Raphael Urweiders Gedicht „ob quinta ob quarta ich…“

RAPHAEL URWEIDER

ob quinta ob quarta ich
kann mich nicht entscheiden
am montag kommt quinta
am dienstag dann quarta
am mittwoch jedoch zerbrech
ich mir den kopf und später
in der woche zögere ich
ich mag quinta quarta mag ich
erst recht und freitage mit
quinta sind lehrreich und gut
ein samstag mit quarta
wie urlaub von mir doch
sonntags am telefon
mit quinta und quarta
fällt keine entscheidung

2008

aus: Raphael Urweider: Alle meine Namen. Gedichte von der Liebe und der Liederlichkeit. DuMont Buchverlag, Köln 2008

 

Konnotation

Sie kommen sehr sorglos, übermütig und demonstrativ ironisch daher – die „Gedichte über die Liebe und die Lasterhaftigkeit“ des Berner Lyrikers Raphael Urweider (geb. 1974), die uns ganz beiläufig ein „Alphabet der Liebe“ bescheren. Der Dichter begibt sich auf die Spuren eines Don Juan, der einst eine Liste mit über 1.000 Geliebten anfertigen ließ. Die richtige Geliebte zu finden, überlässt er den Launen des Alphabets. Etwa dem seltenen Buchstaben „Q“.
Seinen Liebes-„Reigen“ hat Urweider sprachsystematisch von A bis Z durchbuchstabiert, ausgehend von 26 literaturhistorisch traditionsschweren Namen imaginärer oder realer Angebeteter. Dabei kann es auch – wie im vorliegenden Gedicht – um eine hinter Sprachkomik versteckte Qual der Wahl zwischen zwei Geliebten gehen. Der Dichter erweist sich dabei als ein sehr versierter Sprachspieler, der seine Liebesgeschichten aus der subtilen Komposition mit Mehrdeutigkeiten und Gleichklängen gewinnt. „Das Gegenteil der Eleganz ist das Offensichtliche“, sagt Urweider selbst seine einfach daherkommenden Liebesgedichte haben das Offensichtliche eindrucksvoll torpediert.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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