Friedrich Gottlieb Klopstocks Gedicht „Die Sommernacht“

FRIEDRICH GOTTLIEB KLOPSTOCK

Die Sommernacht

Wenn der Schimmer von dem Monde nun herab
aaaaaIn die Wälder sich ergießt, und Gerüche
aaaaaaaaaaMit den Düften von der Linde
aaaaaaaaaaaaaaaIn den Kühlungen wehn;

So umschatten mich Gedanken an das Grab
aaaaaDer Geliebten, und ich seh in dem Walde
aaaaaaaaaaNur es dämmern, und es weht mir
aaaaaaaaaaaaaaaVon der Blüte nicht her.

Ich genoß einst, o ihr Toten, es mit euch!
aaaaaWie umwehten uns der Duft und die Kühlung,
aaaaaaaaaaWie verschönt warst von dem Monde,
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaDu o schöne Natur!

1766

 

Konnotation

Mit seiner strengen Metrik und seiner auf eine antikisierende Silbenstruktur gestützte Musikalität hat Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803) einen lyrischen „Sound“ erzeugt, der sein Publikum, die Freunde der Empfindsamkeit, viele Jahre begeisterte. Als erster Pop-Star der Lyrikgeschichte besang Klopstock mit großem Erfolg die Urszene der bürgerlichen Gefühlskultur: den Verlust der Geliebten, den Schock des Zurückgebliebenen und seinen Schmerz, den das intensive Naturempfinden lindern soll.
Den poetischen Rhythmus will Klopstock auf die Bewegung des „Wortfußes“ fundieren: So entsteht in der berühmten Ode „Die Sommernacht“ (1766) ein von ihm selbst entworfenes Strophenschema, das insgesamt sechsmal eine rhythmisch gleichförmige Taktung vorsieht, die jeweils aus zwei kurzen, einer langen und wieder einer kurzen Silbe besteht. Diese Formstrenge verursacht ein so strenges Pathos, dass selbst bei eingefleischten Klopstockfans auf die Dauer Ermüdungserscheinungen einsetzten.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

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