunkler Ton schwillt an und verebbt,
sein treffender Klang beruhigt das Herz.

Manche Stammtöne
schwingen nach wie Holz alter Instrumente,
ungedämpfte Wahrheiten über der Menschen Winter,
tausend verschiedene Frühlingsanfänge.

Es gibt kleine, unanfechtbare Wörter,
vor denen Cäsare zurückweichen;
Hoheitsgebiete der Stimme,
die uns über Tod und Generation hinaus sagt,
wie ein Geheimnis mitgeteilt wurde −
jene erste Artikulation,
als ein Vokal sich fing
zwischen einem starken und einem zarten Konsonanten;
als jemand im Schmerz
einen neuen und sterblichen Klang erschuf,
der bis heute lebendig ist,
Zeugnis
von Wellen, überwältigend
und überwunden.

Moya Cannon,
übersetzt von Eva Bourke und Jürgen Schneider

 

 

 

Besaßen die Iren vormals eine Nationalsprache,

aber keinen eigenen Nationalstaat, so haben wir es heute umgekehrt mit einem – wenn auch geografisch unvollständigen – Nationalstaat ohne wirklich gesprochene Nationalsprache zu tun. So konnte die Association for Choice in Irish, die beherzt- reaktionär für die Abschaffung des Pflichtfachs Irisch eintritt, 1990 trocken feststellen: „Die Iren sind eine englischsprachige Nation.“ Umso erstaunlicher ist die selten gewürdigte Tatsache, daß dieselbe musik- und poesiedurchwirkte Sprache, der im Leben langsam der Atem auszugehen scheint, in der Literatur des Landes seit etwa fünfzehn Jahren einen ungeheuren Aufschwung erfährt.
Literatur in irischer Sprache wird in dieser Anthologie erstmals im deutschsprachigen Raum ausführlicher vorgestellt.
Die Idee zu einer Anthologie irischer Literatur der Gegenwart existierte bereits, da fanden im November 1991 in der LiteraturWERKstatt Berlin die Tage der irischen Literatur statt. Paula Meehan, Nuala Ní Dhomhnaill, Dermot Bolger, Ciaran Carson, Paul Durcan, Hugo Hamilton, John McGuffin, John Montague, Joseph O´Conner, Gabriel Rosenstock und Francis Stuart lasen aus ihren Werken. Die LiteraturWERKstatt hat uns freundlicherweise die Materialien dieser Tage zur Verfügung gestellt. Die dort von den irischen Autorinnen und Autoren gelesenen Texte bilden neben den Übersetzungen irischsprachiger Gedichte den zweiten Schwerpunkt dieser Anthologie. Aufgenommen wurden darüberhinaus auch Kurzgeschichten und Gedichte weiterer irischer Schriftsteller/innen.
Seamus Deane, der jüngst die allen an irischer Literatur Interressierten zu empfehlende dreiteilig-voluminöse Fild Day Anthologie of Irish Writing (ca. 550-1900) editierte, schrieb 1979 in der Zeitschrift Crane Bag: „In literatur at least Ireland has sometimes overcome the severe limitations of its geography and of the catastrophic burden of its history.“ Die Texte in dieser Anthologie belegen dies in Ihrer Vielfalt…

Jürgen Schneider, Aus dem Vorwort, 1993

 

„Tá an Ghaeltacht anseo“

− Irische Gegenwartsliteratur in aktuellen Übersetzungen. −

Im November 1991 fanden in der literaturWERKstatt berlin die Tage der irischen Literatur statt. Einige der wichtigsten irischen AutorInnen, nämlich Paula Meehan, Nuala Ní Dhomhnaill, Dermot Bolger, Ciaran Carson, Paul Durcan, Hugo Hamilton, John McGuffin, John Montague, Joseph O’Connor, Gabriel Rosenstock und Francis Stuart kamen dabei zu Wort.
Nun ist ein dickes und kleingedrucktes Buch erschienen, in dem nicht nur Texte der bereits genannten AutorInnen aufgenommen wurden, sondern darüberhinaus noch Kurzgeschichten und Gedichte weiterer 37 SchriftstellerInnen. Der Sonderband der Edition Druckhaus (herausgegeben von Jürgen Schneider, der auch als einfühlsamer und fleißiger Übersetzer, vor allem von Lyrik, im Buchinneren immer wieder aufscheint) Irrlandt Ireland Irland bringt eine im deutschen Sprachraum noch nie dagewesene Vielfalt irischer Kurzprosa und Dichtung (letztere zweisprachig), wobei erstmals eine repräsentative Auswahl irischsprachiger Gedichte von Andrea McTigue direkt (also ohne Umweg übers Englische) ins Deutsche übertragen wurden.
Ergänzend dazu schrieb Liam Mac Cóil einen Essay mit dem Titel Literatur in irischer Sprache heute, der einige Fragen beantwortet und einige Probleme in Form von Fragen einzukreisen versucht, so zum Beispiel: „Was ist Form und woher kommt sie? … Ist Form nur eine Konvention? Ist es traditionell, mit ihr zu brechen? … Ist Schreiben in einer weniger gebräuchlichen Sprache wie dem Irischen subversiv? Können mit ihr die monolithischen zentralisierten, imperialistischen Kulturen der Hauptsprachen untergraben werden? Ist im permanenten Kampf mit dem englischen Imperialismus die älteste Literatur Westeuropas von subversiver Bedeutung? … Ist Literatur in den weniger gebräuchlichen Sprachen das letzte Refugium menschlicher Werte? Oder ist das Schreiben in einer weniger gebräuchlichen Sprache nur Spaß, sollte es alles – einschließlich Wittgenstein, Dekonstruktion und der Klassiker der Sprache – auf Spaß reduzieren? (…)“

Richard Wall, Gegenwart, Zeitschrift für entspanntes Geistesleben, Nr. 22

 

 

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