Ror Wolfs Gedicht „hans waldmanns erste worte“

ROR WOLF

hans waldmanns erste worte

eines tages gab es einen frost.
und hans waldmann sagte: ab die post.

und man sah ihn eine zeit nicht mehr.
doch man sah ihn wieder hinterher.

er war fort und lange zeit verstrich,
bis er wiederkam gelegentlich.

vor dem fenster sah man schon die nacht,
als hans waldmann kam kurz nach halb acht.

waldmann sagt: das ist mein erstes wort.
er stand auf darauf und er ging fort.

in der bayrischen provinzstadt W
fiel an diesem abend sehr viel schnee.

um 1970

aus: Ror Wolf: Aussichten auf neue Erlebnisse. Frankfurter Verlagsanstalt. Frankfurt a.M. 1996

 

Konnotation

Hans Waldmann ist der komische Held in den Gedichten des 1932 geborenen Schriftstellers und Collagisten Ror Wolf. In zweizeiligen Strophen, lässig gehandhabtem Versmaß und prekärem Reim porträtiert Wolf seinen Helden als Virtuosen des Ungeschicks, als unsterblichen Meister in der Kunst der Malaisen, der Makel und Malheure. Seit 1965 geistert Hans Waldmann in bislang vier großen Zyklen durch Wolfs Werk, und ein Ende ist entgegen der Prophezeiungen des Autors noch nicht abzusehen.
Die „Abenteuer des Hans Waldmann“ sind auch als absurde Balladen zu lesen, wobei der von Krisen geschüttelte Held immer wieder sich wundersam zu regenerieren vermag, selbst wenn ihm die Launen des Schicksals übel zugesetzt haben. In einer dieser um 1970 entstandenen Balladen schlendert Waldmann hart am Rand der heiteren Banalität entlang – für Vergnüglichkeit ist bei Wolf aber immer gesorgt, wie auch für den „Charme des Unerwarteten“ (Kai Jürgens).

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

0:00
0:00