Ernst Meisters Gedicht „Monolog der Menschen“

ERNST MEISTER

Monolog der Menschen

Wir sind die Welt gewöhnt.
Wir haben die Welt lieb wie uns.
Würde Welt plötzlich anders,
wir weinten.

Im Nichts hausen die Fragen.
Im Nichts sind die Pupillen groß.
Wenn Nichts wäre,
wir schliefen jetzt nicht,
und der kommende Traum
sänke zu Tode unter blöden Riesenstein.

1932

aus: Ernst Meister: Ausstellung. Gedichte. Rimbaud Verlag, Aachen 1985

 

Konnotation

Zwanzig Jahre lang zog sich der metaphysisch denkende Poet Ernst Meister (1911–1979) aus dem literarischen Leben zurück, nachdem ein wohlmeinender Literaturkritiker sein Debütbuch Ausstellung (1932) als „eine Art Kandinsky-Lyrik“ charakterisiert hatte. Erst Mitte der 1950er Jahre setzte ein bescheidener Ruhm ein. Meisters Werk wurde erkannt als die intensivste existenzialistische Poesie der Jahrhundertmitte. Der Autor selbst charakterisierte das Dichten als „ein volles Nichts im Riß der menschlichen Welt“.
Meisters erstes Gedichtbuch eröffnet ein „Monolog“, der eine große Irritation vor dem „Nichts“ formuliert. Das Heraustreten aus der gewohnten Welt kann in einen Abgrund der Angst führen. Er habe damals gefürchtet, so formulierte es Meister 1971, „dass plötzlich das Universum stillstand oder gar verschwand, mit samt meiner noch nicht einmal mündig gewordenen Person… Ich fühlte mich in einem spannungsvollen negativen Advent.“

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

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