Friedrich Hölderlins Gedicht „Menschenbeifall“

FRIEDRICH HÖLDERLIN

Menschenbeifall

Ist nicht heilig mein Herz, schöneren Lebens voll,
aaSeit ich liebe? warum achtetet ihr mich mehr,
aaaaDa ich stolzer und wilder,
aaaaaaWortereicher und leerer war?

Ach! der Menge gefällt, was auf den Marktplatz taugt,
aaUnd es ehret der Knecht nur den Gewaltsamen;
aaaaAn das Göttliche glauben
aaaaaaDie allein, die es selber sind.

1798

 

Konnotation

Ich bin zerrissen von Liebe und Haß“: Mit solchen Sätzen charakterisierte Friedrich Hölderlin (1770–1843) ab dem Sommer 1797 seine heillose Situation als Hauslehrer bei der Frankfurter Bankiersfamilie Gontard. Seine Leidenschaft zu Susette Gontard blieb unerfüllt. Im Frühjahr 1798 schrieb er dann die kurze Ode „Menschenbeifall“, die den Widerstreit seiner Empfindungen und die öffentliche Reaktion auf seine inneren Zerrissenheiten zu objektivieren sucht.
Die Liebesgefühle werden als „heilig“ und dem „Göttlichen“ zugehörig verklärt. Das von „schönerem Leben“ durchglühte Herz findet aber keinen Anklang in der öffentlichen Wahrnehmung. Der „Menschenbeifall“ gilt nur den Durchsetzungsfähigen, die mit der nötigen Aggressivität ihre Ziele zur Geltung bringen. Aus seinem Enthusiasmus für „das Göttliche“ konnte Hölderlin lebenspraktisch keinen Nutzen ziehen. Im September 1798 kam es zum Bruch mit Susette – eine Wunde, die sich nie wieder schloss.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

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