Lutz Seiler: vierzig kilometer nacht

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Lutz Seiler: vierzig kilometer nacht

Seiler-vierzig kilometer nacht

WIR LAGEN VOR MADAGASKAR UND HATTEN

aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaadie welt
und das thema verfehlt: wir lagen
aaavor gera, vor krossen, wir übten
die wurzel, revolution von unten, nicht
bismarck, lenin, insekten
kamen herein, kleiner
aaaals ihr geräusch; doch die hände
lehnten feucht und schwer vor uns
auf den ozean-bänken, halb

vergessen stark darunter
aaadas gebet noch tiefer die
feld-etagen-büchse, aluminiumbrote
aus der vorzeit, darüber

kopien des raumes, kopien der luft: vier
polnische panzersoldaten und ein einfacher
hund, unbesiegbar in der angst und nachts
aaadas ticken seiner hundefüsse
aaaendlos, hündisch, unbesiegt… was

die orte nicht verloren, hatten
sie alles verloren: dass
es dort gewesen war – der hackstock
im kopf, der klumpfuss, das heizhaus hinter
den rothaut-gehölzen, wo wir
die sklaven quälten, erst nitzold, dann
aaastöcklein, streng

nach seewolf / 3. teil; wir hatten
die pest an bord und eine verlassenheit, die früh
6 uhr mit den sohlen zart besaitet draussen auf
den stufen stand und wartete; so gingen wir

morgens vor der zeit hinaus derart
überdacht im denken selbst
vergessen hinterm mond als angst
im tollkirschenbaum und als süsse verkappt
aaain den blüten der nessel – war
der weg nicht geklammert an uns, wir winkten
am rande des wegs? an die reste

von schrift, die restliche schwärze am tor, an
stöcklein in der hängematte, sein
aaasplitterndes stirn-
aufschlagen, luft-geräusche, im nebel, sagten sie
bei nebel kehrt die schwerkraft um?

stöcklein ist tot und nitzold
hat die wäschemangel. nur wir
aaasehen noch immer
aus wie verboten, wir singen
wir springen das mitten im kehlkopf vergessene lied
und die brottaschen kreisen an ihren riemen
wie madagaskar-koyoten um unseren hals

 

 

 

Inhalt

Lutz Seilers neue Gedichte, entstanden zwischen 2000 und 2003, unternehmen eine Reise durch vierzig kilometer nacht, sie führen hinaus aus der vom Uranbergbau zerstörten Herkunftslandschaft von pech & blende über „deutsche alleenstrassen“ und „hinter garagen-zeilen“ – hinein in die historische Schichtung mitteldeutscher und brandenburger Gegend.
Mit außerordentlicher musikalischer Sprachkraft verbindet der Autor auf diesem Weg Biographisches, Landschaftliches und Politisches zu „Nervensystemen der Erinnerung“. Dabei sind es die einfachen, konkreten Dinge, an denen Geschichte für einen Moment lesbar wird, in einer augenblicklich treffgenauen, nicht wiederholbaren Konstellation von Gegenwart. Vor jedem Gedicht, schrieb Lutz Seiler, liegt die „Geschichte, die wir erlebt haben, das Gedicht trifft ihren Ton, es erzählt sie nicht, es erzählt ihren Ton“. Bedachtsam und nah an den Substanzen arbeitet Seiler sein Material wieder und wieder durch, unaufgeregt, sicher im Ton, mit unverwechselbarer Stimme.

Suhrkamp Verlag, Ankündigung

 

Die dunklen Absencen

– Mit seinem Gedichtband vierzig kilometer nacht setzt Lutz Seiler seine Kosmogonie des Ostens fort. –

In einer essayistischen Erkundung seines Schreiborts, einer traumwandlerischen Umkreisung des von einem Kiefernwald umschlossenen Hauses im märkischen Wilhelmshorst, hat Lutz Seiler einmal den Wahrnehmungsmodus beschrieben, an den seine Dichtung gebunden ist. Der Erzähler berichtet hier von seinen täglichen Spaziergängen rund um das Haus, vom Holzsammeln als einer Art Initiationsritus, der die Sinne schärft und ästhetische Erfahrung erst ermöglicht. Ganz nah tritt Seilers Ich an die Dinge heran, es starrt wie absichtslos auf eine Kiefernrinde oder einen Grashalm und beobachtet, wie die Naturstoffe langsam in das Bewusstsein eindringen.
Das Holz der im Garten verstreuten Äste, die Rinde der Bäume, die über dem Haus ein „Kieferngewölbe“ bilden, sind hier gleichsam die Urmaterie der Poesie. Es geht in Seilers Gedichten um einen Zustand des träumerischen Geöffnetseins gegenüber den Naturstoffen, es geht um die Hingabe an Substanz und Stofflichkeit der Dinge. „Als Kind hatte ich ein Körper- und ein Sprachgefühl von Holz“ – dieses Diktum aus einer Wiener Poetikvorlesung bildet den Refrain seiner Poetik. Als Grundkategorien seines Schreibens benennt Seiler die Wahrnehmungszustände seiner Kindheit, die in Textqualitäten transformiert werden sollen: „Abwesenheit“, „Müdigkeit“ und „Schwere“.

Emphatische Ding-Poetik
Das Bekenntnis zu einer lyrischen Kosmogonie der Dinge formulierte Seiler bereits im Titel seines Debütbands berührt / geführt von 1995, einem Gedichtbuch, das ohne jede öffentliche Resonanz blieb und nur dank des Dichterkollegen und Poesie-Scouts Wulf Kirsten einige Kenner erreichte. In der lakonischen Formel „berührt/geführt“ verbirgt sich nicht jene Regel des Schachspiels, nach der ein Zug nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, sondern eine emphatische Ding-Poetik. Der Dichter zeigt sich affiziert von den Dingen seiner Herkunftswelt und lässt sich von ihnen „führen“. Die Grundfarbe dieser Herkunftslandschaft ist in diesem Fall ein giftiges Schwarz. Denn Lutz Seiler ist in den ostthüringischen Dörfern Culmitzsch und Korbußen aufgewachsen, zwei von vielen Dörfern, die im Zuge des rücksichtslosen Uranbergbaus in der DDR dem Erdboden gleichgemacht wurden.
Der Stoff der poetischen Erinnerung ist in Seilers zweitem Gedichtbuch pech & blende (2000) kontaminiert mit den Abfallprodukten des Uranbergbaus, vor allem der Pechblende, einem schwarz glänzenden, kryptokristallinen Urangestein. Die Bewegungsrichtung der Gedichte benennt hier der Text „gravitation“:

