Heinrich Heines Gedicht „Lied“

HEINRICH HEINE

Lied

Es war ein alter König,
Sein Herz war schwer, sein Haupt war grau;
Der arme alte König,
Er nahm eine junge Frau.

Es war ein schöner Page,
Blond war sein Haupt, leicht war sein Sinn;
Er trug die seidne Schleppe
Der jungen Königin.

Kennst du das alte Liedchen?
Es klingt so süß, es klingt so trüb!
Sie mußten beide sterben,
Sie hatten sich viel zu lieb.

1830

 

Konnotation

Heinrich Heine (1797–1856) hat viele schmerzlich-süße wie auch ironische Lieder von der Unerfüllbarkeit des Liebeswunsches geschrieben. In einem „alten Liedchen“ von 1830, das später dem Zyklus „Neuer Frühling“ und den Neuen Gedichten zugeordnet wird, skizziert er mit leichter Hand und locker gesetzter Volksliedstrophe die tödlichen Folgen eines Klassen-Konfliktes.
Die Königin und der junge Page – in monarchisch-absolutistischen Verhältnissen führt eine solche unschickliche Verbindung auf direktem Wege in den Tod. Ob der Tod der enthusiastisch Liebenden durch Suizid oder durch eine Strafaktion des betrogenen Königs erfolgt, bleibt hier offen. Den Stoff für seine Liebestragödie hat Heine jedenfalls einer Ballade Gottfried August Bürgers entnommen, „Lenardo und Blandine“. Dort ist es die Tochter des Königs, die sich in ihren Diener verliebt. Erst die Eifersucht eines fremden Prinzen löst die Tragödie aus.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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