Gottlieb Konrad Pfeffels Gedicht „Der Exorzist“

GOTTLIEB KONRAD PFEFFEL

Der Exorzist

Ein Exorzist trieb Teufel aus;
Nicht einer durfte lang verweilen:
Mit Flüchen, Lachen oder Heulen
Verließ er stracks das fremde Haus.
Ein altes Weib wird vorgeführt,
Die sich mit allen Vieren bäumet;
Der Priester droht, die Vettel schäumet
Und Satanas kapituliert;
Erlaube mir nach altem Brauch
In eine fette Sau zu fahren;
Er sprachs und fuhr mit Haut und Haaren
Dem Exorzisten in den Bauch.

1788

 

Konnotation

Der elsässische Diplomatensohn Gottlieb Konrad Pfeffel (1736–1809) hatte ursprünglich der Familientradition folgen wollen und Staatsrecht an der Universität Halle studiert. Erst nach seiner völligen Erblindung brach er die juristische Laufbahn ab, was seiner Umtriebigkeit jedoch keine Grenzen setzte. Er gründete 1773 in Colmar eine protestantische Erziehungsanstalt für adlige Jugendliche und trotzte seiner Blindheit mit gesellschaftskritischen Fabeln und launig-satirischen Gelegenheitsgedichten. 1788 entstand das sarkastische Porträt eines Exorzisten, dem eine Teufelsaustreibung gründlich missrät.
Das Ritual der Austreibung des Teufels wird hier als greller Slapstick geschildert. Denn der verjagte Teufel bemächtigt sich seinerseits des Exorzisten. Freche Gelegenheitsgedichte dieser Art wurden von den Freunden Pfeffels ohne Wissen des Autors seit 1759 in der Straßburger Wochenschrift Der Sammler gedruckt. Pfeffel selbst veröffentlichte erstmals 1761 eine dreibändige Sammlung mit „Poetischen Versuchen“.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

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