Johann Wolfgang von Goethes Gedicht „Freudvoll“

JOHANN WOLFGANG VON GOETHE

Freudvoll

Freudvoll
Und leidvoll,
Gedankenvoll sein,
Langen
Und bangen
In schwebender Pein,
Himmelhoch jauchzend,
Zum Tode betrübt;
Glücklich allein
Ist die Seele, die liebt.

1788

 

Konnotation

Der Kritiker Marcel Reich-Ranicki rühmt dieses Gedicht mit seinen dreiundzwanzig Worten als „das schönste, das vollkommenste erotische Gedicht in deutscher Sprache“. Seinen ursprünglichen Standort hat dieses intime Lied von der Liebe in Goethes (1749–1832) Trauerspiel Egmont von 1788. Im dritten Aufzug dieses Dramas singt das einfache Bürgermädchen Klärchen, das sich während des Aufstandes der Niederlande gegen Spanien in den Grafen Egmont verliebt hat, dieses Lied von der „schwebenden Pein“ des Verliebtseins.
Die berühmt gewordene Formulierung „Himmelhoch jauchzend / Zum Tode betrübt“ bezeichnet ja nicht nur den Zustand des extremen Schwankens zwischen Euphorie und Melancholie, sondern das Fundament jedes Liebesgefühls: Denn nur diejenige Liebe, die sich ihrer Präsenz ständig vergewissern muss und um den möglichen Absturz weiß, gewährt das höchste Glück.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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