jedes gedicht geht langsam
von oben nach unten

Es ist eine Bewegung zu den „rohen Stoffen“, den Erzen oder „Knochen der Erde“, wie sie in der Mythologie des Bergbaus benannt sind.
Auf die Veröffentlichung von pech & blende folgte ein beispielloser Triumphzug durch die Weihestätten des Literaturbetriebs. Angefangen beim Kranichsteiner Literaturpreis 1999 bis hin zum Ernst-Meister-Preis 2003 und dem aktuellen Bremer Literaturpreis 2004 hat man Seiler nahezu alle renommierten Literaturpreise und Stipendien zugesprochen. So konnte auch jener dumpfe Reflex nicht ausbleiben, der alle Götterlieblinge des Betriebs trifft. Anlässlich von Seilers jüngstem Band vierzig kilometer nacht haben sich schon einige gehässige Großmeister des Misstrauens zu Wort gemeldet, die in diesem Buch nur eine – epigonale – Fortführung von Seilers lyrischer DDR-Archäologie erkennen wollen. Auch bei wohlwollenden Rezensenten artikuliert sich versteckt ein Argwohn gegenüber dem angeblich „Strickjackenartigen“ (Ursula Krechel) dieser Gedichte.
Es scheint, als solle der Autor literaturkritisch dafür büßen, dass er das ehemalige Refugium Peter Huchels in Wilhelmshorst bewohnt. Die notorische Referenz auf Huchel führt hier auf einen riskanten Deutungs-Pfad. Denn Seilers Gedichte orientieren sich primär an der lyrischen Phänomenologie eines Francis Ponge, der als Bezugsfigur in allen Essays auftaucht. Wie Ponge strebt Seiler nicht nach autobiographischer „Rekonstruktion“, sondern nach einer Präsenz der Dinge, an der sich seine Wahrnehmung der Welt formt.
Gewiss setzen auch die Gedichte in vierzig kilometer nacht dort ein, wo pech & blende aufgehört hatte: bei der poetischen Tiefbohrung in den geschichtlichen Kristallisationen der DDR. Und tatsächlich tauchen auch hier die signifikanten Details einer Kindheitslandschaft auf, die zwischen „eisenschaukeln“, „zweitaktwagen“, „aschekübeln“ und „wachtürmen“ verbracht wurde. In diesem „gelobten land“ der Kindheit vollzieht sich die Formierung und Deformierung eines „rohen ICH“, das als Relikt aus der „kreidezeit“ apostrophiert wird.
Aber das Titelgedicht des neuen Bandes zeigt an, dass es auch darum geht, Distanzen zu vermessen zwischen der versunkenen Herkunftswelt und dem „global village“ der Gegenwart. Vierzig kilometer nacht, das meint ja nicht nur die geographische Entfernung von der märkischen Peripherie in Wilhelmshorst bis nach Berlin-Mitte, sondern auch eine geschichtliche Distanz. Auf seiner Reise durch die Nacht wird das Ich überwältigt von den quälenden Bildern der verschwundenen alten Welt. Der Reisende gerät in einen „tunnel / aus absencen“, wo sich schließlich die „nervenbilder“ seiner Erinnerung entzünden.
Dank einer raffinierten Montagetechnik öffnet Lutz Seiler einen poetischen Assoziationsraum, in den immer neue Facetten einer im geschichtlichen Dunkel oder „im block“ verbrachten Kindheit eingefügt werden. Hier gelingen ihm großartige, berührende Gedichte, etwa „ammoniak“, das anhand von Gerüchen und Geräuschen die Gestalt des Vaters vergegenwärtigt. Oder das Gedicht „beton“, das Bilder der Kasernierung mit Phantasien des Aufbruchs und des Liebeswunsches kontrastiert.
Am Ende dieses Gedichts steht die Erstarrung der Liebes-Utopie, wird das zitierte mittelalterliche Liebespoem negiert:

zwei graue aufmerksame kinder lehnten
oben im portal das eine
hielt die anstalt in den armen das
andere las es war einmal
zu früh an jedem morgen und
ein sehnen das

sich selbst nicht kannte ab-
gekniet im katzensilber im granit
der grossen schotterfläche du

bist mîn so standen wir und schauten
hoch für immer ab-
getauscht mit schwerer tinte an
den fingerspitzen spastischen
kapuzen-küssen ich
bin dîn: aus kies, zement, armierungseisen.

Bei aller Geschichts- und Erinnerungs-Versessenheit wird doch spürbar, dass sich diese Gedichte mit einer Rückwärtsgewandtheit, jenem „alten lied: ICH / MÖCHTE DOCH GERN BLEIBEN“, nicht mehr zufrieden geben. So folgt man als Leser wie gebannt der suggestiven Stimme dieses Ichs, das sich aus einer Abgeschiedenheit heraus artikuliert, das in einer dunklen Melodik aus hellen und dunklen Vokalen mit den Dingen spricht. Da ist ein Autor, der in seltener Bildfindungs-Kunst die Stimmen und Gegenstände seiner Herkunftswelt zu elliptischen Versen verknüpft. Es ist zugleich ein Dichter, der sich allmählich aus den Verkapselungen des „fern verschlossenen Augenblicks“ befreit.

Michael Braun, Frankfurter Rundschau, 18.2.2004

der film, der folgte, läuft noch immer

– Lutz Seilers neuer Gedichtband vierzig kilometer nacht ist die konsequente Fortschreibung von pech & blende. –

„… wenn ich gerade / Mehr Zeit dazu hätte, könnte ich euch berichten, wie es / Auch ohne Gagarin und Milchdienst hier / War“, tut ein galliger Thomas Kunst in einem kabarettistisch vielleicht hinnehmbaren, doch lyrisch ziemlich holprigen Parlando im Jahrbuch der Lyrik 2004 kund.
Lutz Seiler braucht sich um derlei Miesmacherei eines völlig berechtigten Erfolgs, den ihm sein zweiter (in der Öffentlichkeit als sein erster wahrgenommener) Gedichtband pech & blende eingebracht hatte, nicht zu scheren. Er ist nicht dafür verantwortlich, wenn sein aus den Erinnerungstrümmern einer seit ihrem plötzlichen Verschwinden schon wie in antike Ferne gerückten Gesellschaftsform schöpfender Schreibimpuls sogleich eifrige Nachahmer und Kopisten gefunden hat. Das Sich-Abarbeiten an den „Vor-Gaben“ bewunderter aktueller Vorbilder hat seit jeher zu den Hausaufgaben jeder neuen Generation gehört. Sie wird einmal daran zu messen sein, wie sie die Anregungen ihres secret hero Lutz Seiler konstruktiv hat aufnehmen und auf eigene Weise fortschreiben können. Daß er eine Fülle unterschiedlichster Anregungen weit über die Stich- und Reizwörter „Gagarin“, „Milchdienst“, „Stoffturnbeutel“ hinaus zu bieten hat, dafür genügte schon ein Blick auf die verblüffenden Verfugungen und Kombinationen heterogensten sprachlichen Materials in den Gedichten von pech & blende.
vierzig kilometer nacht nun zeigt einen in der Handhabung seiner Mittel souveränen und aus dem Vollbesitz eines eigenhändig kreierten lyrischen Formen- und Stile-Inventars schöpfenden Autor. „Jeder hat nur ein Lied“ – das Paul Bowles entlehnte Motto von pech & blende – kennzeichnet die absichtsvolle Beschränkung auf eng umgrenzte Sujets, durch die aber oft mehr an Welt in den Gedichtraum hineingetragen wird, als es den die Register ihrer barocken Rhetorik ziehenden poetae docti gelingen mag. Seilers Gedichte sind Beweisstücke authentischer Existenz in Zeiten eines totgesagten (oder -geschwiegenen) Individuums. Sie setzen dort ein, wo die offizielle, öffentliche, immer „im Namen von“ oder „im Namen aller“ usw. agierende Geschichtsschreibung kapitulieren muß: an den Bruchstellen eines exemplarischen Ich, dort wo es – von allen bösen Geistern, die stets für ihn das Wort im Munde führten, plötzlich verlassen – sich selbst formulieren muß, im Zwang, von der Sprache, die immer den anderen gehört hatte, seine eigenen Worte abzugraben. Lutz Seilers Gedichte kreisen um den Riß, der unübersehbar zwischen unserer öffentlichen und unserer privaten Identität klafft. Der Sprachlosigkeit folgt ein Stottern, ein Wieder-von-neuem-Ansetzen, reflexartiges Reagieren auf obsessionsbeladenes Vokabular des Erwachsenwerdens – bis schließlich ein Resonanzraum angedeuteter und nicht gesagter Bezüge, ein atmendes Geflecht nur mehr erahnbarer, längst nicht mehr durchschaubarer geschichtlicher und/oder biografischer Fäden entstanden ist; ein Lutz-Seiler-Gedicht wie „Heimfahrt“:

das ist jetzt alles lesbar; halb
dunkel draussen sprechen tauben aus
dem holz. stationen
bahnstationen, nachbarstaaten: ich
bin müde auf dem hocker. eben-
erdig werden birken
buchen vorgetragen. etwas
fehlt, dem ich jetzt winke. alle zeit
von gott, das wollte seneca. ich wollte
ein akkordeon & einen hund, ich sah
dinge, die vom tisch
herunter stürzten, in
denen ich enthalten war

