Erika Burkarts Gedicht „Nachtstück“

ERIKA BURKART

Nachtstück

Ein Brausen fernher;
nicht zu orten,
oben? unten?
orkisches Grollen.

So dröhnte im Krieg
die furchtbare Flotte –
landüber flog sie
den Tod.

Im Fenster finster die Nacht.
Schnee oder Regen?
Westwind fährt auf,
Wettersturz.

2005

aus: Erika Burkart: Ortlose Nähe. Ammann Verlag & Co., Zürich 2005

 

Konnotation

Als Primarschullehrerin und „nomadisierende Vikarin“ zog die junge Erika Burkart 1942/43 von Landschule zu Landschule, um den ihr anvertrauten Kriegs-Kindern im aargauischen Freiamt die Geheimnisse des Lebens zu lehren. Nur wenige Stunden vom Schweizer Idyll entfernt tobte damals der Weltkrieg, dessen Auswirkungen selbst die ganz ihren „In-Bildern“ hingegebene Vikarin nicht übersehen konnte. Diese frühe Zeit der politischen Schrecken wird im Gedicht der 1922 geborenen Dichterin vergegenwärtigt.
Erika Burkarts „Nachtstück“ überblendet den Lärm bedrohlicher Kriegsmächte mit dem Toben der Naturgewalten. Das „orkische Grollen“, das man wohl vom „Orkus“ ableiten muss und also aus der Unterwelt herrührt, erweist sich als Vorbote des Luftkrieg-Terrors. Es ist ein Naturphänomen, ein heraufziehendes Unwetter, das im lyrischen Ich die Erinnerung an die Kriegsnächte wachruft.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

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