Georg Weerths Gedicht „Der Eichenwald ist düster“

GEORG WEERTH

Der Eichenwald ist düster

Der Eichenwald ist düster,
Die Welt wird gräulich grau,
Und drüben wohnt der Küster
Mit seiner alten Frau.

Die Frau mit ihrem Küster,
Der Küster mit seiner Frau –
Der Eichenwald ist düster,
Und die Welt wird gräulich grau.

nach 1844

 

Konnotation

Obwohl er im „Literaten-Kränzchen“ des Vormärz-Poeten Ferdinand Freiligrath (1810–1876) seit 1838 ein regelmäßiger Gast war, zeigen die frühen Gedichte des linken Publizisten Georg Weerth (1822–1856) allenfalls Spurenelemente einer Politisierung. Erst als er 1843 im Auftrag seines Arbeitgebers, eines Baumwoll-Unternehmers, nach England reist, lernt er dort das Elend der englischen Arbeiterklasse kennen und wandelt sich zum dezidiert sozialistischen Dichter. Aus seinen poetischen Anfängen stammt noch das kleine Liedchen von der grauen Welt des Klerus.
Man darf diesen witzigen Achtzeiler auch als leicht missglücktes Rondo mit antiklerikaler Tendenz lesen. Die Rondo-Struktur wird dabei vom Autor ebenso wenig eingehalten wie die Reinheit des Reims. Die „gräulich graue“ Welt des kirchlichen Alltags hatte der Pfarrerssohn Weerth in seiner Kindheit kennengelernt. Diese Erfahrungen haben ihn möglicherweise zu diesem herrlich komischen Gedicht an der Grenze zum Nonsens inspiriert.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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