In fünf Zyklen – „gelobtes land“, „vierzig kilometer nacht“, „delphin oder schmetterling“, „deutsche alleenstrasse“ und „altes objekt“, die beiden Gedichte „vor der zeitrechnung“ und „ende & anfang“ fungieren als Ein- und Ausgangstüren des Gedichtraums – betreibt Seiler seine persönliche Geologie. Der Akzent wird einmal mehr in Richtung Vergangenheit, einmal mehr in Richtung Gegenwart, einmal auf private, dann auf öffentliche Kontexte verschoben; souverän wird mit Verweisen auf populäres Liedgut ebenso wie mit dem poetischen Zitatenschatz von Vorgängern und Zeitgenossen jongliert. Wer den zahllosen verfremdenden Übernahmen lyrischen Erb-, gesungenen Gemein- oder szene-kryptischen Gruppenguts nachspüren will, hätte jeden einzelnen Text intensiv zu durchkämmen: Die Arbeit mit Versatzstücken oft kaum mehr zu bestimmender Provenienz gehört bei Seiler zur schriftstellerischen Methode.
Das Gedicht „wir lagen vor madagaskar und hatten“ bietet sich an, um einen näheren Blick auf diese Technik zu werfen:

die welt
und das thema verfehlt: wir lagen
vor gera, vor krossen, wir übten
die wurzel, revolution von unten, nicht
bismarck, nicht lenin, insekten
kamen herein, kleiner
als ihr geräusch; doch die hände
lehnten feucht und schwer vor uns
auf den ozean-bänken
[…]

So beginnt das für mich vielleicht großartigste – neben ,,(nosferatu)“, einem Kabinettstück deutschsprachiger Kinopoesie – der in vierzig kilometer nacht versammelten Gedichte. Der Fetzen eines Seemannsschlagers im marodierenden Hirn dreier an den Uferbänken der Weißen Elster lungernder Jugendlicher: Mit Hilfe einer im Film als Überblendung bekannten Verfahrensweise werden blitzartig neue Kontexte hergestellt; der ganz wörtlich zu verstehende Schnitt fördert plötzliche Zusammenhänge zutage, die so vorher nicht zu ermitteln gewesen waren, nun aber ganz und gar einleuchtend erscheinen. „Dem Bewußtsein läge es ob, die Vorläufigkeit aller gegebenen Konfigurationen nachzuweisen“, hatte Siegfried Kracauer über das Wesen der Fotografie notiert. Ein fotografisch montierendes Bewußtsein „zerschlägt die natürliche Realität und verstellt die Bruchstücke gegeneinander“. Und als hätte Kracauer trotz des Festhaltens an der Fotografie zugleich vorwegnehmend Lutz Seilers Vorgehensweise beim Verfertigen von Gedichten illustrieren wollen, heißt es weiter:

Die Unordnung des in der Photographie gespiegelten Abfalls kann nicht deutlicher klargestellt werden als durch die Aufhebung jeder gewohnten Beziehung zwischen den Naturelementen.

Mit Naturelementen meint Kracauer, was wir mittlerweile als unsere schwer deformierte Natur zu benennen genötigt sind, die alles andere als natürlichen Ordnungen und Zwänge, in die „natürlich“ hineingewachsen zu sein uns elterlicher-, staatlicher-, behördlicher- oder von-wem-auch-immer-seits versichert wird: Klarwerden können wir uns darüber nur im Aufzeigen und Neu-Vergipsen der Schnitte, Wunden, Brüche, die uns tatsächlich zu dem mach(t)en, was wir sind oder zu sein glaub(t)en. Was Kracauer noch als Domäne des Zelluloidstreifens ansieht, wird bei Seiler vorsätzlich für das Gedicht nutzbar gemacht:

Sie [die „Naturelemente“] umzutreiben ist eine der Möglichkeiten des Films. Er verwirklicht sie überall dort, wo er Teile und Ausschnitte zu fremden Gebilden assoziiert.

Lutz Seiler schöpft die Möglichkeiten, die das filmische Montageverfahren für die Lyrik bereithält, voll aus. Was wiederum nicht heißt, daß er ihm verfallen wäre. In einem etwa an Rimbaud oder Villon gemahnenden Pathos, das adoleszente Brutalität und Sehnsucht aneinander koppelt, schlägt des Dichters genuine Stimme durch:

[…] wir hatten
die pest an bord und eine verlassenheit, die früh
6 uhr mit den sohlen zart besaitet draussen auf
den stufen stand und wartete
[…]

fährt das oben zitierte Gedicht fort, um mit seinen Schlußakkorden zu einer einem Kirchner vergleichbaren expressiven Bildlichkeit zu finden:

und die brottaschen kreisen an ihren riemen
wie madagaskar-koyoten um unseren hals

Überhaupt scheinen mir die, wie das obige, im Zyklus „delphin oder schmetterling“ zusammengetragenen Gedichte den größten Eindruck zu hinterlassen – am schärfsten wird hier das Objektiv auf die neuralgischen Punkte der eigenen Geschichtlichkeit gerichtet, werden Ich-prägende Konstellationen präzise benannt und das Hereinreichen einer nur scheinbar vergangenen Vergangenheit in die unmittelbare Gegenwart eindringlich vorgeführt, wie am Ende von „mittagsschlaf & heldenfilme“, der Nachgeburt einer ersten Liebe:

[…] & dass auch sonst

nichts umkam, klang good bye
ruby tuesday durch
aaaaadas haus; geflaggt
war glattes, schwarzes haar &
irgend etwas trieb die tränen aus

Wie zufällig, im Gehen gedichtet, kommen bei Seiler die Reime zustande; sie sind stets einfach, aber (zumindest im grafischen Erscheinungsbild) schief, dem Verlauf der Feld- und Waldwege im ostthüringischen Hügelterrain vergleichbar. Im Gedicht „hoddis“ schließlich ist eine Selbstzuschreibung zu lesen, die man eher bei einem Dichter vom Schlage Wulf Kirstens vermutet hätte: „poesie – / mein orthopädisches handwerk“. Seiler gibt damit ohne Umschweife seinen eigentlichen poetischen Impuls zu erkennen: die Landschaft nämlich, jener geologisch, geografisch wie historisch mehrfach geschichtete Boden, von dem aus wir in die Welt zogen – bis zu jenem Boden, der uns gegenwärtig trägt. Der Landschaft verdanken sich bei Seiler so großartige Verse wie die des Triptychons „im frühling“, in dessen Mittelteil der Geschichte vor einem ausrangierten Schaltkasten buchstäblich der Strom abgedreht wird:

