Unbekannter Autor Gedicht „Kinderreim“

UNBEKANNTER DICHTER

Kinderreim

Ist die schwarze Köchin da?
Nein, nein, nein.
Dreimal muß ich rummarschieren,
viertes Mal den Stock verlieren,
fünftes Mal, komm mit, Frau Schmidt!

Da steht sie ja, da steht sie ja,
die Köchin aus Amerika.

1887

 

Konnotation

Im Schlusskapitel von Günter Grass’ Blechtrommel (von 1959) hat die „schwarze Köchin“ wohl ihren bedrohlichsten Auftritt. Dort geistert sie als ein todbringender Dämon durch die Phantasien des Protagonisten Oskar Matzerath. In der noch immer hilfreichen Kinderlieder-Sammlung Deutsches Kinderlied und Kinderspiel von 1897 vermerkt der Liedforscher Franz Magnus Böhme (1827–1898), dass das Lied von der „schwarzen Köchin“ bereits in Dresden 1887 aufgezeichnet wurde.
Die Kindergartenpädagogik der 1950er und 1960er Jahre hatte dieses Gedicht auch als gemeinschaftsstiftendes Kreis- bzw. Tanzspiel entdeckt. In dieser pädagogischen Perspektive wird das Unheimliche der Präsenz der „schwarzen Köchin“ gerne geleugnet: Dort wird mitunter als Erklärung angeführt, dass sie deshalb schwarz sei, „weil sie in der Rauchküche stand“.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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