Paul Celans Gedicht „Großes Geburtstagsblaublau mit Reimzeug und Assonanz“

PAUL CELAN

Großes Geburtstagsblaublau mit Reimzeug und Assonanz

In der R-Mitage,
da hängt ein blauer Page,
Da hängt er, im Lasso:
er stammt von Picasso.
Wer hängt ihn ab?
Das Papperlapapp.
Wo tut es ihn hin?
Nach Neuruppin.
In den Kuchen.
Da könnt ihr ihn suchen.
Da könnt ihr ihn finden,
bei den Korinthen
aus der époque bleue,
links von der Kö,
rechts von der Düssel
in einer blauen Schüssel.
Er hockt auf der Kante
Und schwört aufs Blümerante.

1963/64

 

Konnotation

Im Nachlass des Dichters Paul Celan (1920–1970) finden sich zahlreiche Gedichte, die von der inständigen Benennung des jüdischen Schicksals weit entfernt sind und statt dessen ein heiteres Spiel mit Reimen, Gleichklängen und sprachakrobatisch motivierten Assoziationen betreiben. Die Veröffentlichung dieser Texte in der Tradition der Nonsens-Poesie wollte Celan ursprünglich verhindern. Seine Ambivalenz im Umgang mit dem eigenen Werk zeigt der Umstand, dass er einige dieser Lautgedichte in einer Anthologie erscheinen ließ – in Günter Bruno Fuchs’ 1964 erschienener Nonsensverse-Sammlung Die Meisengeige.
Celan hat hier scheinbar leichthändig ein Gedicht über die Farbe Blau geschrieben. Eine Farbe, die als Modefarbe auch in der modernen Kunst Einzug hielt („Picasso“) und dort bald Verdruss hervorrief. So ist das Bekenntnis zum „Blümeranten“ am Ende eine doppeldeutige Angelegenheit: Denn „blümerant“, abgeleitet vom französischen „bleu mourant“, meint ursprünglich „blass blau“ – in volksetymologischer Umdeutung verweist „blümerant“ („mir ist blümerant zumute“) auf eine elende Gemütsverfassung.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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