[…] & durch

die spulen, widerstände, durch das grün
gedämpfte licht der skalen an

der wand kam die geschichte jener
männer, die
gingen & gingen & gingen

Jan Volker Röhnert, neue deutsche literatur, Heft 553, Januar/Februar 2004

Der Cartesianische Taucher

Seinem zweiten Gedichtband pech & blende gab Lutz Seiler seinerzeit ein Motto von Paul Bowles mit: „Jeder hat nur ein Lied.“ Darin steckte ebensoviel Bescheidung wie Selbstgefühl. Denn nicht jeder, der Gedichte schreibt, hat dieses eine Lied. Lutz Seiler, ein Mann vom Jahrgang 1963, der zu DDR-Zeiten als Zimmermann und Maurer arbeitete, hat sein Thema nicht suchen müssen: die Geschichte hat es ihm aufgedrängt. Mit der Lyrik, dem einen Lied, befreit er sich von einem Trauma, das nicht bloß subjektiv ist.
pech & blende, dieses zweite, besser: erste gültige Gedichtbuch, das Seiler vor drei Jahren bekannt machte, sprach von der Erlebniswelt einer in der DDR aufgewachsenen Generation. Der Austronaut Gagarin erschien ihr als Idol, begeisternd und verhexend. „Wir hatten gagarin, aber gagarin hatte auch uns“, heißt es in dem Gedicht „mein jahrgang, dreiundsechzig, jene“. Die Gedichte zeichneten eine Sozialisation unter dem Zwang von schulischem und militärischem Drill.
Tiefer noch reicht das Titelgedicht „pech & blende“. Es spielt nicht bloß auf einen historischen Verblendungszusammenhang an, sondern sehr konkret auf Unrecht, ja Verbrechen. Die Kontraktion der Titelbegriffe verweist auf die Pechblende, das strahlende Uranerz, das in der DDR für die Sowjetunion abgebaut wurde. Dem jungen Seiler strahlte es buchstäblich in die Familie hinein, als Kontaminierung der Knochen des im Uranbergbau schuftenden Vaters. Man begreift, daß dieser Lebensstoff für mehr als eine Handvoll Gedichte ausreicht. Man begreift auch, daß ein Dichter, der es auf sich nimmt, ihn zu bearbeiten, ihn am kleinen Licht seiner Poesie zu erhellen, ihn als eine lange, nachtschwarze Strecke sehen muß.
Nichts anderes meint der Titel des neuen Bandes vierzig kilometer nacht. Vordergründig geht es im Titelgedicht um die Strecke, die den Großraum Berlin umschreibt. Um die Distanz auch, die den an der Peripherie, in Huchels Wilhelmshorst wohnenden Poeten vom Zentrum trennt. Doch Seilers allusive und zugleich spröde Technik verfremdet eine lyrische Reportage, die in den topographischen Daten wie den Namen von Autobahnzubringern einen Geschichtsraum evoziert. Es sind die vier Jahrzehnte DDR, die sich so ziemlich mit dem Erfahrungsraum des schreibenden Ich decken. Seilers stenogrammhafte Kurzzeilen evozieren „nervenbilder“, darin die „wachtürme“ und „transitplanken“ ebenso vorkommen wie „provinzmoränen“ und der „westbesuch“. Bei der zum Straßenbau aufgeschütteten Erde wittert das archäologisch gestimmte Ich „die neue spur… den schredder, zitternd aus / dem erdreich aufgestürzte kronen, stümpfe / fassten fuss, ein dünner flüchtlings strom durchzog die luft“.
Diese Witterung, die Fähigkeit zur Aufnahme feinster Nuancen und historischer Details macht Seiler zum Dichter, entrückt ihn aller Rhetorik, die doch nur Partei sein kann. Einst wünschte man sich, in Ost und West, eine operative Poesie. Seiler zeigt, was bei solchen Operationen herauskommt: Tod und Moder von Geschichte. Der Dichter hat diesen Geschmack auf der Zunge und spricht ihn aus, seine Madeleine hat den Nachgeschmack einer verfehlten Geschichte.
Das Ich ist Zeuge. Auch in den neuen Gedichten holt Seiler seine Erfahrungen aus dem Schul- und Volksarmeedrill zurück – am prägnantesten in „dioptrien“, das aus der Perspektive eines Brillenträgers eine Schießübung schildert:

auf
zuruf war man tot, fiel um & musste
liegen bleiben.

Der Gedichtschluß trifft das existentielle Moment einer plötzlichen Erkenntnis:

„aber
die toten am waldrand“ rief ich
das
sind doch unsere leute.

Ein anderes Gedicht – „porträt“ – zeigt den Schreibenden immer noch mit der „hand an der naht“ als ein anonym gemachtes Subjekt:

aaaaaaaaaaaaaaich oder jemand

grüsst am spind

Doch im erzwungenen Ich-Verlust richtet das Subjekt sich wieder auf:

am ende senkst du
deinen kopf & denkst herunter zu
den füssen, kurze, schnelle schritte um
das unsichtbare ICH.

Noch ist nicht sicher, ob diese kurzen Schritte in die Freiheit führen. Daß Ich ein anderer ist, mußte Seiler nicht bei Rimbaud lesen – die rotalitare Vergewaltigung hat es ihn gelehrt. Umso unbedingter die Wiederaufrichtung des Ich im Gedicht. Seiler, der sonst alles kleinschreibt, hebt das ICH hier und in einem weiteren Gedicht durch emphatische Versalien hervor. „siehst du die welt von osten: wie“, beginnt es; und in diesem Blick erscheint „das rohe ICH, das böse“ als ein Relikt aus dieser „kreidezeit“.
Seiler läßt offen, welche Chancen es hat. Er ist Dichter, nicht Prophet. Er operiert mit der analytischen Kraft seiner Bilder. Er gewinnt sie durch eine gewisse Hermetik, die direkte oder gar plumpe Deutungen verhindert. Manchmal gibt einzig der Titel eine Deutungshilfe. So in einem Gedicht, das offenbar aus der Erinnerung an die Aufmärsche in der DDR gespeist ist. Das offenbar noch juvenile oder gar infantile Ich empfindet sich als Wesen in unbedingter Abhängigkeit, quasi embryonal:

ich tauchte &
mein atem hing heraus zu einem gott am
schlauch.

Der Leser mag sich fragen, was das Verhalten der Massen und das des fötalen Ich miteinander zu tun haben. Der Titel gibt den entscheidenden Wink. „der cartesianische taucher“ – das ist jenes in einem Glasgefäß eingeschlossene Figürchen, das durch den Druck auf die Membrane beliebig zum Steigen und Sinken oder gar zu possierlichen Bewegungen gebracht werden kann. Der Gott dieser Welt läßt das cartesianische Teufelchen nach Belieben tanzen.
Ecce historia! hätte Gottfried Benn dazu gesagt. Lutz Seiler ist ein Poet, der gegen dieses dumpfe Spiel andichtet. Er findet einmal die wunderbare Formulierung: „deine von innen beschlagenen augen“ – aber diese Augen haben den tieferen Blick. Man liest diese schönen und wichtigen Gedichte nicht so bald aus.

