Karin Kiwus’ Gedicht „Zuvorletzt“

KARIN KIWUS

Zuvorletzt

Und dann, sagt er,
wenn ich nicht wieder
aufwache, was ist dann,
was ist dann, danach.

Ich weiß nicht, sagt sie,
ich weiß es auch nicht,
außer, – dann
bist du bei mir.

2006

aus: Karin Kiwus: Nach dem Leben. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006

 

Konnotation

Die 1942 geborene Lyrikerin Karin Kiwus erlangte mit einem bösen Spottgedicht aus ihrem Debütband Von beiden Seiten der Gegenwart (1976) beträchtlichen Ruhm. Auf dem Höhepunkt der alltagsrealistisch orientierten Bewegung der „Neuen Subjektivität“ mokierte sich da ein weibliches Ich über den „trüben verstimmten ausgeleierten Arsch“ des Geliebten – die literarische Unsterblichkeit in Lyrik-Anthologien war damit gesichert. In ihre späteren, „verschwiegen bedeutsamen“ Gedichte hat sich die Erfahrung von Vergänglichkeit eingeschrieben.
Die große Transzendenz-Frage nach dem Übergang vom Leben zum Tod wird in diesem Gedicht des 21. Jahrhunderts neu gestellt. Ein Ich und ein Du erfahren in ihrer gegenseitigen Vergewisserung, dass es bei diesen letzten Dingen keine sicheren Antworten gibt. Und doch wird von einer möglichen Gemeinschaft gesprochen – post mortem.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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