FRIEDRICH THEODOR VISCHER
Empor nun, ganzes Auditorium!
Aufschwingt euch zum Emporium,
aaaaaAllwo unbeschnipfelt
aaaaaDie Idee sich gipfelt,
aaaaaWo das I sich tüpfelt,
aaaaaWo der Weltbaum wipfelt,
aaaaaWo die Weltwurst zipfelt!
aaaaaDas Abgeschmackteste,
aaaaaHier ward es geschmeckt,
aaaaaDas Allervertrackteste,
aaaaaHier war es bezweckt;
aaaaaDas Unverzeihliche,
aaaaaHier sei es verziehn;
aaaaaDas ewig Langweilige
aaaaaZieht uns dahin!
1862
Nie zuvor und nie danach ist so scharfzüngig, so geistreich und so ausgiebig über die literarische Ikone der Deutschen – nämlich Goethe – gespottet worden wie in Friedrich Theodor Vischers (1807–1887) satirischem Theaterstück Faust. Der Tragödie dritter Teil von 1862. Das „altersschwache, unerquickliche Machwerk“ wollte der ketzerische Pfarrerssohn und Ästhetiker Vischer durch „grobe, aristophanisch cynische, doch auch hanswurstmäßig gutmütige Satire totmachen“.
Die berühmten „Faust“-Dialoge werden durch vergnügliche Sprachspiele aus ihren alten Kontexten herausgerissen, von allem Pathos befreit und durch allerlei Verballhornungen ins Absurde getrieben. Das berühmte „Faust“-Drama ist zum „Ewig Langweiligen“ geschrumpft. Das Gedicht, teilweise rezitiert durch einen „Chorus mysticus“, steht am Ende von Vischers „Faust“-Parodie.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008
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