Harald Hartung, als: Madeleines aus Bitterfeld, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.10.2003

Schottervogel lacht im Leergut

– Langsam, klangvoll, gegenwärtig: Lutz Seilers Gedichte aus dem deutschen Osten. –

Eine kleine luftgefüllte Figur schwimmt in einer Wasserflasche. Die Figur hat eine winzige Öffnung. Übt man Druck auf den Stopfen der Flasche aus, so wird die Luftblase in der Figur kleiner und sie sinkt. Lässt der Druck nach, steigt sie wieder auf. Das ist ein Flaschenteufel, sagt der Volksmund. Das ist ein cartesianischer Taucher, sagt der Lehrer.
Lutz Seiler, geboren 1963 in Gera, hat in jungen Jahren als Zimmermann und Mauerer gearbeitet, dann Germanistik studiert und irgendwann zu schreiben begonnen. Im Jahre 1995 erschien sein erster Gedichtband berührt/geführt, im Jahr 2000 der zweite, pech & blende. Nachbilder einer Jugend in Thüringen waren darin zu finden, das verstreute Echo ferner Parolen und Signalwörter aus dem Alltag der DDR. Technik, Natur und Menschenleben sendeten auf einer Frequenz, in einem Ton, der aufhorchen ließ:

ich ging im schnee mit den nervösen
nachkriegs peitschen lampen im genick…

„Der cartesianische Taucher“ heißt ein Gedicht im neuen Buch des nunmehr Vierzigjährigen. Es nimmt die Jugendjahre noch einmal auf. Der Heranwachsende in seinem Bettgestell, durch einen Schlauch mit Luft versorgt, schwebt auf und ab, eingeschlossen in die Bilder, Namen und Geräusche, die ihn prägten:

ruckweis, nachts unter
den lichtbalken der zweitaktwagen.

Milo Barus, ein Kraftakrobat, der Panzer schleppen konnte, taucht auf, Sergej Koroljow, der sowjetische Luftfahrtingenieur, der geheimnisvolle Mann hinter Gagarin:

das
leitfossil, facettenohr
unendlich lauernd an
den schalen der radare.

Nicht nur Koroljow, auch der Junge im alternden Druckbehälter DDR ist ganz Ohr. Lutz Seiler ist ein großer Tonmeister, im durchaus technischen Sinn. Seine Gedichte haben etwas von Schallarchiven, in denen es rauscht und knackt, wie wenn man am Radio quer durch die Sender huscht, hier eine Nachricht, dort ein Stück Volksmusik, dort eine Live-Übertragung erwischt.
„gelobtes land“ heißt der erste Abschnitt in diesem schmalen Buch. Darin schwimmt der cartesianische Taucher. Es ist kein Utopia. Es ist ein Land, in dem man etwa zu geloben hat, in dem man stillzustehen hat, ein Land voller „flaschen & gläser für angela davis, das / lachen im leergut“. Die Ofenheizung und die Abluft, die Anstalt und der Wehrdienst, die Rituale des 8.Mai, Ammoniak und Abraumhalden gehören zu den Nachbildern der DDR. Einen ganzen Abschnitt hat Seiler der Erinnerung an die unpolitische, anti-politische Jugend gewidmet:

wir lagen vor madagaskar und hatten
die welt und das thema verfehlt: wir lagen
vor gera, vor krossen…

Seit Jahren wohnt Lutz Seiler in Wilhelmshorst bei Berlin, im ehemaligen Haus von Peter Huchel. Der Abschnitt „vierzig kilometer nacht“, der dem ganzen Band den Titel gibt, beginnt mit dem Gedicht „Hubertusweg“:

… heimleuchten, hartwuchs: der preussische wald
ist moränen-mechanik, als ob
er noch aufrücken könnte.

Das, zumal der preußische Wald, ist ein Gruß über Jahrzehnte hinweg an Peter Huchel, von dem es auch ein Gedicht „Hubertusweg” gibt. Aber es ist ein Gruß aus der Ferne, Huchels Treue zur Antike und zum Reim, das Gradlinige der Wege, die bei ihm die Erzählstimme durch die Metaphern bahnt, haben bei Seiler keine Entsprechung. Seine Gedichte sind geflechtartiger, ähneln Rhizomen, machen aus Relativsätzen Synkopen, schürzen mal lockere, mal dicht geknüpfte Knoten aus rhythmischen, meist reimlosen Versen.
Aber sie sind nicht hermetisch. Man muss sie nur langsam lesen, am besten laut lesen, schon geben sie den O-Ton der Gegenwart und jüngsten Vergangenheit frei. vierzig kilometer nacht – das ist der Weg von Wilhelmshorst über die Autobahn hinein nach Berlin oder zurück. Samt Schottervögeln, Bitumen, und neuen Autobahnauffahrten, die man förmlich riechen kann. Oder es ist der Blick von der Dorfstraße in den Speisewagen eines Zuges, der in die Stadt fährt. Kirchsteigfeld huscht vorbei, nahe Potsdam, eines der größten Wohnungsbauprojekte der Nachwendezeit. Aber die ist auch schon wieder vorbei:

ich sah die aufgegebnen flaggen von
citroen am alten panzerplattenweg; ein toter
xantia-handel.

Hier kommt der neueste Osten in den Blick, die Welt der schrumpfende Städte und entsiegelten Böden, des Rückbaus von Gesellschaftsresten in Naturreservate: „Safari“ heißt das Gedicht. „Altes Objekt“ der Abschnitt, in dem es steht. Es ist der letzte.

Die Schlusszeile des ersten Merseburger Zauberspruchs ist ihm als Motto vorangesetzt: „…insprinc haptbandun, invar vigandun. (Entspringe, Gefesselter, den Banden!)“ Aber mindestens so gut wie als Freiheitsparole des Bürgers kann man es als Selbstkommentar des Lyrikers Seiler lesen. Mit den mittelalterlichen Schreibern verbindet ihn die Willkür im Umgang mit Worttrennungen und Wortfolgen. Die Interpunktion behandelt er gern so, als gäbe es sie noch gar nicht.
Mit den alten Zaubersprüchen haben seine Gedichte überdies gemein, dass sie – trotz des konsequenten Geschäfts-„&“ – vor allem Klanggebilde und dann erst Schriftbild sind. Das magische Denken mag ihnen abhanden gekommen sein, das Murmeln nicht. Es ist der Untergrund in Seilers „ganz Ohr-Sein“, das Gegenstück zur akustischen Empfindlichkeit dessen, den die Musik ins Fernsehzimmer lockte, in dem Nosferatu lief, der früh die zauberspinnen, die in den alten rundfunk-stimmen hocken in sich aufnahm.
Lutz Seiler ist ein langsamer Akustiker und Klangbildner, der Antipode zum schnellen Reim im schnellen Rap. Aber seine Gedichte vibrieren nicht minder vor Gegenwart. Sein schmales Buch ist große Lyrik.

