Theodor Fontanes Gedicht „Die Frage bleibt“

THEODOR FONTANE

Die Frage bleibt

Halte dich still, halte dich stumm,
Nur nicht forschen, warum, warum?

Nur nicht bittre Fragen tauschen,
Antwort ist doch nur wie Meeresrauschen.

Wie’s dich auch aufzuhorchen treibt,
Das Dunkel, das Rätsel, die Frage bleibt.

1889

 

Konnotation

Ein Apotheker, der anstatt von seiner Apotheke von der Dichtkunst leben will, ist so ziemlich das Tollste, was es gibt“: Entgegen dieser eindringlichen Warnung hat der konservative Epiker und Dichter Theodor Fontane (1818–1898) auf die literarische „Tollheit“ eine verblüffende späte Karriere gegründet. Den Apothekerberuf gab er auf und lebte seit 1849 als freier Schriftsteller, ohne zunächst mit seinen publizistischen Gelegenheitsgedichten und wenig gedruckten Gedichten seine Familie ernähren zu können.
Nach dem grandiosen Erfolg seiner späten Romane verfasste Fontane auch eine Reihe epigrammatischer Gedichte und Spruchweisheiten, in die sich die Erfahrung der letzten Dinge eingeschrieben hat: Vergänglichkeit, Krankheit, Tod. Sein 1889 entstandenes Gedicht handelt von der Unlösbarkeit der metaphysischen Existenz-Fragen. Auf das Rätsel des menschlichen Lebens und Sterbens empfiehlt es eine zurückhaltende Antwort: Gelassenheit und Verzicht auf selbstquälerische Grübelei.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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