Joseph von Eichendorffs Gedicht „Im Walde“

JOSEPH VON EICHENDORFF

Im Walde

Es zog eine Hochzeit den Berg entlang,
Ich hörte die Vögel schlagen,
Da blitzten viel Reiter, das Waldhorn klang,
Das war ein lustiges Jagen!

Und eh ich’s gedacht, war alles verhallt,
Die Nacht bedecket die Runde,
Nur von den Bergen noch rauschet der Wald
Und mich schauert im Herzensgrunde.

1836

 

Konnotation

Das ist die idealtypische romantische Konstellation, die Joseph von Eichendorff (1787–1857) in vielen seiner Gedichte und Erzählungen durchgespielt hat: Die Verheißung des Lebensglücks, eingebettet in eine feiernde Hochzeitsgesellschaft mitten im Wald. Aber auf die Verheißung der Natur folgt eine Bedrohung: Alle Herrlichkeit ist versunken, jetzt bleibt nur noch Düsternis.
In dem 1836 entstandenen Gedicht ruft Eichendorff all seine Topoi noch einmal ab, die er bereits in seiner Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ (1826) verwendete: Das lustige Treiben einer Hochzeitsgesellschaft ebenso wie das Lieblingsmotiv vom „Rauschen“ des Waldes. Aber die Naturstimmen die auf den Menschen einsprechen, haben jetzt eine negative Akzentuierung: Mensch und Natur sind nicht mehr im „stillen Grund“ der Landschaft miteinander verbunden; der nächtliche Wald ruft Schauer im „Herzensgrunde“ hervor – die Ahnung der Vergänglichkeit weckt die Dämonen.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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