Lothar Müller, Süddeutsche Zeitung, 6.10.2003

Schwierig, aber gut

Den rar gesäten Freunden gehobener Dichtkunst rate ich zu Lutz Seilers vierzig kilometer weit. Brillanz, die an Unverstehbarkeit grenzt, schillernde Wortgefäße, die man vor Glanz kaum fassen kann, Liebes und Böses, Aufwendiges und Schlichtes, Glückliches und unglücklich Machendes: alles drin. Was z.B. würde ich darum geben, „Vertigo“ einmal von Seiler gelesen zu hören bekommen. Und wie gut würde sich „Wir lagen vor Madagaskar und hatten“ als Superkurzstück auf der Bühne schlagen? Und warum „aqua vitae“ nicht auswendig lernen! Und B. Brecht würde sich freuen über „Der Schrifthund“! Und C. Morgenstern würde „Gelobtes Land“, ein neunzeiliges Gedicht, das mit Begriffen wie Patenbusch, Eisenpilz und geschweißter Elefant zu sich findet, einsaugen wollen! Und T. Adorno würde aus seiner Suhrkamp-Ecke aufspringen, denn Seiler bringt den „beweis, dass von beginn musik vorhanden war“! Sehr kunstvolle Gedichte, die sich den meisten, d.h. den wenigen Lyrikliebhabern, für die dieser Band sich eignet, nur bei lautem Lesen ent-dichten dürften; laut lesen: das beherzige man besonders im „Hubertusweg“, „umsolieber“ und „Im Frühling“.

Ein Kunde, amazon.de, 27.12.2003

Weitere Beiträge zu diesem Buch:

Beatrice von Matt: Hinter Fliegengittern die Erinnerung
Neue Zürcher Zeitung, 7.10.2003

Ursula Krechel: Auf den Spuren der Kohlefadenbirne
Die Zeit, 29.1.2004

Michael Braun: Die dunklen Absencen
Frankfurter Rundschau, 18.2.2004

 

Der Knochenträumer

– Laudatio auf Lutz Seiler zur Verleihung des Bremer Literaturpreises 2004. –

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
woher Lutz Seiler kommt, hat er kürzlich beschrieben. Sein Essay in der Anthologie, in der deutsche Schriftsteller Landschaften porträtieren, denen sie entstammen oder die ihnen ans Herz gewachsen sind, trägt den Titel „Schwarze Abfahrt: Gera Ost“. Es handelt sich um die Abfahrt Nummer 59 auf der Autobahn Nummer 4, auf dem Schild zur Abfahrt steht der Name „Korbußen“. Das ist ein Dorf von 502 Einwohnern, der Ort, schreibt Seiler, „wo ich als Kind zu Hause war“. Korbußen, das klingt dunkel, der Name soll auf die slawischen Korbmacher zurückgehen, die in dem ehemals sumpfigen Tal ihre Weiden fanden.
Wer einmal an der Saale gewandert ist, vom Dornburger Schloß aus in die Landschaft geschaut hat, im Weimarer Park an der Ilm spazierengegangen ist, der weiß, dass Thüringen mit seinen Hügeln, Flüssen und Bächen zu den schönsten Landschaften Deutschlands gehört. Lutz Seilers schwarze Abfahrt liegt in der Nachbarschaft dieser klassischen Kulturlandschaft und doch entfernt davon. Sie führt in eine unheimliche Provinz der Industriegeschichte. Dem Kurbetrieb im Heilbad Ronneburg hatte im späten 19. Jahrhundert die Entdeckung der Radioaktivität zunächst eher eine pikante Note verliehen. Man schätzte die strahlenden Quellen, und die Radiumseife verkaufte sich gut. Als Lutz Seiler in Korbußen aufwuchs, waren die gichtkranken Adligen längst Vergangenheit, aus Bad Ronneburg war nach dem Zweiten Weltkrieg die Grube Ronneburg geworden, ein Hauptort des Uranbergbaus in der DDR. Lutz Seilers thüringische Hügel waren die Kegelhalden dieser Grube, mit ihrem aschgrauen Uranauswurf. Ganze Dörfer verschwanden im Verlauf der Ausweitung des Uranbergbaus, auch das Grundwasser verschwand und mit ihm der sumpfige Nährboden der Weiden. Korbußen kamen die Körbe abhanden.
Im Revolutionsjahr 1789 hat der deutsche Chemiker Martin Heinrich Klaproth in Berlin das Urandioxid entdeckt, das er zunächst für das neue Element Uran selbst hielt. Aus der Pechblende, einem Erz aus Böhmen, hatte er es als ein schwarzes Pulver isoliert. Im Titel seines Gedichtbandes pech & blende aus dem Jahre 2000 hat Lutz Seiler die Pechblende in zwei Wortelemente gespalten. So wuchs dem Pech neben der mineralischen Bedeutung der umgangssprachliche Inbegriff des unverschuldeten Unglücks zu. Die Gegend um die schwarze Abfahrt hatte im doppelten Sinne Pech gehabt. Auch dem zweiten von der Poesie isolierten Wortelement, der Blende, wuchs eine neue Bedeutung zu: die der Sichtblende, hinter der das Pech von Korbußen verschwand. Lutz Seiler hat in seinen Gedichten diese Sichtblende vor dem tickenden Schutt, dem Geröll in den Schächten weggezogen, das Etikett auf dem Schnaps nicht vergessen, der in der Gegend „Kumpeltod“ hieß. Das Titelgedicht des schmalen Bandes pech & blende schließt mit einem Blick auf den Vater, mag sein, es ist der leibliche, mag sein, es ist der Jedermann der schwarzen Abfahrt:

er hatte die halden bestiegen
die bergwelt gekannt, die raupenfahrt, das wasser, den schnaps
so rutschte er heimwärts, erfinder des abraums
wir hörten es ticken, es ist die uhr, es ist
sein geiger zähler herz.

Den Bremer Literaturpreis erhält Lutz Seiler für seinen im Herbst 2003 erschienenen neuen Gedichtband vierzig kilometer nacht. Am Horizont tauchen auch darin gelegentlich die Abraumhalden der Kindheit, Orte und Figuren der Jugend auf:

wir lagen vor madagaskar und hatten
die welt
und das thema verfehlt: wir lagen vor gera, vor krossen…

