Friedrich Matthissons Gedicht „An den Mond“

FRIEDRICH MATTHISSON

An den Mond

So klar und helle schienest du
Aus dunkelblauen Lüften nieder,
O Mond, als ich noch glücklich war.

Du scheinst so helle noch, so klar
Aus dunkelblauen Lüften nieder:
Ich aber bin nicht glücklich mehr.

Als ich von ihr zu dir empor,
Von dir auf sie herunterschaute,
Da war mein Aug so klar wie du.

Jetzt ist es trüb: denn, lieber Mond,
Ich misse sie schon lange, lange,
Die ich noch lieber seh als dich!

Du siehst sie wohl, auch mich siehst du,
Sag ihr: mein Aug sei jetztund trübe
Das einst so helle war wie du.

nach 1780

 

Konnotation

Von Dessau aus, wo er als Lehrer gearbeitet hatte, eroberte der Dichter und Prosaschriftsteller Friedrich Matthisson (1761–1831) die literarischen Gesellschaften der Goethezeit. Als Vorleser und Hofdichter von Fürstinnen und Grafen brachte er es zu einer Position als Theaterintendant (in Stuttgart) und zu einem Adelstitel. Seine literarischen Zeitgenossen, allen voran Friedrich Schiller, äußerten größten Respekt vor seinen Dichtungen; erst ein Spottvers des Romantikers August Wilhelm Schlegel ruinierte seine Karriere.
Das nach 1780 entstandene Mond-Gedicht ist ein typisches Exempel für die poetische Verehrung des Erdtrabanten, die vor allem von der Romantik betrieben wurde. Die lyrische Selbstreflexion indes, die hier das Leuchten des als Medium für Liebesgefühle begreift, mündet in Ernüchterung. Das Scheinen des Mondes ist nicht mehr kongruent mit der Gefühlswelt des lyrischen Subjekts: das Liebesunglück ist nicht mehr durch die Reinheit und Helligkeit der Naturerscheinung zu überwinden.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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