Unbekannter Verfasser Gedicht „Ablösung“

UNBEKANNTER VERFASSER

Ablösung

Kuckuck hat sich zu Tod gefallen
An einer hohlen Weiden,
Wer soll uns diesen Sommer lang
Die Zeit und Weil vertreiben?
Ei, das soll tun Frau Nachtigall,
Die sitzt auf grünem Zweige;
Sie singt und springt, ist allzu froh,
Wenn andre Vögel schweigen.

1805

aus: Des Knaben Wunderhorn

 

Konnotation

Ich habe dir einen Vorschlag zu machen“, schrieb am 15. Februar 1805 Achim von Arnim an seinen romantischen Dichterfreund Clemens Brentano, „nehmlich ein Wohlfeiles Volksliederbuch zu unternehmen… es muß sehr zwischen dem romantischen und alltäglichen schweben, es muß Geistliche, Handwerks, Tagwerks, Tagezeits, Jahrzeits, und Scherzlieder ohne Zote enthalten…“ Das Liederbuch, das daraufhin im September 1805 erstmals in Heidelberg erschien, wurde dank Goethes hymnischer Rezension bald zum Hausbuch des deutschen Bürgertums.
Die Sammlung von über zweihundert „alten deutschen Liedern“ enthielt aber nicht nur anrührende Liebes-, Wiegen- und Trinklieder und Balladen, sondern auch Abgründiges: makabre Mordgeschichten, Zauberformeln, Spottverse, grausame Kinderlieder. Und auch das kleine Lied über den Kuckuck und die Nachtigall ist auch eine Betrachtung über den unbarmherzigen Daseinskampf in der Natur.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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