Stefan Georges Gedicht „komm in den totgesagten park“

STEFAN GEORGE

komm in den totgesagten park

Komm in den totgesagten park und schau:
Der schimmer ferner lächelnder gestade ·
Der reinen wolken unverhofftes blau
Erhellt die weiher und die bunten pfade.

Dort nimm das tiefe gelb · das weiche grau
Von birken und von buchs · der wind ist lau ·
Die späten rosen welkten noch nicht ganz ·
Erlese küsse sie und flicht den kranz ·

Vergiss auch diese letzten astern nicht ·
Den purpur um die ranken wilder reben
Und auch was übrig blieb von grünem leben
Verwinde leicht im herbstlichen gesicht.

1895

 

Konnotation

Der ästhetische Fundamentalismus des Dichters Stefan George (1868–1933), sein Hang zu strenger Schönheit und symmetrischer (Kunst-)Ordnung vermag auch die Lyriker der Gegenwart noch zu faszinieren. Der aus Rheinhessen stammende Sohn eines Weingutbesitzers hatte sein Leben vollständig der Dichtung und ihrer polyglotten Übersetzung geweiht. Um sich scharte er einen Kreis von auserlesenen Jüngern, die in ihm den „unfehlbaren“ Meister verehrten.
Georges bevorzugter poetischer Bezirk ist der Park, die gebändigte und exakt komponierte Natur als Ideallandschaft. Sein berühmtestes Gedicht, das den Band Das Jahr der Seele (1907) einleitet, beschwört ein künstliches Paradies. In der domestizierten Natur des Parks werden die natürlichen Elemente einem klassischen Schönheitsplan unterworfen. Die Zeichen stehen hier auf Vergänglichkeit, die Natur blüht in den Farben des Abschieds.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

2 Antworten : Stefan Georges Gedicht „komm in den totgesagten park“”

  1. Lutz Bremer sagt:

    Ein faszinierendes Gedicht – mit einem kleinen Fehler: „der reinen Wolken unverhofftes blau“ – Wolken sind nun einmal – sie mögen noch so rein sein – nicht blau. Blau ist der Himmel zwischen den Wolken!

  2. Lutz Bremer sagt:

    Ein faszinierendes Gedicht – mit einem kleinen Fehler: „der reinen Wolken unverhofftes blau“ – Wolken sind nun einmal – sie mögen noch so rein sein – nicht blau. Blau ist der Himmel zwischen den Wolken!
    Der mögliche Einwand, dass Franz Marcs blaue Pferde auch nicht der Realität entsprachen, verfängt nicht angesichts der sonst ganz der Wirklichkeit verpflichteten Schilderung des Gedichts. Vorschlag: „Des reinen Äthers unverhofftes blau“

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