Róža Domašcynas Gedicht „Vokalintermezzo“

RÓŽA DOMAŠCYNA

Vokalintermezzo

die wolke vögel flirrt und klirrt
ein schwarm alarm vibriert meine kehle spitzt
den schnabel laute schweben zwischen deine
lippenöffnung entläßt töne heißen stimme
im mundkanal der einzige unterschied die schlünder
der vögel sind enger ihre schreie spitzer
wenn die sprachen sich angleichen meine
in der deinen ein und aufgeht ah! wie
sich da umlaut und vorsilbe mischen keine
einsilbigkeit aufkommt wie das wabbelt
und brabbelt katscht und quatscht
schmatzt und schwatzt tuschelt zischelt
und schwadroniert

nach 1990

aus: Róža Domašcyna: selbstredend selbzweit selbdritt. Gedichte, Texte. Janus press, Berlin 1999

 

Konnotation

Das Nomadisieren in einem sprachlichen Zwischenraum, „im zwieland mit doppelzüngiger duellität“, ist zur poetischen Passion der 1951 geborenen Dichterin Róža Domašcyna (urspr.: Rosa Domaschke) geworden. Als Angehörige des kleinen westslawischen Volks der Sorben wuchs sie in der Oberlausitz in einem multilingualen Territorium auf. Den poetischen „Gedächtnisraum“ ihrer sorbischen Heimat, in dem sich zahlreiche „Muttersprachen“ und Dialekte begegnen, hat die Autorin als „Landstreicherin über Traditions- und Sprechgrenzen hinweg“ (so ihr Verleger Gerhard Wolf) lyrisch erkundet.
Die poetische Suchbewegung der Gedichte entzündet sich vorwiegend an vokabulären Reizen und bizarren Wörter-Funden, die das Nomadisieren zwischen den Sprachwelten befeuern. Poesie wird zur lyrischen Schöpfungsgeschichte: Etymologisch verwandte Wörter aus dem Deutschen und dem Sorbischen werden in spielerischer Manier durchbuchstabiert. So erprobt auch das in den 1990er Jahren entstandene „Vokalintermezzo“ das leichtfüßige onomatopoetische Spiel mit Klängen und lautmalenden Verben.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

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