Aber den thüringischen Horizont faßt Seiler nun im Rückspiegel in den Blick. Das Titelgedicht des Bandes vierzig kilometer nacht handelt von einer nächtlichen Fahrt auf dem Berliner Ring, an Saarmund und Potsdam vorbei. Einmal huscht der Name Kirchsteigfeld durch eine Zeile, er verweist auf eines der ambitioniertesten Wohnungsbauprojekte der neunziger Jahre in Brandenburg. Seit Jahren lebt Lutz Seiler in der Berlin-nahen Provinz, im märkischen Wilhelmshorst. Eines der Gedichte im Buch heißt „Hubertusweg“. Das ist die Adresse Seilers, es war die Adresse des Lyrikers Peter Huchel und, nachdem Huchel in den Westen gegangen war, auch die Adresse des Lyrikers Erich Arendt. Lutz Seiler leitet das Literaturprogramm im Haus im Hubertusweg, im Peter-Huchel-Haus. In seinem Gedicht „Hubertusweg“ gibt es die märkische Moränenlandschaft, es gibt das Laub, den Regen, den Wind, die Maserungen der Bäume, und der Wald heißt nicht der „brandenburgische Wald“, er heißt „der preußische Wald“ und sieht aus wie bei Elias Canetti, als könne er marschieren: das deutsche Heer, sagt Canetti, das ist der marschierende Wald.
Es gibt in Peter Huchels Gedicht „Brandenburg“ die „preußische Kalesche“, und es gibt auch von ihm ein Gedicht mit dem Titel „Hubertusweg“. Aber nichts wäre falscher, als die Postanschrift Lutz Seilers zugleich für seine poetische Adresse zu halten. Gewiß, man findet auch bei ihm die Chausseen, die märkische Landschaft, aber es gibt nicht das stille Einverständnis, das bei Huchel der Versfall mit dem Rhythmus der Sätze oder Litaneien schließt. Auch steht bei Seiler der Reim nicht mehr in der Kulisse, der bei Huchel verläßlich immer wiederkehrt, auch wenn er sich für längere Zeit zurückgezogen hat. Vor allem aber: Es gibt das Grab des Odysseus, Alkaios und den Garten des Theophrast bei Lutz Seiler nicht mehr. Die für die Generation Peter Huchels und Erich Arendts, übrigens auch für den Namensgeber der Rudolf Alexander Schröder-Stiftung so wichtige Rückbindung der Poesie an die Méditerranée, an den antiken Mittelmeerraum, hat Lutz Seiler in die Welt seiner Lyrik nicht übernommen. Er hat seine eigene Sprache gefunden, indem er ein großes Erbe ausgeschlagen hat. Das war für einen jungen Mann in der DDR, einen Dichter aus Thüringen durchaus nicht selbstverständlich. Nicht nur wegen der Nachbarschaft Geras zu Weimar, nicht nur wegen der Strenge, mit der die DDR das Erbe der Antike und den Klassizismus für den preußisch-sächsischen Sozialismus verbindlich machte. Sondern auch wegen der großen Bedeutung, die der Rückgriff auf die – sei’s griechische, sei’s römische – Antike zugleich für diejenigen Autoren in der DDR hatte, die von Bitterfelder Wegen ausscherten, in den engen Grenzen des sozialistischen Realismus nicht bleiben mochten. Die Blankverse der deutschen Klassik von Lessing bis Goethe und Schiller, die Hexameter und Dystichen fanden bei Heiner Müller oder Volker Braun ein Echo, beim späten, todkranken Heiner Müller auch das Sonett.
Der ehemalige Baufacharbeiter, Zimmermann und Maurer, und auch der studierte Germanist Lutz Seiler steht seit seinen Anfängen als Lyriker in Distanz zu dieser Allgegenwart der klassischen Tradition in der DDR, ebenso zu den Experimenten der sächsischen Dichterschule mit den alten Poetiken und ihren strengen Formen. Und auch für den Bertolt-Brecht-Ton, den vitalistischen frühen wie den horazisch-elegischen späten, fehlt ihm vielleicht nicht das Gehör, bestimmt aber der Wille zur Nachahmung.
W.H. Auden, die amerikanische Prosa und Lyrik des 20. Jahrhunderts, der Franzose Francis Ponge, aber auch der früh erloschene expressionistische Vulkan Jakob van Hoddis, der zeitweilig in einer Thüringer Anstalt ausglühte, waren ihm wohl wichtiger auf dem Weg zum eigenen Ton. Eher als ein Brecht-Zitat findet man bei ihm einen Vers von Walther von der Vogelweide. Wie ein Fremdwort aus einer anderen Sphäre der Poesie klingt es, wenn bei Lutz Seiler mitten in Brandenburg, mitten im Geruch eines neuen Autobahnzubringers plötzlich das Adjektiv „asphodelisch“ auftaucht. So fern sind hier sonst die Lilien des Mittelmeerraums, so eigensinnig wahrt diese Lyrik Distanz nicht nur zu Bertolt Brecht, sondern auch zu dessen großem Antipoden Gottfried Benn und seiner nietzeanisch aufschäumenden Méditerrannée. Einmal, im Essay über die schwarze Abfahrt Gera Ost, zitiert Lutz Seiler aus Benns „Ptolemäer“ den Hohn über die politische Welt, die Welt aus Zwang, eine Welt, so Benn, „im Zwang der Wünschelrute von der Antarktis bis zum Erzgebirge: Uran, Pechblende, Isotop 235. Weithinabreichende Neurose!“

Aber dieser Benn-Leser aus Thüringen, aus Korbußen, folgt Benn in dem, was dieser für entscheidend hielt, gerade nicht: im Stil. Seilers Schrifthund, dem er ein Gedicht mit Rilke-Motto widmet, ist eigensinnig, ihm sträubt sich das Fell auf eigene Art:

der
schrifthund lauscht durchs fell, verlaust, er
hat noch altes blut & schlechte augen, nur
sein echo wirkt im echo leer, entzündet
von den nachkriegs-fluren wer
da wer dort wohl
wahnsinnig gefechtsalarm etcetera

& jetzt auf beutespuren: wo
im kranz der guten
herrchen abgestumpft
das tier sein bild noch weiterschleppt
im rauschen: denn
im wald da wird das rauschen seiner
unbehaustheit gross & hoch
& seine unbehaustheit hat
den schrifthund aufgehetzt.

Das ist, im Ton, sehr weit entfernt von Benn. Aber seltsam: Müßte ich Ihnen eine Formel nennen für Lutz Seilers Lyrik, so käme die, zu der ich meine Zuflucht suchen würde, von Gottfried Benn: Geologie des Ich. Benn hat diese Formel geprägt, um die Neuzeit und die Epoche der Vernunft als dünnen Firnis über älteren Schichten zu bagatellisieren, um der „zerebralen Hypothese der Persönlichkeit“ den Kampf anzusagen, um durch die Degradierung der Großhirnrinde zugunsten des Stammhirns zu den Affekten, Räuschen und Trieben des Alten, Archaischen neuen Zugang zu gewinnen.
Nichts von den Bennschen Urmythen, Kosmogonien und Weltkatastrophen bei Seiler. Und doch: Seine Lyrik ist Geologie des Ich, nur im Unterschied zur Bennschen der Phylogenese und Menschheitsepochen eine strikt individuelle: ein Abheben, Aufbewahren und Spurenlesen der Schichten des Ich. Geologie des Ich, das heißt für die Gedichte Lutz Seilers: Es steht hier nicht im Vordergrund, was das Ich denkt, welche Meinungen und Ansichten es hat, nicht der Reim, den es sich auf sich selber macht. Im Vordergrund steht, was es in den Knochen hat, der Blick „ins schädelkissen deiner eignen vorzeit“.
Unter den lyrischen Generationsgefährten Lutz Seilers findet man nur bei Durs Grünbein eine ähnlich intensive Bewirtschaftung der Wortfelder, auf denen Knochen, Schädel, Haut und ihre Komposita zu finden sind. Aber während sie bei Grünbein vor allem in den Horizont der Anatomie gerückt werden, folgt Lutz Seiler den Schichtungsmodellen der Geologie oder den Jahresringen der Biologie: Er sucht nach Ablagerungen, nach Fossilien und Kieselskeletten, so wie der große irische Dichter Seamus Heaney, der in seinen „Bone Dreams“, den Knochenträumen, diesem poetischen Verfahren den Titel gegeben hat. So wenig wie bei Heaney verliert sich bei Lutz Seiler die Knochenträumerei in äonenfernen Vorzeiten, aus der politischen Welt führt sie nicht hinaus, sondern hinein in das, was in den Knochen steckt, hinein zum Beispiel, in den Wehrdienst, in die Kasernen der Nationalen Volksarmee der DDR:

