GERHARD RÜHM
wegwerfgesellschaft
vom auto ein paar schritte träg
im mund die zigarette schräg
walkman-popgedresch im ohr
aus dem rock bleckt BILD hervor
zuhaus vorm fernsehkasten stier
griffbereit die dose bier
ohne antwort ohne frage
spiesserdasein heutzutage
1987
aus: Gerhard Rühm: Geschlechterdings. Rowohlt Verlag, Reinbek 1990
Kein Autor verficht das Programm der experimentellen Dichtung mit so beharrlicher Konsequenz wie der 1930 geborene Gerhard Rühm, der letzte Prophet der legendären Wiener Gruppe, die sich als avantgardistisches Kollektiv bereits Mitte der 60er Jahre auflöste.
Mit puristischer Strenge hat Rühm, der als Komponist und Tondichter begann und später an der Kunsthochschule in Hamburg Graphik lehrte, an seiner Poetik der Grenzüberschreitung festgehalten. Immer wieder lässt er die Impulse aus unterschiedlichsten künstlerischen Genres in seine literarischen Versuchsanordnungen einfließen und probiert neue reizvolle Mischformen: „auditive Texte“, „Sehtexte“ oder „visuelle Musik“. Aus der Abteilung der „Wortspiele“, „Litaneien“ und „Triolen“ entstammt ein 1987 entstandener Achtzeiler, der in schöner Drastik ein böses Bild des modernen „Spießers“ entwirft.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006
Schreibe einen Kommentar