Franz Kafkas Gedicht „Und die Menschen gehn in Kleidern“

FRANZ KAFKA

Und die Menschen gehn in Kleidern

Und die Menschen gehn in Kleidern
schwankend auf dem Kies spazieren
unter diesem großen Himmel
der von Hügeln in der Ferne
sich zu fernen Hügeln breitet.

1907

 

Konnotation

Nur ein einziges Mal wird Franz Kafka (1883–1924), der wohl größte Prosaautor und literarische Verhängnisforscher des 20. Jahrhunderts, als Lyriker sichtbar. Seiner ersten Erzählung, dem Fragment „Beschreibung eines Kampfes“, in der ersten Fassung zwischen 1904 und 1906 entstanden, stellt er ein fünfzeiliges Gedicht voraus, das er noch während seines Studiums geschrieben hatte.
In einem Brief an Hedwig Weiler nimmt Kafka im August 1907 dieses Gedicht als Exempel für seine Ungeselligkeit und für sein mangelndes „Interesse an den Menschen“. Die Kafka-Forschung verweist auf die Ausflüge des Dichters auf die in der Moldau gelegene Schützeninsel, die damals aufgrund ihrer schattigen Kieswege ein beliebtes Ziel der Prager Bürger war. Unter dem „großen Himmel“ und seiner weiten Ausdehnung zwischen den Fernen wirken die Menschen wie verloren.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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