du spürst den helm die haut am schädel wachsen…

Offenkundig sind diese Gedichte nah an den Erfahrungen des Autors entlanggeschrieben. Aber sie datieren diese Erfahrungen nicht. Ein zerfressenes Bündel der Volkswacht, der thüringischen Provinzzeitung für die Gegend um Gera, taucht auf, ein Gedicht handelt vom Gedenkritual am 8. Mai, am Tag der Befreiung. Aber es gibt nur das Ritual, kein konkretes Jahr, keine Aktualität, wie sie die Reportage, kein Datum, wie es die Geschichtsschreibung kennt. Es gibt „Ruby Tuesday“ von den Rolling Stones, das auch hier der Jugend eine Erkennungsmelodie gibt, es gibt die Faszination des Films, in den Knochen stecken auch dem Heranwachsenden in Thüringen die Bilder des Remake von Murnaus Nosferatu mit Klaus Kinski. Aber ein mächtiges Motiv der jüngeren Lyrik gibt es nicht: das Gedicht aus der Mitschrift der Gegenwart hervorgehen zu lassen, aus der Mimikry mit den Rhythmen ihres Alltags, den Rhythmen ihrer Musik. Ebenso selbstbewußt wie unpolemisch, steht Lutz Seiler abseits der triumphalen Wiederkehr des witzig-pointierten Reims von Robert Gernhardt bis Thomas Gsell, der rhythmisch-reimerischen Wortakrobatik der Hiphop-Adepten. Er ist der Antipode von schnellem Reim, schnellem Rap und schneller Pointe.
Statt dessen sind die Gedichte des Knochenträumers Zeitspeicher, in denen langsam, die eigenen, eigenartigen, rhizomartigen Formen der Geologie des Ich entstehen. Nicht aus dem Bild, sondern aus dem Nachbild, nicht aus dem O-Ton, sondern aus dem Echo. Jeder Blick ein NEGATIV, heißt es einmal. Lutz Seiler nimmt sich Zeit, diese Negative zu entwickeln:

die eisenschaukeln, die auf halb vergrabne reifen schlagen,
oder das kind mit flaschengeld am aschekübel: manche
folgen einem pfiff und manchen namen
geht ein stundenlanges rufen nach auf
platten wegen in die dunkelheit.

Zur Geologie des Ich gehört das Knacken der Knochen, der Wirbel, das Echo von Druck und Alter. Zu diesen Gedichten gehört das Murmeln und das Lauschen, wie bei den Merseburger Zaubersprüchen, die Seiler im Motto der letzten Abteilung seines Buches zitiert: insprinc haptbandun, invar vigandun. / Entspringe Gefesselter, den Banden!) Ganz Ohr sein, den Menschen, Dingen, Landschaften ihre Geheimnisse ablauschen – das ist ein sehr altes Motiv der Poesie. Seiler beerbt es als Zeitgenosse der technischen Epoche:

du lauschst, gebannt, vielleicht
gibt es noch die zauberspinnen, die
in den alten rundfunk-stimmen hocken, winzig, gut
verborgen, ein
juckreiz nur im ohr.

Dieser Lyriker ist ein großer Tonmeister. Seine Gedichte haben etwas von Schallarchiven, in denen es rauscht und knackt, wie wenn man im Radio quer durch die Sender huscht, hier eine Nachricht, dort ein Stück Volksmusik, einen Popsong oder eine Märchenlesung erwischt. Er ist ein langsamer Akustiker und Klangbildner, der sich von dem, was er hört, den eigenen Ton und Rhythmus nicht vorgeben läßt. Das gelobte Land, das die DDR gern gewesen wäre, nimmt er beim Wort, wendet das Wort um, lauscht ihm den Doppelsinn ab: das Land, in dem ständig etwas gelobt wird, in dem an Eid und Gelöbnis keiner vorbeikommt.
Indem Seiler die Töne durch die Fuchsbauten seiner freien Rhythmen schickt, erzeugt er Rückkoppelungen, Assonanzen, Binnenreime, Überblendungen. Oft lässt er seine Geschichten an den Versenden Haken schlagen, selten in den ruhigen Hafen des Zuendeerzählens einlaufen. Um vom Fernweh zu erzählen, reicht ihm der Blick ins erleuchtete Abteil eines vorbeifahrenden Zuges aus. Oder die suggestive Formel: „ortsauswärts atmen“.
Hier schreibt einer, der das Fahren liebt, auf dem Motorrad oder im Shiguli, dem Lada. Technik und Landschaft sind ihm kein Gegensatz, er hat den Blick für ihr Ineinander, er holt beide hinein in sein Speichermedium. Schon wird darin die jüngste Vergangenheit, die Nachwendezeit der neunziger Jahre, zum Echo, zum Nachbild. Das Gedicht „Safari“ führt nicht nach Afrika, sondern ins Irgendwo der neuen Länder, wo einmal eine Kaserne war und dann ein Autohaus:

die aufgegebnen flaggen von
citroen am alten panzerplattenweg, ein toter
xantia-handel. Das
dach: durchschossen, es
war schon dunkel draussen.

Auch Landschaften sind Geschichtsbücher. Böden werden entsiegelt, Insekten holen sich ihre alten Routen zurück, in Berlin, Halle oder Gera finden Kongreße zum Thema „Shrinking cities / Schrumpfende Städte“ statt. Lutz Seilers Zeitspeicher-Gedichte vibrieren vor Gegenwart. Dem Knochenträumer entgeht nichts, was dabei ist, fossil zu werden. So streift er durch unsere Tage, so fährt er durch die Nacht, 40 Kilometer und weiter. Was er mitbringt, möchten wir nicht missen.

Lothar Müller, Sprache im technischen Zeitalter, Heft 170, Juni 2004

Dankrede von Lutz Seiler zum Bremer Literaturpreis 2004 für seinen Gedichtband vierzig kilometer nacht. Preisverleihung am 26. Januar 2004, im Bremer Rathaus.

 

Peter Geist: „überdunkeltes atmen durch die umzäunung“. Über die Lyrik Lutz Seilers und ihre Wahrnehmung in der Literaturkritik.

Helmut Böttiger: Lyrik und Uran. Der Schriftsteller Lutz Seiler.

Michael Opitz: Irrwege zum Gedicht. Zur Lyrik von Michael Lentz und Lutz Seiler.

Michael Braun: Im Satzbau dieser Gegend. Ein Porträt des Christian-Wagner-Preisträgers Lutz Seiler.

Lutz Seiler liest u.a. aus vierzig kilometer nacht im Goethe-Institut Amsterdam am 24.10.2001. Moderation: Gregor Laschen.

 

LUTZ SEILER

mutter liegt im bett faul und fett statt aufzustehn
Und in den tierpark zu gehen das tierhaus besuchen
liegt sie auf hölzerm brett faul und fett wie in einem
irrenhaus im kleid tiefschwarz ich riech nach harz
und schwarze raben graben einen graben bis es
zu viele grabende raben sind, mein kind – nun aber
hole die waffe geschwind und schieße am graben
die raben mit ihrem kra und kra und kra und ab

Peter Wawerzinek

 

 

 

Lutz Seiler: „Die dunkle Seite des Mondes“. Über Georg Trakl, Stefan George und Pink Floyd

Fakten und Vermutungen zum Autor  + Schreibtisch +
DAS&DKLGIMDbPIA +
Georg-Büchner-Preis 1, 2, 3, 4, 5, 6 +

 

 

Peter Huchel Preis 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 +

 

 

Porträtgalerie: Autorenarchiv Isolde Ohlbaum + Keystone-SDA +
Autorenarchiv Susanne Schleyer + Dirk Skiba Autorenporträts +
Brigitte Friedrich Autorenfotos
shiyan 言 kou 口

 

Beitragsbild von Juliane Duda zu Richard Pietraß: Dichterleben – Lutz Seiler

 

Lutz Seiler zu Gast bei Erik Spiekermann in der Galerie P98A.

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