Ludwig Heinrich Christoph Höltys Gedicht „Mailied“

LUDWIG HEINRICH CHRISTOPH HÖLTY

Mailied

Der Anger steht so grün, so grün,
Die blauen Veilchenglocken blühn,
Und Schlüsselblumen drunter,
Der Wiesengrund
Ist schon so bunt,
Und färbt sich täglich bunter.

Drum komme, wem der Mai gefällt,
Und freue sich der schönen Welt,
Und Gottes Vatergüte,
Die diese Pracht
Hervorgebracht,
Den Baum und seine Blüte.

1773

 

Konnotation

Der heute vergessene Dichter Ludwig Heinrich Christoph Hölty (1748-1776) war der originellste Kopf im Göttinger Hain, einem Freundschaftsbund von Autoren an der Schwelle zur Goethezeit. Neben Balladen, hymnischen Texten und Minne-Liedern schrieb er eine Reihe lebenszugewandter Mailieder, die es durchaus mit den Texten des frühen Goethe aufnehmen können.
Zu diesem 1773 entstandenen Mailied hat Hölty eine Variante geschrieben, das „Frühlingslied“, das ebenso das Erwachen der Natur und die Weltbejahung feiert. Dieses innige Naturgefühl vermochte Hölty nicht immer in seinen Gedichten durchzuhalten; zu früh wurde er von der Vorahnung des Todes eingeholt. Mit 27 Jahren starb der unglückliche Dichter, der als Kind eine Blatternerkrankung nur knapp überlebt hatte, an Tuberkulose.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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